Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

wohnt war, die Frauen in Unwissenheit und Trägheit,
nur auf Putz und Ränke sinnend, aufwachsen zu sehen,
ebenso wunderbar, als lobenswerth. Darum antwortete
er, mit sichtlichem Wohlgefallen: "Es freut mich, daß ich
ohne Vermittler mit Dir reden kann. Fahre fort, Dich
zu bemühen, die schwere Sprache meiner Väter zu erler-
nen; mein Tischgenosse Krösus wird auch in Zukunft Dein
Lehrer bleiben."

"Du beglückst mich mit diesem Befehle," rief der
Greis, "denn ich könnte mir keine dankbarere und eifrigere
Schülerin wünschen, als die Tochter des Amasis."

"Sie bewährt den alten Ruhm ägyptischer Weisheit,"
erwiederte der König, "und ich denke, daß sie auch die
Lehren der Magier, welche sie in unserer Religion unter-
richten werden; in kurzer Zeit verstehen und in ihre Seele
aufnehmen wird."

Nitetis schlug die Augen nieder. Das Gefürchtete
nahte. Statt den ägyptischen, sollte sie von nun an frem-
den Göttern dienen.

Kambyses bemerkte nicht ihre innere Bewegung und
fuhr fort: "Meine Mutter Kassandane soll Dich in die
Pflichten meiner Gattinnen einweihen. Jch selbst werde
Dich morgen zu ihr führen. Was Du unschuldiger Weise
erlauschtest, wiederhole ich Dir: Du bist meinem Herzen
wohlgefällig. Sorge dafür, daß dieses Wohlgefallen er-
halten bleibe! Wir wollen versuchen, Dir unsere Heimat
lieb zu machen, und, weil ich Dein Freund bin, so gebe
ich Dir den Rath, dem Boges, welchen ich Dir entgegen-
sandte, liebreich zu begegnen, denn Du wirst ihm in vie-
len Dingen zu folgen haben, da er der Vorgesetzte des
Weiberhauses ist."

"Mag er auch dem Hause der Weiber vorgesetzt sein,"

wohnt war, die Frauen in Unwiſſenheit und Trägheit,
nur auf Putz und Ränke ſinnend, aufwachſen zu ſehen,
ebenſo wunderbar, als lobenswerth. Darum antwortete
er, mit ſichtlichem Wohlgefallen: „Es freut mich, daß ich
ohne Vermittler mit Dir reden kann. Fahre fort, Dich
zu bemühen, die ſchwere Sprache meiner Väter zu erler-
nen; mein Tiſchgenoſſe Kröſus wird auch in Zukunft Dein
Lehrer bleiben.“

„Du beglückſt mich mit dieſem Befehle,“ rief der
Greis, „denn ich könnte mir keine dankbarere und eifrigere
Schülerin wünſchen, als die Tochter des Amaſis.“

„Sie bewährt den alten Ruhm ägyptiſcher Weisheit,“
erwiederte der König, „und ich denke, daß ſie auch die
Lehren der Magier, welche ſie in unſerer Religion unter-
richten werden; in kurzer Zeit verſtehen und in ihre Seele
aufnehmen wird.“

Nitetis ſchlug die Augen nieder. Das Gefürchtete
nahte. Statt den ägyptiſchen, ſollte ſie von nun an frem-
den Göttern dienen.

Kambyſes bemerkte nicht ihre innere Bewegung und
fuhr fort: „Meine Mutter Kaſſandane ſoll Dich in die
Pflichten meiner Gattinnen einweihen. Jch ſelbſt werde
Dich morgen zu ihr führen. Was Du unſchuldiger Weiſe
erlauſchteſt, wiederhole ich Dir: Du biſt meinem Herzen
wohlgefällig. Sorge dafür, daß dieſes Wohlgefallen er-
halten bleibe! Wir wollen verſuchen, Dir unſere Heimat
lieb zu machen, und, weil ich Dein Freund bin, ſo gebe
ich Dir den Rath, dem Boges, welchen ich Dir entgegen-
ſandte, liebreich zu begegnen, denn Du wirſt ihm in vie-
len Dingen zu folgen haben, da er der Vorgeſetzte des
Weiberhauſes iſt.“

