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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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"Aber Nitetis wird auch den Berg nicht verachten,"
behauptete Bartja. "Jch werde dafür sorgen, daß sie auf
den hängenden Gärten wohne, so oft sich der Hof nach
Babylon begibt."

"Jetzt aber kommt!" rief Amasis; "sonst werdet ihr
euch die Stadt im Dunkeln betrachten müssen. -- Drüben
stehen schon seit einer Stunde zwei Schreiber, welche mei-
ner warten. Heda, Sachons, befiehl dem Hauptmanne der
Leibwache unseren hohen Gästen mit hundert Mann zu folgen!"

"Aber wozu das? Ein Führer, vielleicht ein griechi-
scher Unterbefehlshaber, würde genügen."

"Es ist besser so, ihr Jünglinge. Als Fremder kann
man in Aegypten niemals zu vorsichtig sein. Merkt euch
dieß; besonders aber hütet euch, der heiligen Thiere zu
spotten. -- Lebt wohl, meine jungen Helden, und auf
Wiedersehen heut Abend beim fröhlichen Becher!"

Die Perser verließen, von ihrem Dolmetscher, einem
Griechen, welcher in Aegypten erzogen worden war, und
beide Sprachen 155) mit gleicher Fertigkeit redete, geführt,
das Königsschloß.

Die Straßen von Sais, welche in der Nähe des
Palastes lagen, boten einen freundlichen Anblick. Die
Häuser, von denen manche fünf Stockwerke hoch waren,
pflegten mit Bildern und Hieroglyphenzeichen bedeckt zu
sein. -- Altane mit Geländern von geschnitztem bunt an-
gestrichenem Holzwerke umgaben, von bemalten Säulen
gestützt, nach dem Hofe zu, die Wände. -- An den fest
verschlossenen Eingangsthüren vieler Häuser war der Name
und Stand des Besitzers zu lesen 156). Auf den platten
Dächern standen Blumen und Ziersträucher, unter denen
die Aegypter am Abende zu verweilen liebten, wenn sie
nicht vorzogen, das Mücken-Thürmchen zu besteigen, wel-

„Aber Nitetis wird auch den Berg nicht verachten,“
behauptete Bartja. „Jch werde dafür ſorgen, daß ſie auf
den hängenden Gärten wohne, ſo oft ſich der Hof nach
Babylon begibt.“

„Jetzt aber kommt!“ rief Amaſis; „ſonſt werdet ihr
euch die Stadt im Dunkeln betrachten müſſen. — Drüben
ſtehen ſchon ſeit einer Stunde zwei Schreiber, welche mei-
ner warten. Heda, Sachons, befiehl dem Hauptmanne der
Leibwache unſeren hohen Gäſten mit hundert Mann zu folgen!“

„Aber wozu das? Ein Führer, vielleicht ein griechi-
ſcher Unterbefehlshaber, würde genügen.“

„Es iſt beſſer ſo, ihr Jünglinge. Als Fremder kann
man in Aegypten niemals zu vorſichtig ſein. Merkt euch
dieß; beſonders aber hütet euch, der heiligen Thiere zu
ſpotten. — Lebt wohl, meine jungen Helden, und auf
Wiederſehen heut Abend beim fröhlichen Becher!“

Die Perſer verließen, von ihrem Dolmetſcher, einem
Griechen, welcher in Aegypten erzogen worden war, und
beide Sprachen 155) mit gleicher Fertigkeit redete, geführt,
das Königsſchloß.

Die Straßen von Sais, welche in der Nähe des
Palaſtes lagen, boten einen freundlichen Anblick. Die
Häuſer, von denen manche fünf Stockwerke hoch waren,
pflegten mit Bildern und Hieroglyphenzeichen bedeckt zu
ſein. — Altane mit Geländern von geſchnitztem bunt an-
geſtrichenem Holzwerke umgaben, von bemalten Säulen
geſtützt, nach dem Hofe zu, die Wände. — An den feſt
verſchloſſenen Eingangsthüren vieler Häuſer war der Name
und Stand des Beſitzers zu leſen 156). Auf den platten
Dächern ſtanden Blumen und Zierſträucher, unter denen
die Aegypter am Abende zu verweilen liebten, wenn ſie
nicht vorzogen, das Mücken-Thürmchen zu beſteigen, wel-

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[110/0128] „Aber Nitetis wird auch den Berg nicht verachten,“ behauptete Bartja. „Jch werde dafür ſorgen, daß ſie auf den hängenden Gärten wohne, ſo oft ſich der Hof nach Babylon begibt.“ „Jetzt aber kommt!“ rief Amaſis; „ſonſt werdet ihr euch die Stadt im Dunkeln betrachten müſſen. — Drüben ſtehen ſchon ſeit einer Stunde zwei Schreiber, welche mei- ner warten. Heda, Sachons, befiehl dem Hauptmanne der Leibwache unſeren hohen Gäſten mit hundert Mann zu folgen!“ „Aber wozu das? Ein Führer, vielleicht ein griechi- ſcher Unterbefehlshaber, würde genügen.“ „Es iſt beſſer ſo, ihr Jünglinge. Als Fremder kann man in Aegypten niemals zu vorſichtig ſein. Merkt euch dieß; beſonders aber hütet euch, der heiligen Thiere zu ſpotten. — Lebt wohl, meine jungen Helden, und auf Wiederſehen heut Abend beim fröhlichen Becher!“ Die Perſer verließen, von ihrem Dolmetſcher, einem Griechen, welcher in Aegypten erzogen worden war, und beide Sprachen 155) mit gleicher Fertigkeit redete, geführt, das Königsſchloß. Die Straßen von Sais, welche in der Nähe des Palaſtes lagen, boten einen freundlichen Anblick. Die Häuſer, von denen manche fünf Stockwerke hoch waren, pflegten mit Bildern und Hieroglyphenzeichen bedeckt zu ſein. — Altane mit Geländern von geſchnitztem bunt an- geſtrichenem Holzwerke umgaben, von bemalten Säulen geſtützt, nach dem Hofe zu, die Wände. — An den feſt verſchloſſenen Eingangsthüren vieler Häuſer war der Name und Stand des Beſitzers zu leſen 156). Auf den platten Dächern ſtanden Blumen und Zierſträucher, unter denen die Aegypter am Abende zu verweilen liebten, wenn ſie nicht vorzogen, das Mücken-Thürmchen zu beſteigen, wel-

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/128>, abgerufen am 25.11.2024.