Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.Sappho vermochte kein Wort des Dankes zu sagen Bartja, der sonst so übermüthige Knabe, blickte stumm Dieses Schweigen dauerte aber nur kurze Zeit, denn Jetzt kehrte auch dem Perser seine natürliche Unbe- "Laß mich los!" bat Sappho, halb ernst, halb "Wie sollt' ich!" antwortete dieser. "Jch habe "Bitte, laß mich los," -- wiederholte Sappho. "Ehe "Wirst Du aber auch nicht wieder fortlaufen, wenn "Gewiß nicht!" "Nun, so schenke ich Dir die Freiheit; aber jetzt "Dort drüben am Strauch sind weit schönere. Pflücke Sappho vermochte kein Wort des Dankes zu ſagen Bartja, der ſonſt ſo übermüthige Knabe, blickte ſtumm Dieſes Schweigen dauerte aber nur kurze Zeit, denn Jetzt kehrte auch dem Perſer ſeine natürliche Unbe- „Laß mich los!“ bat Sappho, halb ernſt, halb „Wie ſollt’ ich!“ antwortete dieſer. „Jch habe „Bitte, laß mich los,“ — wiederholte Sappho. „Ehe „Wirſt Du aber auch nicht wieder fortlaufen, wenn „Gewiß nicht!“ „Nun, ſo ſchenke ich Dir die Freiheit; aber jetzt „Dort drüben am Strauch ſind weit ſchönere. Pflücke <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0159" n="141"/> <p>Sappho vermochte kein Wort des Dankes zu ſagen<lb/> und ſchlug, ſchämig lächelnd, die Augen nieder.</p><lb/> <p>Bartja, der ſonſt ſo übermüthige Knabe, blickte ſtumm<lb/> und, gleich ihr erröthend, auf ſie herab.</p><lb/> <p>Dieſes Schweigen dauerte aber nur kurze Zeit, denn<lb/> das Mädchen, welches ſich bald von ihrem Schrecken erholt<lb/> hatte, lachte auf einmal in kindlichem Ergötzen über den<lb/> ſtummen Fremdling und die Seltſamkeit ihrer Lage hell<lb/> und fröhlich auf und floh, gleich einem geſcheuchten Reh’,<lb/> dem Hauſe zu.</p><lb/> <p>Jetzt kehrte auch dem Perſer ſeine natürliche Unbe-<lb/> fangenheit wieder. Jn zwei Sätzen hatte er das Mädchen<lb/> erreicht. — Schnell wie der Gedanke faßte er ihre Hand,<lb/> und behielt dieſelbe, trotz alles Sträubens, feſt in der<lb/> ſeinen.</p><lb/> <p>„Laß mich los!“ bat Sappho, halb ernſt, halb<lb/> lächelnd ihre dunklen Augen zu dem Jüngling erhebend.</p><lb/> <p>„Wie ſollt’ ich!“ antwortete dieſer. „Jch habe<lb/> Dich von dem Roſenſtrauche gepflückt und halte Dich<lb/> feſt, bis Du mir, ſtatt Deiner, Deine Schweſter dort<lb/> an Deinem Buſen zum Andenken mitgibſt in meine ferne<lb/> Heimat.“</p><lb/> <p>„Bitte, laß mich los,“ — wiederholte Sappho. „Ehe<lb/> Du meine Hand nicht frei gibſt, — geh’ ich auf gar keine<lb/> Verhandlungen ein.“</p><lb/> <p>„Wirſt Du aber auch nicht wieder fortlaufen, wenn<lb/> ich Deinen Wunſch erfülle?“</p><lb/> <p>„Gewiß nicht!“</p><lb/> <p>„Nun, ſo ſchenke ich Dir die Freiheit; aber jetzt<lb/> mußt Du mir auch Deine Roſe geben!“</p><lb/> <p>„Dort drüben am Strauch ſind weit ſchönere. Pflücke<lb/> Dir eine; was willſt Du gerade mit dieſer hier?“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [141/0159]
Sappho vermochte kein Wort des Dankes zu ſagen
und ſchlug, ſchämig lächelnd, die Augen nieder.
Bartja, der ſonſt ſo übermüthige Knabe, blickte ſtumm
und, gleich ihr erröthend, auf ſie herab.
Dieſes Schweigen dauerte aber nur kurze Zeit, denn
das Mädchen, welches ſich bald von ihrem Schrecken erholt
hatte, lachte auf einmal in kindlichem Ergötzen über den
ſtummen Fremdling und die Seltſamkeit ihrer Lage hell
und fröhlich auf und floh, gleich einem geſcheuchten Reh’,
dem Hauſe zu.
Jetzt kehrte auch dem Perſer ſeine natürliche Unbe-
fangenheit wieder. Jn zwei Sätzen hatte er das Mädchen
erreicht. — Schnell wie der Gedanke faßte er ihre Hand,
und behielt dieſelbe, trotz alles Sträubens, feſt in der
ſeinen.
„Laß mich los!“ bat Sappho, halb ernſt, halb
lächelnd ihre dunklen Augen zu dem Jüngling erhebend.
„Wie ſollt’ ich!“ antwortete dieſer. „Jch habe
Dich von dem Roſenſtrauche gepflückt und halte Dich
feſt, bis Du mir, ſtatt Deiner, Deine Schweſter dort
an Deinem Buſen zum Andenken mitgibſt in meine ferne
Heimat.“
„Bitte, laß mich los,“ — wiederholte Sappho. „Ehe
Du meine Hand nicht frei gibſt, — geh’ ich auf gar keine
Verhandlungen ein.“
„Wirſt Du aber auch nicht wieder fortlaufen, wenn
ich Deinen Wunſch erfülle?“
„Gewiß nicht!“
„Nun, ſo ſchenke ich Dir die Freiheit; aber jetzt
mußt Du mir auch Deine Roſe geben!“
„Dort drüben am Strauch ſind weit ſchönere. Pflücke
Dir eine; was willſt Du gerade mit dieſer hier?“
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