sich leicht in ihren Angeln und wurde, als Boges sie wieder verschlossen und einige Strommuscheln, welche die Gänge des Gartens bedeckten, über dieselbe gestreut hatte, selbst für Suchende schwer auffindbar. Der Eunuch rieb sich, freundlich lächelnd, nach seiner Gewohnheit die mit Ringen bedeckten Hände und murmelte vor sich hin: "Jetzt muß es glücken! Das Mädchen geht in's Garn, ihr Liebster gehorcht meinem Winke, die alte Treppe ist zugänglich, Nitetis hat an diesem Freudentage bitterlich geweint, die blaue Lilie erblüht morgen Nacht; ja, ja, mein Plänchen muß glücken! Schönes ägyptisches Kätzchen, Deine Sammet- pfötchen werden morgen in dem Fuchseisen hängen bleiben, welches Dir der arme, verachtete Eunuch, der Dir nichts befehlen darf, aufstellt."
Bei diesen Worten durchzuckte ein Blitz der Tücke das Auge des forteilenden Weiberhüters.
An der großen Treppe begegnete derselbe dem Eunuchen Neriglissar, welcher als Obergärtner auf den hängenden Gärten wohnte.
"Wie steht es mit der blauen Lilie?" fragte er denselben.
"Sie entwickelt sich köstlich!" rief der Gärtner, seines geliebten Blumenzöglings in Begeisterung gedenkend: "Mor- gen, wenn der Tistarstern aufgeht, wird sie, wie ich Dir verheißen habe, in der schönsten Blüte prangen! Meine ägyptische Herrin wird eine große Freude haben, denn sie liebt die Blumen, und ich bitte Dich, auch dem König und den Achämeniden mitzutheilen, daß es meinem Fleiß gelun- gen sei, jene seltene Pflanze zur Blüte zu bringen. Die- selbe zeigt sich nur alle zehn Jahre während einer einzigen Nacht in ihrer vollen Schönheit. Theile dieß den edlen Achämeniden mit und führe sie zu mir."
"Dein Wunsch soll erfüllt werden," lächelte Boges.
ſich leicht in ihren Angeln und wurde, als Boges ſie wieder verſchloſſen und einige Strommuſcheln, welche die Gänge des Gartens bedeckten, über dieſelbe geſtreut hatte, ſelbſt für Suchende ſchwer auffindbar. Der Eunuch rieb ſich, freundlich lächelnd, nach ſeiner Gewohnheit die mit Ringen bedeckten Hände und murmelte vor ſich hin: „Jetzt muß es glücken! Das Mädchen geht in’s Garn, ihr Liebſter gehorcht meinem Winke, die alte Treppe iſt zugänglich, Nitetis hat an dieſem Freudentage bitterlich geweint, die blaue Lilie erblüht morgen Nacht; ja, ja, mein Plänchen muß glücken! Schönes ägyptiſches Kätzchen, Deine Sammet- pfötchen werden morgen in dem Fuchseiſen hängen bleiben, welches Dir der arme, verachtete Eunuch, der Dir nichts befehlen darf, aufſtellt.“
Bei dieſen Worten durchzuckte ein Blitz der Tücke das Auge des forteilenden Weiberhüters.
An der großen Treppe begegnete derſelbe dem Eunuchen Nerigliſſar, welcher als Obergärtner auf den hängenden Gärten wohnte.
„Wie ſteht es mit der blauen Lilie?“ fragte er denſelben.
„Sie entwickelt ſich köſtlich!“ rief der Gärtner, ſeines geliebten Blumenzöglings in Begeiſterung gedenkend: „Mor- gen, wenn der Tiſtarſtern aufgeht, wird ſie, wie ich Dir verheißen habe, in der ſchönſten Blüte prangen! Meine ägyptiſche Herrin wird eine große Freude haben, denn ſie liebt die Blumen, und ich bitte Dich, auch dem König und den Achämeniden mitzutheilen, daß es meinem Fleiß gelun- gen ſei, jene ſeltene Pflanze zur Blüte zu bringen. Die- ſelbe zeigt ſich nur alle zehn Jahre während einer einzigen Nacht in ihrer vollen Schönheit. Theile dieß den edlen Achämeniden mit und führe ſie zu mir.“
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ſich leicht in ihren Angeln und wurde, als Boges ſie wieder
verſchloſſen und einige Strommuſcheln, welche die Gänge
des Gartens bedeckten, über dieſelbe geſtreut hatte, ſelbſt
für Suchende ſchwer auffindbar. Der Eunuch rieb ſich,
freundlich lächelnd, nach ſeiner Gewohnheit die mit Ringen
bedeckten Hände und murmelte vor ſich hin: „Jetzt muß
es glücken! Das Mädchen geht in’s Garn, ihr Liebſter
gehorcht meinem Winke, die alte Treppe iſt zugänglich,
Nitetis hat an dieſem Freudentage bitterlich geweint, die
blaue Lilie erblüht morgen Nacht; ja, ja, mein Plänchen
muß glücken! Schönes ägyptiſches Kätzchen, Deine Sammet-
pfötchen werden morgen in dem Fuchseiſen hängen bleiben,
welches Dir der arme, verachtete Eunuch, der Dir nichts
befehlen darf, aufſtellt.“
Bei dieſen Worten durchzuckte ein Blitz der Tücke das
Auge des forteilenden Weiberhüters.
An der großen Treppe begegnete derſelbe dem Eunuchen
Nerigliſſar, welcher als Obergärtner auf den hängenden
Gärten wohnte.
„Wie ſteht es mit der blauen Lilie?“ fragte er denſelben.
„Sie entwickelt ſich köſtlich!“ rief der Gärtner, ſeines
geliebten Blumenzöglings in Begeiſterung gedenkend: „Mor-
gen, wenn der Tiſtarſtern aufgeht, wird ſie, wie ich Dir
verheißen habe, in der ſchönſten Blüte prangen! Meine
ägyptiſche Herrin wird eine große Freude haben, denn ſie
liebt die Blumen, und ich bitte Dich, auch dem König und
den Achämeniden mitzutheilen, daß es meinem Fleiß gelun-
gen ſei, jene ſeltene Pflanze zur Blüte zu bringen. Die-
ſelbe zeigt ſich nur alle zehn Jahre während einer einzigen
Nacht in ihrer vollen Schönheit. Theile dieß den edlen
Achämeniden mit und führe ſie zu mir.“
„Dein Wunſch ſoll erfüllt werden,“ lächelte Boges.
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/107>, abgerufen am 16.02.2025.
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