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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

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"Unbedingt. Jch bin schon im Begriff dieses Kunst-
stück auszuführen; ein Kunstwerk wird es freilich nicht
werden, so wenig, als irgend eine ägyptische Statue
diesen hohen Namen verdient."

"Dennoch sind einzelne Bildwerke, die z. B., welche
Amasis jetzt eben dem Polykrates als Geschenk nach Sa-
mos schickt 169), vortrefflich gearbeitet."

"Ohne Frage. Was das Handwerk in der Kunst,
d. h. die sichere Verarbeitung selbst des härtesten Mate-
rials betrifft, so sind uns die Aegypter, trotz ihres langen
Stillstandes, noch immer voraus; die freie Gestaltung aber,
die Prometheus Arbeit, das Einhauchen der Seele in den
Stein, werden sie nicht eher erlernen, als bis sie vollkom-
men mit dem alten Formenkrame brechen. Durch Propor-
tionen erreicht man keine Darstellung des geistigen Lebens,
-- nicht einmal den anmuthigen Wechsel des Körperlichen.
Betrachtet jene hunderttausend Statuen, welche sich bei
Palästen und Tempeln von Naukratis bis zu den Katar-
rhakten in langer Reihe erheben. Sie alle stellen freund-
lich ernste Menschen im mittleren Mannesalter dar, und
dennoch ist die eine das Bild eines Greises, die andere
soll das Andenken eines königlichen Jünglings verewigen.
Kriegshelden, Gesetzgeber, Wüthriche und Menschenfreunde,
alle haben so ziemlich das gleiche Ansehen, wenn sie sich
nicht durch Größe, wodurch der ägyptische Künstler Macht
und Stärke ausdrücken will, von einander unterscheiden.
Wie ich mir ein Schwert, so bestellt sich Amasis eine
Bildsäule. Bevor der Meister sein Werk begonnen hat,
wissen wir beide im Voraus, sobald wir nur die Länge
und Breite sorglich angegeben haben, was wir erhalten
werden, wenn die Arbeit fertig ist. -- Wie könnte ich
einen gebrochenen Greis gleich einem sich aufschwingenden

„Unbedingt. Jch bin ſchon im Begriff dieſes Kunſt-
ſtück auszuführen; ein Kunſtwerk wird es freilich nicht
werden, ſo wenig, als irgend eine ägyptiſche Statue
dieſen hohen Namen verdient.“

„Dennoch ſind einzelne Bildwerke, die z. B., welche
Amaſis jetzt eben dem Polykrates als Geſchenk nach Sa-
mos ſchickt 169), vortrefflich gearbeitet.“

„Ohne Frage. Was das Handwerk in der Kunſt,
d. h. die ſichere Verarbeitung ſelbſt des härteſten Mate-
rials betrifft, ſo ſind uns die Aegypter, trotz ihres langen
Stillſtandes, noch immer voraus; die freie Geſtaltung aber,
die Prometheus Arbeit, das Einhauchen der Seele in den
Stein, werden ſie nicht eher erlernen, als bis ſie vollkom-
men mit dem alten Formenkrame brechen. Durch Propor-
tionen erreicht man keine Darſtellung des geiſtigen Lebens,
— nicht einmal den anmuthigen Wechſel des Körperlichen.
Betrachtet jene hunderttauſend Statuen, welche ſich bei
Paläſten und Tempeln von Naukratis bis zu den Katar-
rhakten in langer Reihe erheben. Sie alle ſtellen freund-
lich ernſte Menſchen im mittleren Mannesalter dar, und
dennoch iſt die eine das Bild eines Greiſes, die andere
ſoll das Andenken eines königlichen Jünglings verewigen.
Kriegshelden, Geſetzgeber, Wüthriche und Menſchenfreunde,
alle haben ſo ziemlich das gleiche Anſehen, wenn ſie ſich
nicht durch Größe, wodurch der ägyptiſche Künſtler Macht
und Stärke ausdrücken will, von einander unterſcheiden.
Wie ich mir ein Schwert, ſo beſtellt ſich Amaſis eine
Bildſäule. Bevor der Meiſter ſein Werk begonnen hat,
wiſſen wir beide im Voraus, ſobald wir nur die Länge
und Breite ſorglich angegeben haben, was wir erhalten
werden, wenn die Arbeit fertig iſt. — Wie könnte ich
einen gebrochenen Greis gleich einem ſich aufſchwingenden

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[123/0141] „Unbedingt. Jch bin ſchon im Begriff dieſes Kunſt- ſtück auszuführen; ein Kunſtwerk wird es freilich nicht werden, ſo wenig, als irgend eine ägyptiſche Statue dieſen hohen Namen verdient.“ „Dennoch ſind einzelne Bildwerke, die z. B., welche Amaſis jetzt eben dem Polykrates als Geſchenk nach Sa- mos ſchickt 169), vortrefflich gearbeitet.“ „Ohne Frage. Was das Handwerk in der Kunſt, d. h. die ſichere Verarbeitung ſelbſt des härteſten Mate- rials betrifft, ſo ſind uns die Aegypter, trotz ihres langen Stillſtandes, noch immer voraus; die freie Geſtaltung aber, die Prometheus Arbeit, das Einhauchen der Seele in den Stein, werden ſie nicht eher erlernen, als bis ſie vollkom- men mit dem alten Formenkrame brechen. Durch Propor- tionen erreicht man keine Darſtellung des geiſtigen Lebens, — nicht einmal den anmuthigen Wechſel des Körperlichen. Betrachtet jene hunderttauſend Statuen, welche ſich bei Paläſten und Tempeln von Naukratis bis zu den Katar- rhakten in langer Reihe erheben. Sie alle ſtellen freund- lich ernſte Menſchen im mittleren Mannesalter dar, und dennoch iſt die eine das Bild eines Greiſes, die andere ſoll das Andenken eines königlichen Jünglings verewigen. Kriegshelden, Geſetzgeber, Wüthriche und Menſchenfreunde, alle haben ſo ziemlich das gleiche Anſehen, wenn ſie ſich nicht durch Größe, wodurch der ägyptiſche Künſtler Macht und Stärke ausdrücken will, von einander unterſcheiden. Wie ich mir ein Schwert, ſo beſtellt ſich Amaſis eine Bildſäule. Bevor der Meiſter ſein Werk begonnen hat, wiſſen wir beide im Voraus, ſobald wir nur die Länge und Breite ſorglich angegeben haben, was wir erhalten werden, wenn die Arbeit fertig iſt. — Wie könnte ich einen gebrochenen Greis gleich einem ſich aufſchwingenden

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/141>, abgerufen am 24.11.2024.