Ein schallendes Gelächter antwortete diesem Vor- schlage, der bei näherer Erwägung gebilligt und zur so- fortigen Ausführung anempfohlen wurde. Kambyses bot dem erfindungsreichen Hellenen die Hand zum Kusse, er- setzte seine Auslagen mit einem überreichen Geschenke und drang in ihn, sich mit einer vornehmen Perserin zu ver- mählen 100). Dann lud er den Athener zum Abend- schmause ein; dieser entschuldigte sich aber mit der noth- wendigen Musterung der ihm kaum bekannten jonischen Truppen, welche er führen sollte, und begab sich zu sei- nem Zelte.
An der Thür desselben fand er seine Sklaven im Streite mit einem bärtigen, zerlumpten und beschmutzten Greise, der durchaus mit ihm zu sprechen begehrte. Phanes hielt den Alten für einen Bettler und warf ihm ein Gold- stück hin; Jener bückte sich aber nicht einmal nach der reichen Gabe, sondern rief, indem er ihn am Mantel festhielt: "Jch bin Aristomachos von Sparta!"
Phanes erkannte jetzt den grausam veränderten Freund, führte denselben in sein Zelt, ließ ihm die Füße waschen und das Haupt salben, gab ihm Wein und Fleisch zur Stärkung, nahm im seine Lumpen ab und legte einen neuen Chiton um seine abgemagerten, sehnigen Schultern.
Aristomachos ließ sich dieß Alles schweigend gefallen. Erst, nachdem er durch die kräftige Kost und den beleben- den Trunk neue Kräfte gesammelt hatte, beantwortete er die Fragen des drängenden Atheners und erzählte dem- selben Folgendes:
Als Psamtik das Söhnlein des Phanes gemordet hatte, war er demselben mit der Erklärung entgegenge- treten, daß er seine Untergebenen veranlassen wollte, so- fort aus ägyptischen Diensten zu treten, wenn man das
Ein ſchallendes Gelächter antwortete dieſem Vor- ſchlage, der bei näherer Erwägung gebilligt und zur ſo- fortigen Ausführung anempfohlen wurde. Kambyſes bot dem erfindungsreichen Hellenen die Hand zum Kuſſe, er- ſetzte ſeine Auslagen mit einem überreichen Geſchenke und drang in ihn, ſich mit einer vornehmen Perſerin zu ver- mählen 100). Dann lud er den Athener zum Abend- ſchmauſe ein; dieſer entſchuldigte ſich aber mit der noth- wendigen Muſterung der ihm kaum bekannten joniſchen Truppen, welche er führen ſollte, und begab ſich zu ſei- nem Zelte.
An der Thür deſſelben fand er ſeine Sklaven im Streite mit einem bärtigen, zerlumpten und beſchmutzten Greiſe, der durchaus mit ihm zu ſprechen begehrte. Phanes hielt den Alten für einen Bettler und warf ihm ein Gold- ſtück hin; Jener bückte ſich aber nicht einmal nach der reichen Gabe, ſondern rief, indem er ihn am Mantel feſthielt: „Jch bin Ariſtomachos von Sparta!“
Phanes erkannte jetzt den grauſam veränderten Freund, führte denſelben in ſein Zelt, ließ ihm die Füße waſchen und das Haupt ſalben, gab ihm Wein und Fleiſch zur Stärkung, nahm im ſeine Lumpen ab und legte einen neuen Chiton um ſeine abgemagerten, ſehnigen Schultern.
Ariſtomachos ließ ſich dieß Alles ſchweigend gefallen. Erſt, nachdem er durch die kräftige Koſt und den beleben- den Trunk neue Kräfte geſammelt hatte, beantwortete er die Fragen des drängenden Atheners und erzählte dem- ſelben Folgendes:
Als Pſamtik das Söhnlein des Phanes gemordet hatte, war er demſelben mit der Erklärung entgegenge- treten, daß er ſeine Untergebenen veranlaſſen wollte, ſo- fort aus ägyptiſchen Dienſten zu treten, wenn man das
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Ein ſchallendes Gelächter antwortete dieſem Vor-
ſchlage, der bei näherer Erwägung gebilligt und zur ſo-
fortigen Ausführung anempfohlen wurde. Kambyſes bot
dem erfindungsreichen Hellenen die Hand zum Kuſſe, er-
ſetzte ſeine Auslagen mit einem überreichen Geſchenke und
drang in ihn, ſich mit einer vornehmen Perſerin zu ver-
mählen 100). Dann lud er den Athener zum Abend-
ſchmauſe ein; dieſer entſchuldigte ſich aber mit der noth-
wendigen Muſterung der ihm kaum bekannten joniſchen
Truppen, welche er führen ſollte, und begab ſich zu ſei-
nem Zelte.
An der Thür deſſelben fand er ſeine Sklaven im
Streite mit einem bärtigen, zerlumpten und beſchmutzten
Greiſe, der durchaus mit ihm zu ſprechen begehrte. Phanes
hielt den Alten für einen Bettler und warf ihm ein Gold-
ſtück hin; Jener bückte ſich aber nicht einmal nach der
reichen Gabe, ſondern rief, indem er ihn am Mantel
feſthielt: „Jch bin Ariſtomachos von Sparta!“
Phanes erkannte jetzt den grauſam veränderten Freund,
führte denſelben in ſein Zelt, ließ ihm die Füße waſchen
und das Haupt ſalben, gab ihm Wein und Fleiſch zur
Stärkung, nahm im ſeine Lumpen ab und legte einen
neuen Chiton um ſeine abgemagerten, ſehnigen Schultern.
Ariſtomachos ließ ſich dieß Alles ſchweigend gefallen.
Erſt, nachdem er durch die kräftige Koſt und den beleben-
den Trunk neue Kräfte geſammelt hatte, beantwortete er
die Fragen des drängenden Atheners und erzählte dem-
ſelben Folgendes:
Als Pſamtik das Söhnlein des Phanes gemordet
hatte, war er demſelben mit der Erklärung entgegenge-
treten, daß er ſeine Untergebenen veranlaſſen wollte, ſo-
fort aus ägyptiſchen Dienſten zu treten, wenn man das
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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/158>, abgerufen am 17.06.2024.
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