Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

rufen habe. Endlich schloß sie ihre Rede, indem sie schluch-
zend um Gnade bettelte.

Der König schaute ohne Groll, aber mit grenzenloser
Verachtung zu ihr hernieder, stieß sie mit dem Fuße zurück
und rief: "Aus meinen Augen, Du Hündin! Blut wie
Deines würde das Beil des Henkers besudeln! Aus mei-
nen Augen!"

Mandane ließ sich nicht lange bitten, die Halle zu
verlassen. Das ,aus meinen Augen', klang ihr wie süße
Musik. Spornstreichs eilte sie durch die weiten Höfe des
Palastes, um auf der Straße dem drängenden Volke,
gleich einer Wahnwitzigen, unaufhörlich zuzurufen: "Jch
bin frei! -- Bartja und die Aegypterin werden leben, --
ich bin frei!"

Kaum hatte sie den Saal verlassen, als Datis, das
Auge des Königs, denselben von neuem betrat und die
Mittheilung brachte, daß man den Eunuchenobersten ver-
geblich gesucht habe. Derselbe sei in räthselhafter Weise
von den hängenden Gärten verschwunden; er, Datis, habe
jedoch seinen Untergebnen den Auftrag ertheilt, den Flücht-
ling zu suchen und ihm denselben todt oder lebendig abzu-
liefern.

Der König brauste bei dieser Botschaft in neuem
Jähzorn auf und bedrohte den Sicherheitsbeamten, welcher
die Aufregung des Volkes seinem Gebieter klüglich ver-
schwieg, mit schwerer Strafe, wenn man des Entflohenen
nicht bis zum nächsten Morgen habhaft werden sollte.

Kaum hatte er ausgesprochen, als der Stabträger
einen Eunuchen der Mutter des Königs einführte, durch
den dieselbe ihren Sohn um eine Unterredung ersuchen ließ.

Kambyses schickte sich ohne Bedenken an, dem Wun-
sche der Blinden zu willfahren, reichte Phanes seine Hand

rufen habe. Endlich ſchloß ſie ihre Rede, indem ſie ſchluch-
zend um Gnade bettelte.

Der König ſchaute ohne Groll, aber mit grenzenloſer
Verachtung zu ihr hernieder, ſtieß ſie mit dem Fuße zurück
und rief: „Aus meinen Augen, Du Hündin! Blut wie
Deines würde das Beil des Henkers beſudeln! Aus mei-
nen Augen!“

Mandane ließ ſich nicht lange bitten, die Halle zu
verlaſſen. Das ‚aus meinen Augen‘, klang ihr wie ſüße
Muſik. Spornſtreichs eilte ſie durch die weiten Höfe des
Palaſtes, um auf der Straße dem drängenden Volke,
gleich einer Wahnwitzigen, unaufhörlich zuzurufen: „Jch
bin frei! — Bartja und die Aegypterin werden leben, —
ich bin frei!“

Kaum hatte ſie den Saal verlaſſen, als Datis, das
Auge des Königs, denſelben von neuem betrat und die
Mittheilung brachte, daß man den Eunuchenoberſten ver-
geblich geſucht habe. Derſelbe ſei in räthſelhafter Weiſe
von den hängenden Gärten verſchwunden; er, Datis, habe
jedoch ſeinen Untergebnen den Auftrag ertheilt, den Flücht-
ling zu ſuchen und ihm denſelben todt oder lebendig abzu-
liefern.

Der König brauste bei dieſer Botſchaft in neuem
Jähzorn auf und bedrohte den Sicherheitsbeamten, welcher
die Aufregung des Volkes ſeinem Gebieter klüglich ver-
ſchwieg, mit ſchwerer Strafe, wenn man des Entflohenen
nicht bis zum nächſten Morgen habhaft werden ſollte.

Kaum hatte er ausgeſprochen, als der Stabträger
einen Eunuchen der Mutter des Königs einführte, durch
den dieſelbe ihren Sohn um eine Unterredung erſuchen ließ.