„Mag er auch dem Hauſe der Weiber vorgeſetzt ſein,“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="13"/>
wohnt war, die Frauen in Unwi&#x017F;&#x017F;enheit und Trägheit,<lb/>
nur auf Putz und Ränke &#x017F;innend, aufwach&#x017F;en zu &#x017F;ehen,<lb/>
eben&#x017F;o wunderbar, als lobenswerth. Darum antwortete<lb/>
er, mit &#x017F;ichtlichem Wohlgefallen: &#x201E;Es freut mich, daß ich<lb/>
ohne Vermittler mit Dir reden kann. Fahre fort, Dich<lb/>
zu bemühen, die &#x017F;chwere Sprache meiner Väter zu erler-<lb/>
nen; mein Ti&#x017F;chgeno&#x017F;&#x017F;e Krö&#x017F;us wird auch in Zukunft Dein<lb/>
Lehrer bleiben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du beglück&#x017F;t mich mit die&#x017F;em Befehle,&#x201C; rief der<lb/>
Greis, &#x201E;denn ich könnte mir keine dankbarere und eifrigere<lb/>
Schülerin wün&#x017F;chen, als die Tochter des Ama&#x017F;is.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie bewährt den alten Ruhm ägypti&#x017F;cher Weisheit,&#x201C;<lb/>
erwiederte der König, &#x201E;und ich denke, daß &#x017F;ie auch die<lb/>
Lehren der Magier, welche &#x017F;ie in un&#x017F;erer Religion unter-<lb/>
richten werden; in kurzer Zeit ver&#x017F;tehen und in ihre Seele<lb/>
aufnehmen wird.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nitetis &#x017F;chlug die Augen nieder. Das Gefürchtete<lb/>
nahte. Statt den ägypti&#x017F;chen, &#x017F;ollte &#x017F;ie von nun an frem-<lb/>
den Göttern dienen.</p><lb/>
        <p>Kamby&#x017F;es bemerkte nicht ihre innere Bewegung und<lb/>
fuhr fort: &#x201E;Meine Mutter Ka&#x017F;&#x017F;andane &#x017F;oll Dich in die<lb/>
Pflichten meiner Gattinnen einweihen. Jch &#x017F;elb&#x017F;t werde<lb/>
Dich morgen zu ihr führen. Was Du un&#x017F;chuldiger Wei&#x017F;e<lb/>
erlau&#x017F;chte&#x017F;t, wiederhole ich Dir: Du bi&#x017F;t meinem Herzen<lb/>
wohlgefällig. Sorge dafür, daß die&#x017F;es Wohlgefallen er-<lb/>
halten bleibe! Wir wollen ver&#x017F;uchen, Dir un&#x017F;ere Heimat<lb/>
lieb zu machen, und, weil ich Dein Freund bin, &#x017F;o gebe<lb/>
ich Dir den Rath, dem Boges, welchen ich Dir entgegen-<lb/>
&#x017F;andte, liebreich zu begegnen, denn Du wir&#x017F;t ihm in vie-<lb/>
len Dingen zu folgen haben, da er der Vorge&#x017F;etzte des<lb/>
Weiberhau&#x017F;es i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mag er auch dem Hau&#x017F;e der Weiber vorge&#x017F;etzt &#x017F;ein,&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0015] wohnt war, die Frauen in Unwiſſenheit und Trägheit, nur auf Putz und Ränke ſinnend, aufwachſen zu ſehen, ebenſo wunderbar, als lobenswerth. Darum antwortete er, mit ſichtlichem Wohlgefallen: „Es freut mich, daß ich ohne Vermittler mit Dir reden kann. Fahre fort, Dich zu bemühen, die ſchwere Sprache meiner Väter zu erler- nen; mein Tiſchgenoſſe Kröſus wird auch in Zukunft Dein Lehrer bleiben.“ „Du beglückſt mich mit dieſem Befehle,“ rief der Greis, „denn ich könnte mir keine dankbarere und eifrigere Schülerin wünſchen, als die Tochter des Amaſis.“ „Sie bewährt den alten Ruhm ägyptiſcher Weisheit,“ erwiederte der König, „und ich denke, daß ſie auch die Lehren der Magier, welche ſie in unſerer Religion unter- richten werden; in kurzer Zeit verſtehen und in ihre Seele aufnehmen wird.“ Nitetis ſchlug die Augen nieder. Das Gefürchtete nahte. Statt den ägyptiſchen, ſollte ſie von nun an frem- den Göttern dienen. Kambyſes bemerkte nicht ihre innere Bewegung und fuhr fort: „Meine Mutter Kaſſandane ſoll Dich in die Pflichten meiner Gattinnen einweihen. Jch ſelbſt werde Dich morgen zu ihr führen. Was Du unſchuldiger Weiſe erlauſchteſt, wiederhole ich Dir: Du biſt meinem Herzen wohlgefällig. Sorge dafür, daß dieſes Wohlgefallen er- halten bleibe! Wir wollen verſuchen, Dir unſere Heimat lieb zu machen, und, weil ich Dein Freund bin, ſo gebe ich Dir den Rath, dem Boges, welchen ich Dir entgegen- ſandte, liebreich zu begegnen, denn Du wirſt ihm in vie- len Dingen zu folgen haben, da er der Vorgeſetzte des Weiberhauſes iſt.“ „Mag er auch dem Hauſe der Weiber vorgeſetzt ſein,“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/15
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/15>, abgerufen am 21.11.2024.