Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.Moralische Betrachtung über den Schnee. Jhr prahlet nur umsonst mit euren Glanz und Ga-ben, Bedenkt woher wir das, was gut empfangen ha- ben, Jst es nicht von dem HErrn dem Vater alles Lichts? Ohn dessen Gnaden-Schein, sind wir ein Dunst, ein Nichts: Seht euer Ebenbild, das ist im Schnee gedrükket, Den wir so gleissend schön vor kurzer Zeit erblikket, Wie sieht er nunmehr aus, er ist beschmuzt, be- flekt, Sein reiner Schweffel Stoff mit schwarzen Koth verdekt: Jhr schienet auch so schön, der Glanz der ist ver- dorben, Eur glänzend Unschulds-Kleid hat Flekken gnug er- worben. Der Schnee zerschmelzzet leicht, und seine weisse Zier, Kommt uns denn wie ein Koth und schäumend Un- flat für: So geht es Heuchlern auch so bald am Licht der Sonnen, Der angeschminkte Kalk der Frömmigkeit zerron- nen. Ein
Moraliſche Betrachtung uͤber den Schnee. Jhr prahlet nur umſonſt mit euren Glanz und Ga-ben, Bedenkt woher wir das, was gut empfangen ha- ben, Jſt es nicht von dem HErrn dem Vater alles Lichts? Ohn deſſen Gnaden-Schein, ſind wir ein Dunſt, ein Nichts: Seht euer Ebenbild, das iſt im Schnee gedruͤkket, Den wir ſo gleiſſend ſchoͤn vor kurzer Zeit erblikket, Wie ſieht er nunmehr aus, er iſt beſchmuzt, be- flekt, Sein reiner Schweffel Stoff mit ſchwarzen Koth verdekt: Jhr ſchienet auch ſo ſchoͤn, der Glanz der iſt ver- dorben, Eur glaͤnzend Unſchulds-Kleid hat Flekken gnug er- worben. Der Schnee zerſchmelzzet leicht, und ſeine weiſſe Zier, Kommt uns denn wie ein Koth und ſchaͤumend Un- flat fuͤr: So geht es Heuchlern auch ſo bald am Licht der Sonnen, Der angeſchminkte Kalk der Froͤmmigkeit zerron- nen. Ein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0118" n="102"/> <fw place="top" type="header">Moraliſche Betrachtung uͤber den Schnee.</fw><lb/> <l>Jhr prahlet nur umſonſt mit euren Glanz und Ga-<lb/><hi rendition="#et">ben,</hi></l><lb/> <l>Bedenkt woher wir das, was gut empfangen ha-<lb/><hi rendition="#et">ben,</hi></l><lb/> <l>Jſt es nicht von dem HErrn dem Vater alles Lichts?</l><lb/> <l>Ohn deſſen Gnaden-Schein, ſind wir ein Dunſt,<lb/><hi rendition="#et">ein Nichts:</hi></l><lb/> <l>Seht euer Ebenbild, das iſt im Schnee gedruͤkket,</l><lb/> <l>Den wir ſo gleiſſend ſchoͤn vor kurzer Zeit erblikket,</l><lb/> <l>Wie ſieht er nunmehr aus, er iſt beſchmuzt, be-<lb/><hi rendition="#et">flekt,</hi></l><lb/> <l>Sein reiner Schweffel Stoff mit ſchwarzen Koth<lb/><hi rendition="#et">verdekt:</hi></l><lb/> <l>Jhr ſchienet auch ſo ſchoͤn, der Glanz der iſt ver-<lb/><hi rendition="#et">dorben,</hi></l><lb/> <l>Eur glaͤnzend Unſchulds-Kleid hat Flekken gnug er-<lb/><hi rendition="#et">worben.</hi></l><lb/> <l>Der Schnee zerſchmelzzet leicht, und ſeine weiſſe<lb/><hi rendition="#et">Zier,</hi></l><lb/> <l>Kommt uns denn wie ein Koth und ſchaͤumend Un-<lb/><hi rendition="#et">flat fuͤr:</hi></l><lb/> <l>So geht es Heuchlern auch ſo bald am Licht der<lb/><hi rendition="#et">Sonnen,</hi></l><lb/> <l>Der angeſchminkte Kalk der Froͤmmigkeit zerron-<lb/><hi rendition="#et">nen.</hi></l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Ein</hi> </fw><lb/> </body> </text> </TEI> [102/0118]
Moraliſche Betrachtung uͤber den Schnee.
Jhr prahlet nur umſonſt mit euren Glanz und Ga-
ben,
Bedenkt woher wir das, was gut empfangen ha-
ben,
Jſt es nicht von dem HErrn dem Vater alles Lichts?
Ohn deſſen Gnaden-Schein, ſind wir ein Dunſt,
ein Nichts:
Seht euer Ebenbild, das iſt im Schnee gedruͤkket,
Den wir ſo gleiſſend ſchoͤn vor kurzer Zeit erblikket,
Wie ſieht er nunmehr aus, er iſt beſchmuzt, be-
flekt,
Sein reiner Schweffel Stoff mit ſchwarzen Koth
verdekt:
Jhr ſchienet auch ſo ſchoͤn, der Glanz der iſt ver-
dorben,
Eur glaͤnzend Unſchulds-Kleid hat Flekken gnug er-
worben.
Der Schnee zerſchmelzzet leicht, und ſeine weiſſe
Zier,
Kommt uns denn wie ein Koth und ſchaͤumend Un-
flat fuͤr:
So geht es Heuchlern auch ſo bald am Licht der
Sonnen,
Der angeſchminkte Kalk der Froͤmmigkeit zerron-
nen.
Ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |