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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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"Jetzt erfüllt sich, was mir der Gott verhieß. Jetzt
darf, jetzt will ich heimkehren; erst aber heb' ich die Hand
empor und bitte Dike, die ewigwaltende Gerechtigkeit, daß
sie mir die Wonne der Rache nicht versagen möge!"

"Morgen graut der Tag der Vergeltung!" rief Pha-
nes in das Gebet des Alten einstimmend. "Morgen
schlacht' ich meinem Sohne die Todtenopfer und gehe nicht
eher zur Ruhe, bis Kambyses mit den von mir geschnitzten
Pfeilen das Herz von Aegypten getroffen hat! -- Komm'
jetzt, mein Freund, und laß Dich zum Könige führen.
Ein Mann wie Du schlägt einen ganzen Haufen ägypti-
scher Schleuderer in die Flucht!"



Die Nacht war hereingebrochen, und die persischen
Soldaten standen, da ihr unbefestigtes Lager einen Ueber-
fall der Feinde befürchten lassen mußte, in Reih' und
Glied auf den ihnen angewiesenen Posten. Die Jnfante-
risten lehnten sich an ihre Schilder und Speere, während
die Reiter ihre gesattelten und gezäumten Pferde bei den
Wachtfeuern hielten. Kambyses ritt an den Schlachtreihen
vorüber und begeisterte durch seinen Gruß und Anblick die
Schaaren der Streiter 102). Nur das Centrum des Heeres
hatte sich noch nicht aufgestellt, denn dieses bestand aus
den persischen Leibwachen, den Apfelträgern, Unsterblichen
und Verwandten des Königs, welche sich erst zugleich mit
demselben den Feinden entgegenzustellen pflegten.

Außerdem waren die kleinasiatischen Griechen auf
Befehl des Phanes, statt in die Reihen zu treten, zur
Ruhe gegangen. Der Athener wünschte seine Streiter
frisch zu erhalten und ließ sie, wenn auch in voller Rü-
stung, ruhig schlafen, während er selbst für dieselben

„Jetzt erfüllt ſich, was mir der Gott verhieß. Jetzt
darf, jetzt will ich heimkehren; erſt aber heb’ ich die Hand
empor und bitte Dike, die ewigwaltende Gerechtigkeit, daß
ſie mir die Wonne der Rache nicht verſagen möge!“

„Morgen graut der Tag der Vergeltung!“ rief Pha-
nes in das Gebet des Alten einſtimmend. „Morgen
ſchlacht’ ich meinem Sohne die Todtenopfer und gehe nicht
eher zur Ruhe, bis Kambyſes mit den von mir geſchnitzten
Pfeilen das Herz von Aegypten getroffen hat! — Komm’
jetzt, mein Freund, und laß Dich zum Könige führen.
Ein Mann wie Du ſchlägt einen ganzen Haufen ägypti-
ſcher Schleuderer in die Flucht!“



Die Nacht war hereingebrochen, und die perſiſchen
Soldaten ſtanden, da ihr unbefeſtigtes Lager einen Ueber-
fall der Feinde befürchten laſſen mußte, in Reih’ und
Glied auf den ihnen angewieſenen Poſten. Die Jnfante-
riſten lehnten ſich an ihre Schilder und Speere, während
die Reiter ihre geſattelten und gezäumten Pferde bei den
Wachtfeuern hielten. Kambyſes ritt an den Schlachtreihen
vorüber und begeiſterte durch ſeinen Gruß und Anblick die
Schaaren der Streiter 102). Nur das Centrum des Heeres
hatte ſich noch nicht aufgeſtellt, denn dieſes beſtand aus
den perſiſchen Leibwachen, den Apfelträgern, Unſterblichen
und Verwandten des Königs, welche ſich erſt zugleich mit
demſelben den Feinden entgegenzuſtellen pflegten.

Außerdem waren die kleinaſiatiſchen Griechen auf
Befehl des Phanes, ſtatt in die Reihen zu treten, zur
Ruhe gegangen. Der Athener wünſchte ſeine Streiter
friſch zu erhalten und ließ ſie, wenn auch in voller Rü-
ſtung, ruhig ſchlafen, während er ſelbſt für dieſelben

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[152/0162] „Jetzt erfüllt ſich, was mir der Gott verhieß. Jetzt darf, jetzt will ich heimkehren; erſt aber heb’ ich die Hand empor und bitte Dike, die ewigwaltende Gerechtigkeit, daß ſie mir die Wonne der Rache nicht verſagen möge!“ „Morgen graut der Tag der Vergeltung!“ rief Pha- nes in das Gebet des Alten einſtimmend. „Morgen ſchlacht’ ich meinem Sohne die Todtenopfer und gehe nicht eher zur Ruhe, bis Kambyſes mit den von mir geſchnitzten Pfeilen das Herz von Aegypten getroffen hat! — Komm’ jetzt, mein Freund, und laß Dich zum Könige führen. Ein Mann wie Du ſchlägt einen ganzen Haufen ägypti- ſcher Schleuderer in die Flucht!“ Die Nacht war hereingebrochen, und die perſiſchen Soldaten ſtanden, da ihr unbefeſtigtes Lager einen Ueber- fall der Feinde befürchten laſſen mußte, in Reih’ und Glied auf den ihnen angewieſenen Poſten. Die Jnfante- riſten lehnten ſich an ihre Schilder und Speere, während die Reiter ihre geſattelten und gezäumten Pferde bei den Wachtfeuern hielten. Kambyſes ritt an den Schlachtreihen vorüber und begeiſterte durch ſeinen Gruß und Anblick die Schaaren der Streiter 102). Nur das Centrum des Heeres hatte ſich noch nicht aufgeſtellt, denn dieſes beſtand aus den perſiſchen Leibwachen, den Apfelträgern, Unſterblichen und Verwandten des Königs, welche ſich erſt zugleich mit demſelben den Feinden entgegenzuſtellen pflegten. Außerdem waren die kleinaſiatiſchen Griechen auf Befehl des Phanes, ſtatt in die Reihen zu treten, zur Ruhe gegangen. Der Athener wünſchte ſeine Streiter friſch zu erhalten und ließ ſie, wenn auch in voller Rü- ſtung, ruhig ſchlafen, während er ſelbſt für dieſelben

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/162>, abgerufen am 29.11.2024.