Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.Ein Buch mit welken Blumen Blättern. Anthophilus der dies erfahrn, wie bald die Blumenuns verfliegen, Der samlete sich in ein Buch, dennoch ein welkendes Vergnügen. Er laß die schönen Sorten aus, von Tulpen und von andrer Art, Da er von jedem sich ein Blat, das welk und dür- re aufbewahrt. Ein Firnis, damit sie beschmiert, der hatte diesen Blättern Leben, Und eingermassen auch dabei, den sonst gehabten Glanz gegeben. Das Buch war ihm zur Winterszeit gleich einem todten Schattenriß, Der ihm der Blumen Herrlichkeit und mannigfalt- ge Schönheit wies. Es sahe Gotthold einst das Buch und wünschte von des Höchsten Gaben, Die er uns sonsten noch geschenkt, ein gleiches Denk- buch auch zu haben: Wie manche Wollthat schenkt er uns, die man aus Unbedacht vergißt, Wenn sie nicht mehr nach dem Genus, bei uns noch gegenwärtig ist. Wie viele Proben hätten wir von unsers Schöpfers weiser Güte Womit er uns hat Lebenslang, als wie mit einer schö- nen Blüte Vergnügt gemacht das Herz erquikt; allein wo ist die Dankbarkeit, Vor so viel Zeichen seiner Güt, damit er unser Herz erfreut? Es
Ein Buch mit welken Blumen Blaͤttern. Anthophilus der dies erfahrn, wie bald die Blumenuns verfliegen, Der ſamlete ſich in ein Buch, dennoch ein welkendes Vergnuͤgen. Er laß die ſchoͤnen Sorten aus, von Tulpen und von andrer Art, Da er von jedem ſich ein Blat, das welk und duͤr- re aufbewahrt. Ein Firnis, damit ſie beſchmiert, der hatte dieſen Blaͤttern Leben, Und eingermaſſen auch dabei, den ſonſt gehabten Glanz gegeben. Das Buch war ihm zur Winterszeit gleich einem todten Schattenriß, Der ihm der Blumen Herrlichkeit und mannigfalt- ge Schoͤnheit wies. Es ſahe Gotthold einſt das Buch und wuͤnſchte von des Hoͤchſten Gaben, Die er uns ſonſten noch geſchenkt, ein gleiches Denk- buch auch zu haben: Wie manche Wollthat ſchenkt er uns, die man aus Unbedacht vergißt, Wenn ſie nicht mehr nach dem Genus, bei uns noch gegenwaͤrtig iſt. Wie viele Proben haͤtten wir von unſers Schoͤpfers weiſer Guͤte Womit er uns hat Lebenslang, als wie mit einer ſchoͤ- nen Bluͤte Vergnuͤgt gemacht das Herz erquikt; allein wo iſt die Dankbarkeit, Vor ſo viel Zeichen ſeiner Guͤt, damit er unſer Herz erfreut? Es
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Ein Buch mit welken Blumen Blaͤttern.
Anthophilus der dies erfahrn, wie bald die Blumen
uns verfliegen,
Der ſamlete ſich in ein Buch, dennoch ein welkendes
Vergnuͤgen.
Er laß die ſchoͤnen Sorten aus, von Tulpen und
von andrer Art,
Da er von jedem ſich ein Blat, das welk und duͤr-
re aufbewahrt.
Ein Firnis, damit ſie beſchmiert, der hatte dieſen
Blaͤttern Leben,
Und eingermaſſen auch dabei, den ſonſt gehabten
Glanz gegeben.
Das Buch war ihm zur Winterszeit gleich einem
todten Schattenriß,
Der ihm der Blumen Herrlichkeit und mannigfalt-
ge Schoͤnheit wies.
Es ſahe Gotthold einſt das Buch und wuͤnſchte von
des Hoͤchſten Gaben,
Die er uns ſonſten noch geſchenkt, ein gleiches Denk-
buch auch zu haben:
Wie manche Wollthat ſchenkt er uns, die man aus
Unbedacht vergißt,
Wenn ſie nicht mehr nach dem Genus, bei uns noch
gegenwaͤrtig iſt.
Wie viele Proben haͤtten wir von unſers Schoͤpfers
weiſer Guͤte
Womit er uns hat Lebenslang, als wie mit einer ſchoͤ-
nen Bluͤte
Vergnuͤgt gemacht das Herz erquikt; allein wo iſt
die Dankbarkeit,
Vor ſo viel Zeichen ſeiner Guͤt, damit er unſer Herz
erfreut?
Es
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