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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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Achtes Kapitel.


Zwei Stunden vor Mitternacht drangen fröhliche
Worte und helle Lichtstrahlen aus den offenen Fenstern
des Hauses der Rhodopis.

Heute war die Tafel der Greisin, zu Ehren des Krö-
sus, besonders reich geschmückt.

Auf den Polstern lagen, bekränzt mit Pappelzweigen
und Rosen, die uns bekannten Gäste der Rhodopis: Theo-
doros, Jbykus, Phanes, Aristomachos, der Kaufmann
Theopompos von Milet, Krösus und mehrere andere
Männer.

"Ja, dieß Aegypten," sagte Theodoros, der Bild-
hauer, "kommt mir vor, wie ein Mädchen, welches einen
gold'nen Schuh besitzt, den es, wenn er sie auch schmerzt
und drückt, nicht ablegen mag, obgleich die schönsten, be-
quemsten Sohlen vor ihr stehen, nach denen sie nur zu
greifen hätte, um sich auf einmal frei und zwanglos fort-
bewegen zu können."

"Du meinst das starre Festhalten der Aegypter an
ihren althergebrachten Formen und Gewohnheiten?" fragte
Krösus.

Achtes Kapitel.


Zwei Stunden vor Mitternacht drangen fröhliche
Worte und helle Lichtſtrahlen aus den offenen Fenſtern
des Hauſes der Rhodopis.

Heute war die Tafel der Greiſin, zu Ehren des Krö-
ſus, beſonders reich geſchmückt.

Auf den Polſtern lagen, bekränzt mit Pappelzweigen
und Roſen, die uns bekannten Gäſte der Rhodopis: Theo-
doros, Jbykus, Phanes, Ariſtomachos, der Kaufmann
Theopompos von Milet, Kröſus und mehrere andere
Männer.

„Ja, dieß Aegypten,“ ſagte Theodoros, der Bild-
hauer, „kommt mir vor, wie ein Mädchen, welches einen
gold’nen Schuh beſitzt, den es, wenn er ſie auch ſchmerzt
und drückt, nicht ablegen mag, obgleich die ſchönſten, be-
quemſten Sohlen vor ihr ſtehen, nach denen ſie nur zu
greifen hätte, um ſich auf einmal frei und zwanglos fort-
bewegen zu können.“

„Du meinſt das ſtarre Feſthalten der Aegypter an
ihren althergebrachten Formen und Gewohnheiten?“ fragte
Kröſus.

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[[121]/0139] Achtes Kapitel. Zwei Stunden vor Mitternacht drangen fröhliche Worte und helle Lichtſtrahlen aus den offenen Fenſtern des Hauſes der Rhodopis. Heute war die Tafel der Greiſin, zu Ehren des Krö- ſus, beſonders reich geſchmückt. Auf den Polſtern lagen, bekränzt mit Pappelzweigen und Roſen, die uns bekannten Gäſte der Rhodopis: Theo- doros, Jbykus, Phanes, Ariſtomachos, der Kaufmann Theopompos von Milet, Kröſus und mehrere andere Männer. „Ja, dieß Aegypten,“ ſagte Theodoros, der Bild- hauer, „kommt mir vor, wie ein Mädchen, welches einen gold’nen Schuh beſitzt, den es, wenn er ſie auch ſchmerzt und drückt, nicht ablegen mag, obgleich die ſchönſten, be- quemſten Sohlen vor ihr ſtehen, nach denen ſie nur zu greifen hätte, um ſich auf einmal frei und zwanglos fort- bewegen zu können.“ „Du meinſt das ſtarre Feſthalten der Aegypter an ihren althergebrachten Formen und Gewohnheiten?“ fragte Kröſus.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. [121]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/139>, abgerufen am 24.11.2024.