Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.daß es ihren Mann nicht wenigstens einmal täglich gereut, Araspes lächelte bitter. "Wer hindert Dich denn, heute noch zu heirathen?" "Fege vor Deiner eignen Thür," gab der Hagestolz "Ein Orakelspruch verbot mir zu heirathen." "Thorheiten! Wie kann sich ein verständiger Mann "Das verstehst Du nicht, Araspes." "Meinst Du, mein Kind! Aber so seid ihr Alle. daß es ihren Mann nicht wenigſtens einmal täglich gereut, Araspes lächelte bitter. „Wer hindert Dich denn, heute noch zu heirathen?“ „Fege vor Deiner eignen Thür,“ gab der Hageſtolz „Ein Orakelſpruch verbot mir zu heirathen.“ „Thorheiten! Wie kann ſich ein verſtändiger Mann „Das verſtehſt Du nicht, Araspes.“ „Meinſt Du, mein Kind! Aber ſo ſeid ihr Alle. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0142" n="140"/> daß es ihren Mann nicht wenigſtens einmal täglich gereut,<lb/> eine Frau genommen zu haben! Sei fröhlich, Väterchen,<lb/> und denke, daß Du Dich über Deine eigne Schuld beklagſt.<lb/> Warum haſt Du nicht gleich mir gehandelt, wenn Du<lb/> durch eine Gattin glücklich zu werden hoffſt? — Jch zähle<lb/> zweiundzwanzig Jahr und habe fünf ſtattliche Weiber und<lb/> eine ganze Schaar der ſchönſten Sclavinnen in meinem<lb/> Hauſe.“</p><lb/> <p>Araspes lächelte bitter.</p><lb/> <p>„Wer hindert Dich denn, heute noch zu heirathen?“<lb/> rief Gyges. „Du biſt zwar ſechzig Jahr alt; aber Du<lb/> nimmſt es mit manchem Jüngeren auf, was Stattlichkeit,<lb/> Kraft und Ausdauer anbetrifft. — Du gehörſt zu den<lb/> edelſten Verwandten des Königs; ich ſage Dir, Araspes,<lb/> Du bekommſt noch zwanzig ſchöne, junge Frauen!“</p><lb/> <p>„Fege vor Deiner eignen Thür,“ gab der Hageſtolz<lb/> dem Sohne des Kröſus zurück. „Wäre ich wie Du, ſo<lb/> würd’ ich wahrhaftig nicht bis in meine dreißiger Jahre<lb/> unbeweibt geblieben ſein!“</p><lb/> <p>„Ein Orakelſpruch verbot mir zu heirathen.“</p><lb/> <p>„Thorheiten! Wie kann ſich ein verſtändiger Mann<lb/> um Orakel kümmern. Nur in Träumen verkünden uns<lb/> die Götter die Zukunft! Jch dächte doch, daß Du an Dei-<lb/> nem leiblichen Vater geſehn haben müßteſt, wie ſchändlich<lb/> jene griechiſchen Prieſter ihre beſten Freunde betrügen.“</p><lb/> <p>„Das verſtehſt Du nicht, Araspes.“</p><lb/> <p>„Meinſt Du, mein Kind! Aber ſo ſeid ihr Alle.<lb/> Was ihr nicht verſteht, das nennt ihr in eurer Be-<lb/> ſchränktheit Wunder, und was euch wunderbar erſcheint,<lb/> dem vertraut ihr ſicherer, als der einfachen auf der Hand<lb/> liegenden Wahrheit. Das Orakel hat Deinen Vater be-<lb/> trogen und in’s Verderben geſtürzt; aber das Orakel iſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [140/0142]
daß es ihren Mann nicht wenigſtens einmal täglich gereut,
eine Frau genommen zu haben! Sei fröhlich, Väterchen,
und denke, daß Du Dich über Deine eigne Schuld beklagſt.
Warum haſt Du nicht gleich mir gehandelt, wenn Du
durch eine Gattin glücklich zu werden hoffſt? — Jch zähle
zweiundzwanzig Jahr und habe fünf ſtattliche Weiber und
eine ganze Schaar der ſchönſten Sclavinnen in meinem
Hauſe.“
Araspes lächelte bitter.
„Wer hindert Dich denn, heute noch zu heirathen?“
rief Gyges. „Du biſt zwar ſechzig Jahr alt; aber Du
nimmſt es mit manchem Jüngeren auf, was Stattlichkeit,
Kraft und Ausdauer anbetrifft. — Du gehörſt zu den
edelſten Verwandten des Königs; ich ſage Dir, Araspes,
Du bekommſt noch zwanzig ſchöne, junge Frauen!“
„Fege vor Deiner eignen Thür,“ gab der Hageſtolz
dem Sohne des Kröſus zurück. „Wäre ich wie Du, ſo
würd’ ich wahrhaftig nicht bis in meine dreißiger Jahre
unbeweibt geblieben ſein!“
„Ein Orakelſpruch verbot mir zu heirathen.“
„Thorheiten! Wie kann ſich ein verſtändiger Mann
um Orakel kümmern. Nur in Träumen verkünden uns
die Götter die Zukunft! Jch dächte doch, daß Du an Dei-
nem leiblichen Vater geſehn haben müßteſt, wie ſchändlich
jene griechiſchen Prieſter ihre beſten Freunde betrügen.“
„Das verſtehſt Du nicht, Araspes.“
„Meinſt Du, mein Kind! Aber ſo ſeid ihr Alle.
Was ihr nicht verſteht, das nennt ihr in eurer Be-
ſchränktheit Wunder, und was euch wunderbar erſcheint,
dem vertraut ihr ſicherer, als der einfachen auf der Hand
liegenden Wahrheit. Das Orakel hat Deinen Vater be-
trogen und in’s Verderben geſtürzt; aber das Orakel iſt
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