Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.der Muttermilch eingesogen habe. Was gut für das Volk "Manches hab' ich versucht und geprüft, solange ich Bei diesen Worten lächelte der König, der selbst im der Muttermilch eingeſogen habe. Was gut für das Volk „Manches hab’ ich verſucht und geprüft, ſolange ich Bei dieſen Worten lächelte der König, der ſelbſt im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0132" n="122"/> der Muttermilch eingeſogen habe. Was gut für das Volk<lb/> iſt, das muß auch gut ſein für mich, denn ich wäre ohne<lb/> Volk nicht König; die Aegypter aber würden ein großes<lb/> Volk ſein, auch ohne mich.</p><lb/> <p>„Manches hab’ ich verſucht und geprüft, ſolange ich<lb/> lebe, aber ich bin ſtets zum Alten zurückgekehrt. Da ſind<lb/> die Hellenen, Ladike! Jch achte dieſelben, doch kann ich<lb/> ihnen nicht überall beipflichten. Sie ſehen verächtlich auf<lb/> unſern Thierdienſt herab und bedenken nicht, daß es beſſer<lb/> iſt, den Schöpfer im Geſchöpf, als in ſteinernen Bildſäulen<lb/> anzubeten. Jhre Götter ſind allen menſchlichen Schwächen<lb/> unterworfen, ja ich hätte meine Königin ſehr unglücklich<lb/> gemacht, wenn ich gleich dem helleniſchen Zeus gelebt haben<lb/> würde.“</p><lb/> <p>Bei dieſen Worten lächelte der König, der ſelbſt im<lb/> Angeſicht des Todes von ſeiner witzelnden Art nicht zu<lb/> laſſen vermochte. Dann fuhr er fort: „Aber wißt ihr,<lb/> woher das kommt? Dieſen Hellenen geht die ſchöne Form<lb/> über Alles; darum vermögen ſie den Leib, den ſie für das<lb/> Herrlichſte alles Geformten halten, nicht von der Seele<lb/> zu trennen, — wie ſie auch behaupten, daß ein ſchöner<lb/> Geiſt nothwendig in einem ſchönen Körper wohnen müſſe.<lb/> So ſind ihre Götter nichts als geſteigerte Menſchen, wäh-<lb/> rend bei uns der Gott, wie ſich’s ziemt, im Gegenſatz zum<lb/> Menſchen hingeſtellt wird. Zwiſchen Beiden ſteht das<lb/> Thier, welches nicht, wie wir, nach dem Buchſtaben, ſon-<lb/> dern nach den ewigen Geſetzen der Natur handelt <hi rendition="#sup">81</hi>).<lb/> Dieſer iſt nur von Menſchen erdacht, jene aber verdanken<lb/> den Göttern ihren Urſprung. Und wer von uns ſtrebt<lb/> wohl ſo dringend nach Freiheit, dem höchſten Gute, als<lb/> die Thiere? Wer lebt ohne Lehren und Anweiſungen ſo<lb/> gleichmäßig fort von Geſchlecht zu Geſchlecht, als jene?“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [122/0132]
der Muttermilch eingeſogen habe. Was gut für das Volk
iſt, das muß auch gut ſein für mich, denn ich wäre ohne
Volk nicht König; die Aegypter aber würden ein großes
Volk ſein, auch ohne mich.
„Manches hab’ ich verſucht und geprüft, ſolange ich
lebe, aber ich bin ſtets zum Alten zurückgekehrt. Da ſind
die Hellenen, Ladike! Jch achte dieſelben, doch kann ich
ihnen nicht überall beipflichten. Sie ſehen verächtlich auf
unſern Thierdienſt herab und bedenken nicht, daß es beſſer
iſt, den Schöpfer im Geſchöpf, als in ſteinernen Bildſäulen
anzubeten. Jhre Götter ſind allen menſchlichen Schwächen
unterworfen, ja ich hätte meine Königin ſehr unglücklich
gemacht, wenn ich gleich dem helleniſchen Zeus gelebt haben
würde.“
Bei dieſen Worten lächelte der König, der ſelbſt im
Angeſicht des Todes von ſeiner witzelnden Art nicht zu
laſſen vermochte. Dann fuhr er fort: „Aber wißt ihr,
woher das kommt? Dieſen Hellenen geht die ſchöne Form
über Alles; darum vermögen ſie den Leib, den ſie für das
Herrlichſte alles Geformten halten, nicht von der Seele
zu trennen, — wie ſie auch behaupten, daß ein ſchöner
Geiſt nothwendig in einem ſchönen Körper wohnen müſſe.
So ſind ihre Götter nichts als geſteigerte Menſchen, wäh-
rend bei uns der Gott, wie ſich’s ziemt, im Gegenſatz zum
Menſchen hingeſtellt wird. Zwiſchen Beiden ſteht das
Thier, welches nicht, wie wir, nach dem Buchſtaben, ſon-
dern nach den ewigen Geſetzen der Natur handelt 81).
Dieſer iſt nur von Menſchen erdacht, jene aber verdanken
den Göttern ihren Urſprung. Und wer von uns ſtrebt
wohl ſo dringend nach Freiheit, dem höchſten Gute, als
die Thiere? Wer lebt ohne Lehren und Anweiſungen ſo
gleichmäßig fort von Geſchlecht zu Geſchlecht, als jene?“
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