ches nur wenigen Häusern fehlte. Diese kleinen Warten wurden erbaut, weil die lästigen Jnsecten, welche der Nil erzeugt, nur niedrig fliegen, und man sich daher auf der Höhe der Thürmchen vor ihnen retten konnte 157).
Die jungen Perser freuten sich an der großen fast übertriebenen Reinlichkeit, in welcher jedes einzelne Haus und selbst die Straßen glänzten. Die Thür-Schilder und Klopfer blitzten in der Sonne, die Malereien an den Wän- den, Altanen und Säulen sahen aus, als seien sie erst eben vollendet worden, und selbst das Pflaster in den Straßen 158) ließ vermuthen, daß man es zu scheuern ge- wohnt sei. Je weiter sich die Perser vom Nil und dem Palast entfernten, je unscheinbarer wurden die Gassen der Stadt. Sie war an den Wänden eines mäßigen Hügels erbaut und hatte sich, da vor zweieinhalb Jahrhundert die Residenz der Pharaonen hierher verlegt worden war, in verhältnißmäßig kurzer Zeit, aus einem unbedeutenden Orte in eine ansehnlich große Stadt verwandelt.
Auf der dem Nilarme zugewendeten Seite von Sais waren die Straßen schön und glänzend; an der anderen Berglehne lagen dagegen, nur selten von bessern Häusern unterbrochen, die aus Nilschlamm und Akazienzweigen ver- fertigten Hütten der Armuth. Jm Nordwesten erhob sich die feste Burg des Königs.
"Laßt uns hier umkehren," rief 159) Gyges, der Sohn des Krösus, seinen jüngern Begleitern zu, welche er in Abwesenheit seines Vaters zu leiten und zu hüten hatte, als er sah, daß der Schwarm der Neugierigen, welcher ihnen folgte, von Schritt zu Schritt an Zahl und Größe zunahm.
"Wie Du befiehlst," gab der Dolmetscher zur Ant- wort. "Dort unten im Thale, am Fuße jenes Hügels,
ches nur wenigen Häuſern fehlte. Dieſe kleinen Warten wurden erbaut, weil die läſtigen Jnſecten, welche der Nil erzeugt, nur niedrig fliegen, und man ſich daher auf der Höhe der Thürmchen vor ihnen retten konnte 157).
Die jungen Perſer freuten ſich an der großen faſt übertriebenen Reinlichkeit, in welcher jedes einzelne Haus und ſelbſt die Straßen glänzten. Die Thür-Schilder und Klopfer blitzten in der Sonne, die Malereien an den Wän- den, Altanen und Säulen ſahen aus, als ſeien ſie erſt eben vollendet worden, und ſelbſt das Pflaſter in den Straßen 158) ließ vermuthen, daß man es zu ſcheuern ge- wohnt ſei. Je weiter ſich die Perſer vom Nil und dem Palaſt entfernten, je unſcheinbarer wurden die Gaſſen der Stadt. Sie war an den Wänden eines mäßigen Hügels erbaut und hatte ſich, da vor zweieinhalb Jahrhundert die Reſidenz der Pharaonen hierher verlegt worden war, in verhältnißmäßig kurzer Zeit, aus einem unbedeutenden Orte in eine anſehnlich große Stadt verwandelt.
Auf der dem Nilarme zugewendeten Seite von Sais waren die Straßen ſchön und glänzend; an der anderen Berglehne lagen dagegen, nur ſelten von beſſern Häuſern unterbrochen, die aus Nilſchlamm und Akazienzweigen ver- fertigten Hütten der Armuth. Jm Nordweſten erhob ſich die feſte Burg des Königs.
„Laßt uns hier umkehren,“ rief 159) Gyges, der Sohn des Kröſus, ſeinen jüngern Begleitern zu, welche er in Abweſenheit ſeines Vaters zu leiten und zu hüten hatte, als er ſah, daß der Schwarm der Neugierigen, welcher ihnen folgte, von Schritt zu Schritt an Zahl und Größe zunahm.
„Wie Du befiehlſt,“ gab der Dolmetſcher zur Ant- wort. „Dort unten im Thale, am Fuße jenes Hügels,
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ches nur wenigen Häuſern fehlte. Dieſe kleinen Warten
wurden erbaut, weil die läſtigen Jnſecten, welche der Nil
erzeugt, nur niedrig fliegen, und man ſich daher auf der
Höhe der Thürmchen vor ihnen retten konnte 157).
Die jungen Perſer freuten ſich an der großen faſt
übertriebenen Reinlichkeit, in welcher jedes einzelne Haus
und ſelbſt die Straßen glänzten. Die Thür-Schilder und
Klopfer blitzten in der Sonne, die Malereien an den Wän-
den, Altanen und Säulen ſahen aus, als ſeien ſie erſt
eben vollendet worden, und ſelbſt das Pflaſter in den
Straßen 158) ließ vermuthen, daß man es zu ſcheuern ge-
wohnt ſei. Je weiter ſich die Perſer vom Nil und dem
Palaſt entfernten, je unſcheinbarer wurden die Gaſſen der
Stadt. Sie war an den Wänden eines mäßigen Hügels
erbaut und hatte ſich, da vor zweieinhalb Jahrhundert
die Reſidenz der Pharaonen hierher verlegt worden war,
in verhältnißmäßig kurzer Zeit, aus einem unbedeutenden
Orte in eine anſehnlich große Stadt verwandelt.
Auf der dem Nilarme zugewendeten Seite von Sais
waren die Straßen ſchön und glänzend; an der anderen
Berglehne lagen dagegen, nur ſelten von beſſern Häuſern
unterbrochen, die aus Nilſchlamm und Akazienzweigen ver-
fertigten Hütten der Armuth. Jm Nordweſten erhob ſich
die feſte Burg des Königs.
„Laßt uns hier umkehren,“ rief 159) Gyges, der
Sohn des Kröſus, ſeinen jüngern Begleitern zu, welche
er in Abweſenheit ſeines Vaters zu leiten und zu hüten
hatte, als er ſah, daß der Schwarm der Neugierigen,
welcher ihnen folgte, von Schritt zu Schritt an Zahl und
Größe zunahm.
„Wie Du befiehlſt,“ gab der Dolmetſcher zur Ant-
wort. „Dort unten im Thale, am Fuße jenes Hügels,
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/129>, abgerufen am 15.06.2024.
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