Kambyſes ſchickte ſich ohne Bedenken an, dem Wun-
ſche der Blinden zu willfahren, reichte Phanes ſeine Hand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="227"/>
rufen habe. Endlich &#x017F;chloß &#x017F;ie ihre Rede, indem &#x017F;ie &#x017F;chluch-<lb/>
zend um Gnade bettelte.</p><lb/>
        <p>Der König &#x017F;chaute ohne Groll, aber mit grenzenlo&#x017F;er<lb/>
Verachtung zu ihr hernieder, &#x017F;tieß &#x017F;ie mit dem Fuße zurück<lb/>
und rief: &#x201E;Aus meinen Augen, Du Hündin! Blut wie<lb/>
Deines würde das Beil des Henkers be&#x017F;udeln! Aus mei-<lb/>
nen Augen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Mandane ließ &#x017F;ich nicht lange bitten, die Halle zu<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en. Das &#x201A;aus meinen Augen&#x2018;, klang ihr wie &#x017F;üße<lb/>
Mu&#x017F;ik. Sporn&#x017F;treichs eilte &#x017F;ie durch die weiten Höfe des<lb/>
Pala&#x017F;tes, um auf der Straße dem drängenden Volke,<lb/>
gleich einer Wahnwitzigen, unaufhörlich zuzurufen: &#x201E;Jch<lb/>
bin frei! &#x2014; Bartja und die Aegypterin werden leben, &#x2014;<lb/>
ich bin frei!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Kaum hatte &#x017F;ie den Saal verla&#x017F;&#x017F;en, als Datis, das<lb/>
Auge des Königs, den&#x017F;elben von neuem betrat und die<lb/>
Mittheilung brachte, daß man den Eunuchenober&#x017F;ten ver-<lb/>
geblich ge&#x017F;ucht habe. Der&#x017F;elbe &#x017F;ei in räth&#x017F;elhafter Wei&#x017F;e<lb/>
von den hängenden Gärten ver&#x017F;chwunden; er, Datis, habe<lb/>
jedoch &#x017F;einen Untergebnen den Auftrag ertheilt, den Flücht-<lb/>
ling zu &#x017F;uchen und ihm den&#x017F;elben todt oder lebendig abzu-<lb/>
liefern.</p><lb/>
        <p>Der König brauste bei die&#x017F;er Bot&#x017F;chaft in neuem<lb/>
Jähzorn auf und bedrohte den Sicherheitsbeamten, welcher<lb/>
die Aufregung des Volkes &#x017F;einem Gebieter klüglich ver-<lb/>
&#x017F;chwieg, mit &#x017F;chwerer Strafe, wenn man des Entflohenen<lb/>
nicht bis zum näch&#x017F;ten Morgen habhaft werden &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Kaum hatte er ausge&#x017F;prochen, als der Stabträger<lb/>
einen Eunuchen der Mutter des Königs einführte, durch<lb/>
den die&#x017F;elbe ihren Sohn um eine Unterredung er&#x017F;uchen ließ.</p><lb/>
        <p>Kamby&#x017F;es &#x017F;chickte &#x017F;ich ohne Bedenken an, dem Wun-<lb/>
&#x017F;che der Blinden zu willfahren, reichte Phanes &#x017F;eine Hand<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0229] rufen habe. Endlich ſchloß ſie ihre Rede, indem ſie ſchluch- zend um Gnade bettelte. Der König ſchaute ohne Groll, aber mit grenzenloſer Verachtung zu ihr hernieder, ſtieß ſie mit dem Fuße zurück und rief: „Aus meinen Augen, Du Hündin! Blut wie Deines würde das Beil des Henkers beſudeln! Aus mei- nen Augen!“ Mandane ließ ſich nicht lange bitten, die Halle zu verlaſſen. Das ‚aus meinen Augen‘, klang ihr wie ſüße Muſik. Spornſtreichs eilte ſie durch die weiten Höfe des Palaſtes, um auf der Straße dem drängenden Volke, gleich einer Wahnwitzigen, unaufhörlich zuzurufen: „Jch bin frei! — Bartja und die Aegypterin werden leben, — ich bin frei!“ Kaum hatte ſie den Saal verlaſſen, als Datis, das Auge des Königs, denſelben von neuem betrat und die Mittheilung brachte, daß man den Eunuchenoberſten ver- geblich geſucht habe. Derſelbe ſei in räthſelhafter Weiſe von den hängenden Gärten verſchwunden; er, Datis, habe jedoch ſeinen Untergebnen den Auftrag ertheilt, den Flücht- ling zu ſuchen und ihm denſelben todt oder lebendig abzu- liefern. Der König brauste bei dieſer Botſchaft in neuem Jähzorn auf und bedrohte den Sicherheitsbeamten, welcher die Aufregung des Volkes ſeinem Gebieter klüglich ver- ſchwieg, mit ſchwerer Strafe, wenn man des Entflohenen nicht bis zum nächſten Morgen habhaft werden ſollte. Kaum hatte er ausgeſprochen, als der Stabträger einen Eunuchen der Mutter des Königs einführte, durch den dieſelbe ihren Sohn um eine Unterredung erſuchen ließ. Kambyſes ſchickte ſich ohne Bedenken an, dem Wun- ſche der Blinden zu willfahren, reichte Phanes ſeine Hand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/229
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/229>, abgerufen am 04.12.2024.