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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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mit der schlichteren Kleidung ihrer Heimat alle Schüchtern-
heit abgelegt, und mit den von Gold und Edelsteinen
strotzenden seidenen Gewändern der persischen Fürstin den
Stolz und die Hoheit einer Königin angezogen habe.

Die tiefe Ehrerbietung, welche man ihr soeben ge-
zollt hatte, schien ihr wohlzuthun. Herablassend mit der
Hand winkend, dankte sie den bewundernden Freunden;
dann wendete sie sich an den Eunuchen-Obersten 6) und sagte
demselben freundlich, aber stolz: "Du hast Deine Schul-
digkeit gethan. Jch bin mit den Kleidern und Sclavin-
nen, welche Du mir besorgtest, nicht unzufrieden. Jch
werde meinem Gemahle Deine Umsicht zu rühmen wissen;
empfange einstweilen diese goldne Kette, als Zeichen mei-
nes Dankes."

Der allmächtige Aufseher der Frauen des Königs
küßte ihr Gewand und nahm diese Gabe schweigend in
Empfang. Mit solchem Stolze war ihm noch keine seiner
Untergebenen entgegen gekommen. Alle bisherigen Weiber
des Kambyses waren Asiatinnen, und diese pflegten, weil
sie die Allmacht des Eunuchen-Obersten kannten, Alles auf-
zubieten, um seine Gunst durch Schmeichelworte und demü-
thiges Wesen zu gewinnen.

Jetzt verneigte sich Boges zum Zweitenmale tief vor
Nitetis; diese wandte sich aber, ohne ihn weiter zu beach-
ten, dem Krösus zu und sagte: "Dir, mein gütiger Freund,
kann ich weder durch Worte noch durch Gaben lohnen, was
Du an mir gethan hast, denn Dir allein werde ich zu
danken haben, wenn mein Leben an diesem Hofe ein,
wenn nicht glückliches, so doch friedliches sein wird. --
Nimm diesen Ring, welcher seit unserer Abreise von Aegyp-
ten meine Hand nicht verlassen hat. Sein Werth ist ge-
ring; seine Bedeutung aber groß. Pythagoras, der edelste

mit der ſchlichteren Kleidung ihrer Heimat alle Schüchtern-
heit abgelegt, und mit den von Gold und Edelſteinen
ſtrotzenden ſeidenen Gewändern der perſiſchen Fürſtin den
Stolz und die Hoheit einer Königin angezogen habe.

Die tiefe Ehrerbietung, welche man ihr ſoeben ge-
zollt hatte, ſchien ihr wohlzuthun. Herablaſſend mit der
Hand winkend, dankte ſie den bewundernden Freunden;
dann wendete ſie ſich an den Eunuchen-Oberſten 6) und ſagte
demſelben freundlich, aber ſtolz: „Du haſt Deine Schul-
digkeit gethan. Jch bin mit den Kleidern und Sclavin-
nen, welche Du mir beſorgteſt, nicht unzufrieden. Jch
werde meinem Gemahle Deine Umſicht zu rühmen wiſſen;
empfange einſtweilen dieſe goldne Kette, als Zeichen mei-
nes Dankes.“

Der allmächtige Aufſeher der Frauen des Königs
küßte ihr Gewand und nahm dieſe Gabe ſchweigend in
Empfang. Mit ſolchem Stolze war ihm noch keine ſeiner
Untergebenen entgegen gekommen. Alle bisherigen Weiber
des Kambyſes waren Aſiatinnen, und dieſe pflegten, weil
ſie die Allmacht des Eunuchen-Oberſten kannten, Alles auf-
zubieten, um ſeine Gunſt durch Schmeichelworte und demü-
thiges Weſen zu gewinnen.

Jetzt verneigte ſich Boges zum Zweitenmale tief vor
Nitetis; dieſe wandte ſich aber, ohne ihn weiter zu beach-
ten, dem Kröſus zu und ſagte: „Dir, mein gütiger Freund,
kann ich weder durch Worte noch durch Gaben lohnen, was
Du an mir gethan haſt, denn Dir allein werde ich zu
danken haben, wenn mein Leben an dieſem Hofe ein,
wenn nicht glückliches, ſo doch friedliches ſein wird. —
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ten meine Hand nicht verlaſſen hat. Sein Werth iſt ge-
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[6/0008] mit der ſchlichteren Kleidung ihrer Heimat alle Schüchtern- heit abgelegt, und mit den von Gold und Edelſteinen ſtrotzenden ſeidenen Gewändern der perſiſchen Fürſtin den Stolz und die Hoheit einer Königin angezogen habe. Die tiefe Ehrerbietung, welche man ihr ſoeben ge- zollt hatte, ſchien ihr wohlzuthun. Herablaſſend mit der Hand winkend, dankte ſie den bewundernden Freunden; dann wendete ſie ſich an den Eunuchen-Oberſten 6) und ſagte demſelben freundlich, aber ſtolz: „Du haſt Deine Schul- digkeit gethan. Jch bin mit den Kleidern und Sclavin- nen, welche Du mir beſorgteſt, nicht unzufrieden. Jch werde meinem Gemahle Deine Umſicht zu rühmen wiſſen; empfange einſtweilen dieſe goldne Kette, als Zeichen mei- nes Dankes.“ Der allmächtige Aufſeher der Frauen des Königs küßte ihr Gewand und nahm dieſe Gabe ſchweigend in Empfang. Mit ſolchem Stolze war ihm noch keine ſeiner Untergebenen entgegen gekommen. Alle bisherigen Weiber des Kambyſes waren Aſiatinnen, und dieſe pflegten, weil ſie die Allmacht des Eunuchen-Oberſten kannten, Alles auf- zubieten, um ſeine Gunſt durch Schmeichelworte und demü- thiges Weſen zu gewinnen. Jetzt verneigte ſich Boges zum Zweitenmale tief vor Nitetis; dieſe wandte ſich aber, ohne ihn weiter zu beach- ten, dem Kröſus zu und ſagte: „Dir, mein gütiger Freund, kann ich weder durch Worte noch durch Gaben lohnen, was Du an mir gethan haſt, denn Dir allein werde ich zu danken haben, wenn mein Leben an dieſem Hofe ein, wenn nicht glückliches, ſo doch friedliches ſein wird. — Nimm dieſen Ring, welcher ſeit unſerer Abreiſe von Aegyp- ten meine Hand nicht verlaſſen hat. Sein Werth iſt ge- ring; ſeine Bedeutung aber groß. Pythagoras, der edelſte

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/8>, abgerufen am 23.11.2024.