Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

"Jm vorigen Jahre ward Amasis krank, ehe der Hof sich
nach Memphis begeben konnte, und wir blieben zu Sais.

"Endlich, vor etwa sechs Wochen, machten wir uns
auf den Weg zu der Pyramidenstadt 52). Jch bezog mein
altes Quartier und fand in demselben keinen Schatten
eines Mäuseschwanzes wieder; statt der Ratten wimmelte
sie aber von einem anderen Thiergeschlechte, welches mir
nicht lieber war, als seine Vorgänger. Das Katzenpaar
hatte sich nämlich in den zwei Jahren meiner Abwesenheit
verzwölffacht. Jch versuchte die lästige Brut von Katern
jeden Alters und aller Farben zu vertreiben; aber es ge-
lang mir nicht, und ich mußte allnächtlich meinen Schlaf
von entsetzlichen Vierfüßler-Chorgesängen, Katzenkriegsge-
schrei und Katerliedern unterbrechen lassen.

"Alljährlich, zur Zeit des Bubastisfestes, ist es erlaubt,
alle überflüssigen Mäusefänger in den Tempel der katzen-
köpfigen Göttin Pacht abzuliefern, woselbst sie verpflegt,
und, wie ich glaube, wenn sie sich gar zu stark vermeh-
ren, bei Seite gebracht werden. Diese Priester sind Spitz-
buben!

"Leider fiel die große Fahrt zu dem besagten Hei-
ligthume 53) nicht in die Zeit unseres Aufenthaltes bei
den Pyramiden, -- ich aber konnte es schlechterdings mit
dieser Armee von Peinigern nicht länger aushalten, und
beschloß, als mich zwei Katzenmütter von neuem mit einem
Dutzend gesunder Nachkommen beehrten, wenigstens diese
bei Seite zu schaffen. Mein alter Sclave Müs 54), schon
dem Namen nach ein geborner Katerfeind, erhielt den Auf-
trag, die jungen Dinger zu tödten, in einen Sack zu
stecken und in den Nil zu werfen.

"Dieser Mord war nothwendig, denn ohne denselben
würde das Miaulen der jungen Kater den Schloßwärtern

„Jm vorigen Jahre ward Amaſis krank, ehe der Hof ſich
nach Memphis begeben konnte, und wir blieben zu Sais.

„Endlich, vor etwa ſechs Wochen, machten wir uns
auf den Weg zu der Pyramidenſtadt 52). Jch bezog mein
altes Quartier und fand in demſelben keinen Schatten
eines Mäuſeſchwanzes wieder; ſtatt der Ratten wimmelte
ſie aber von einem anderen Thiergeſchlechte, welches mir
nicht lieber war, als ſeine Vorgänger. Das Katzenpaar
hatte ſich nämlich in den zwei Jahren meiner Abweſenheit
verzwölffacht. Jch verſuchte die läſtige Brut von Katern
jeden Alters und aller Farben zu vertreiben; aber es ge-
lang mir nicht, und ich mußte allnächtlich meinen Schlaf
von entſetzlichen Vierfüßler-Chorgeſängen, Katzenkriegsge-
ſchrei und Katerliedern unterbrechen laſſen.

„Alljährlich, zur Zeit des Bubaſtisfeſtes, iſt es erlaubt,
alle überflüſſigen Mäuſefänger in den Tempel der katzen-
köpfigen Göttin Pacht abzuliefern, woſelbſt ſie verpflegt,
und, wie ich glaube, wenn ſie ſich gar zu ſtark vermeh-
ren, bei Seite gebracht werden. Dieſe Prieſter ſind Spitz-
buben!

„Leider fiel die große Fahrt zu dem beſagten Hei-
ligthume 53) nicht in die Zeit unſeres Aufenthaltes bei
den Pyramiden, — ich aber konnte es ſchlechterdings mit
dieſer Armee von Peinigern nicht länger aushalten, und
beſchloß, als mich zwei Katzenmütter von neuem mit einem
Dutzend geſunder Nachkommen beehrten, wenigſtens dieſe
bei Seite zu ſchaffen. Mein alter Sclave Müs 54), ſchon
dem Namen nach ein geborner Katerfeind, erhielt den Auf-
trag, die jungen Dinger zu tödten, in einen Sack zu
ſtecken und in den Nil zu werfen.

