Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.Du zauderst? O weh, es beginnt schon zu dunkeln! Jch Das Mädchen kämpfte einen schweren Kampf. Jhr Boges ging mit raschen Schritten durch die blühenden Du zauderſt? O weh, es beginnt ſchon zu dunkeln! Jch Das Mädchen kämpfte einen ſchweren Kampf. Jhr Boges ging mit raſchen Schritten durch die blühenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="104"/> Du zauderſt? O weh, es beginnt ſchon zu dunkeln! Jch<lb/> muß fort, um nachzuſehen, ob alle Weiber nach der Ord-<lb/> nung zum großen Geburtstagsſchmauſe geſchmückt ſind. —<lb/> Noch Eins! Gaumata muß übermorgen Babylon verlaſſen;<lb/> Oropaſtes fürchtet, daß er Dich wiederſehen möchte und<lb/> hat ihm befohlen, ſobald die Feier vorüber ſei, nach Rha-<lb/> gae zurückzukehren. Du ſchweigſt noch immer? Nun wohl,<lb/> dann kann ich Dir und dem armen Knaben nicht helfen!<lb/> Es iſt am Ende am Beſten, wenn ihr eurer Liebe vergeßt.<lb/> Lebe wohl!“</p><lb/> <p>Das Mädchen kämpfte einen ſchweren Kampf. Jhr<lb/> ahnte, daß Boges ſie betrügen wolle; eine innere Stimme<lb/> befahl ihr, dem Geliebten das Stelldichein zu verweigern;<lb/> das Gute und die Vorſicht gewannen die Oberhand in<lb/> ihrem Herzen und ſie wollte eben ausrufen: „Sag’ ihm,<lb/> daß ich ihn nicht empfangen werde,“ als ihre Blicke dem<lb/> ſeidenen Bande, welches ſie einſt dem ſchönen Knaben ge-<lb/> ſtickt hatte, begegneten. Alte Bilder ſelig verträumter<lb/> Stunden, kurze Minuten taumelnden Liebesrauſches zogen<lb/> blitzſchnell durch ihr Gedächtniß; Liebe, Leichtſinn, Sehn-<lb/> ſucht gewannen die Oberhand über Tugend, Ahnung, Vor-<lb/> ſicht, und ehe Boges ſein Lebewohl ausſprechen konnte, rief<lb/> ſie faſt willenlos, und wie ein geſcheuchtes Reh dem Hauſe<lb/> zueilend: „Jch werde ihn erwarten!“ —</p><lb/> <p>Boges ging mit raſchen Schritten durch die blühenden<lb/> Gänge der hängenden Gärten. An der Brüſtung des hohen<lb/> Bauwerks blieb er ſtehen und öffnete behutſam eine ver-<lb/> borgene Fallthür. Dieſelbe diente zum Verſchluß einer<lb/> geheimen Treppe, welche der Bauherr angelegt haben mochte,<lb/> um durch einen der mächtigen Pfeiler, welche die Gärten<lb/> trugen, vom Ufer des Stromes aus unbemerkt die Woh-<lb/> nung ſeiner Gattin erreichen zu können. Die Thür bewegte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [104/0106]
Du zauderſt? O weh, es beginnt ſchon zu dunkeln! Jch
muß fort, um nachzuſehen, ob alle Weiber nach der Ord-
nung zum großen Geburtstagsſchmauſe geſchmückt ſind. —
Noch Eins! Gaumata muß übermorgen Babylon verlaſſen;
Oropaſtes fürchtet, daß er Dich wiederſehen möchte und
hat ihm befohlen, ſobald die Feier vorüber ſei, nach Rha-
gae zurückzukehren. Du ſchweigſt noch immer? Nun wohl,
dann kann ich Dir und dem armen Knaben nicht helfen!
Es iſt am Ende am Beſten, wenn ihr eurer Liebe vergeßt.
Lebe wohl!“
Das Mädchen kämpfte einen ſchweren Kampf. Jhr
ahnte, daß Boges ſie betrügen wolle; eine innere Stimme
befahl ihr, dem Geliebten das Stelldichein zu verweigern;
das Gute und die Vorſicht gewannen die Oberhand in
ihrem Herzen und ſie wollte eben ausrufen: „Sag’ ihm,
daß ich ihn nicht empfangen werde,“ als ihre Blicke dem
ſeidenen Bande, welches ſie einſt dem ſchönen Knaben ge-
ſtickt hatte, begegneten. Alte Bilder ſelig verträumter
Stunden, kurze Minuten taumelnden Liebesrauſches zogen
blitzſchnell durch ihr Gedächtniß; Liebe, Leichtſinn, Sehn-
ſucht gewannen die Oberhand über Tugend, Ahnung, Vor-
ſicht, und ehe Boges ſein Lebewohl ausſprechen konnte, rief
ſie faſt willenlos, und wie ein geſcheuchtes Reh dem Hauſe
zueilend: „Jch werde ihn erwarten!“ —
Boges ging mit raſchen Schritten durch die blühenden
Gänge der hängenden Gärten. An der Brüſtung des hohen
Bauwerks blieb er ſtehen und öffnete behutſam eine ver-
borgene Fallthür. Dieſelbe diente zum Verſchluß einer
geheimen Treppe, welche der Bauherr angelegt haben mochte,
um durch einen der mächtigen Pfeiler, welche die Gärten
trugen, vom Ufer des Stromes aus unbemerkt die Woh-
nung ſeiner Gattin erreichen zu können. Die Thür bewegte
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