„Dieſer Mord war nothwendig, denn ohne denſelben
würde das Miaulen der jungen Kater den Schloßwärtern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0043" n="25"/>
        <p>&#x201E;Jm vorigen Jahre ward Ama&#x017F;is krank, ehe der Hof &#x017F;ich<lb/>
nach Memphis begeben konnte, und wir blieben zu Sais.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Endlich, vor etwa &#x017F;echs Wochen, machten wir uns<lb/>
auf den Weg zu der Pyramiden&#x017F;tadt <hi rendition="#sup">52</hi>). Jch bezog mein<lb/>
altes Quartier und fand in dem&#x017F;elben keinen Schatten<lb/>
eines Mäu&#x017F;e&#x017F;chwanzes wieder; &#x017F;tatt der Ratten wimmelte<lb/>
&#x017F;ie aber von einem anderen Thierge&#x017F;chlechte, welches mir<lb/>
nicht lieber war, als &#x017F;eine Vorgänger. Das Katzenpaar<lb/>
hatte &#x017F;ich nämlich in den zwei Jahren meiner Abwe&#x017F;enheit<lb/>
verzwölffacht. Jch ver&#x017F;uchte die lä&#x017F;tige Brut von Katern<lb/>
jeden Alters und aller Farben zu vertreiben; aber es ge-<lb/>
lang mir nicht, und ich mußte allnächtlich meinen Schlaf<lb/>
von ent&#x017F;etzlichen Vierfüßler-Chorge&#x017F;ängen, Katzenkriegsge-<lb/>
&#x017F;chrei und Katerliedern unterbrechen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alljährlich, zur Zeit des Buba&#x017F;tisfe&#x017F;tes, i&#x017F;t es erlaubt,<lb/>
alle überflü&#x017F;&#x017F;igen Mäu&#x017F;efänger in den Tempel der katzen-<lb/>
köpfigen Göttin Pacht abzuliefern, wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie verpflegt,<lb/>
und, wie ich glaube, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich gar zu &#x017F;tark vermeh-<lb/>
ren, bei Seite gebracht werden. Die&#x017F;e Prie&#x017F;ter &#x017F;ind Spitz-<lb/>
buben!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Leider fiel die große Fahrt zu dem be&#x017F;agten Hei-<lb/>
ligthume <hi rendition="#sup">53</hi>) nicht in die Zeit un&#x017F;eres Aufenthaltes bei<lb/>
den Pyramiden, &#x2014; ich aber konnte es &#x017F;chlechterdings mit<lb/>
die&#x017F;er Armee von Peinigern nicht länger aushalten, und<lb/>
be&#x017F;chloß, als mich zwei Katzenmütter von neuem mit einem<lb/>
Dutzend ge&#x017F;under Nachkommen beehrten, wenig&#x017F;tens die&#x017F;e<lb/>
bei Seite zu &#x017F;chaffen. Mein alter Sclave Müs <hi rendition="#sup">54</hi>), &#x017F;chon<lb/>
dem Namen nach ein geborner Katerfeind, erhielt den Auf-<lb/>
trag, die jungen Dinger zu tödten, in einen Sack zu<lb/>
&#x017F;tecken und in den Nil zu werfen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die&#x017F;er Mord war nothwendig, denn ohne den&#x017F;elben<lb/>
würde das Miaulen der jungen Kater den Schloßwärtern<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0043] „Jm vorigen Jahre ward Amaſis krank, ehe der Hof ſich nach Memphis begeben konnte, und wir blieben zu Sais. „Endlich, vor etwa ſechs Wochen, machten wir uns auf den Weg zu der Pyramidenſtadt 52). Jch bezog mein altes Quartier und fand in demſelben keinen Schatten eines Mäuſeſchwanzes wieder; ſtatt der Ratten wimmelte ſie aber von einem anderen Thiergeſchlechte, welches mir nicht lieber war, als ſeine Vorgänger. Das Katzenpaar hatte ſich nämlich in den zwei Jahren meiner Abweſenheit verzwölffacht. Jch verſuchte die läſtige Brut von Katern jeden Alters und aller Farben zu vertreiben; aber es ge- lang mir nicht, und ich mußte allnächtlich meinen Schlaf von entſetzlichen Vierfüßler-Chorgeſängen, Katzenkriegsge- ſchrei und Katerliedern unterbrechen laſſen. „Alljährlich, zur Zeit des Bubaſtisfeſtes, iſt es erlaubt, alle überflüſſigen Mäuſefänger in den Tempel der katzen- köpfigen Göttin Pacht abzuliefern, woſelbſt ſie verpflegt, und, wie ich glaube, wenn ſie ſich gar zu ſtark vermeh- ren, bei Seite gebracht werden. Dieſe Prieſter ſind Spitz- buben! „Leider fiel die große Fahrt zu dem beſagten Hei- ligthume 53) nicht in die Zeit unſeres Aufenthaltes bei den Pyramiden, — ich aber konnte es ſchlechterdings mit dieſer Armee von Peinigern nicht länger aushalten, und beſchloß, als mich zwei Katzenmütter von neuem mit einem Dutzend geſunder Nachkommen beehrten, wenigſtens dieſe bei Seite zu ſchaffen. Mein alter Sclave Müs 54), ſchon dem Namen nach ein geborner Katerfeind, erhielt den Auf- trag, die jungen Dinger zu tödten, in einen Sack zu ſtecken und in den Nil zu werfen. „Dieſer Mord war nothwendig, denn ohne denſelben würde das Miaulen der jungen Kater den Schloßwärtern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/43
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 1. Stuttgart, 1864, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter01_1864/43>, abgerufen am 21.11.2024.