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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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gönnte sich der König keine Ruhe und machte die Nacht
zum Tage, bis sich in Syrien sein von dem ungestümen
Reiter gemißhandelter Hengst mit ihm überschlug, und er
das Unglück hatte, während des Sturzes von seinem eige-
nen Dolche schwer verwundet zu werden 169).

Nachdem er mehrere Tage lang ohne Besinnung da-
gelegen hatte, schlug er die Augen auf und verlangte erst
Araspes, dann seine Mutter und endlich Atossa zu sehen,
obgleich diese Drei schon vor mehreren Monaten abgereist
waren. Aus all' seinen Reden ging hervor, daß er die
letzten vier Jahre, von jenem Fieberausbruche an, bis zu
seiner Verwundung, gleichsam im Schlafe verlebt habe.
Alles, was man ihm aus dieser Zeit erzählte, schien ihm
neu zu sein und sein Herz mit Kummer zu erfüllen. Nur
von dem Tode seines Bruders hatte er vollkommen Kennt-
niß. Er wußte, daß Prexaspes denselben auf seinen
Befehl gemordet und ihm erzählt habe, daß Bartja am
Ufer des rothen Meeres begraben liege. -- Jn der diesem
Erwachen folgenden Nacht wurde ihm auch klar, daß er
lange Zeit vom Wahnsinn befangen gewesen sei. Gegen
Morgen verfiel er in einen tiefen Schlaf, der ihm so viel
Kraft zurückgab, daß er Krösus herbeirufen und demselben
befehlen konnte, ihm ausführlich mitzutheilen, was er in
den letzten Jahren gethan habe.

Der greise Mahner gehorchte dem Willen des Königs
und verschwieg demselben keine seiner Gewaltthaten, ob
er auch kaum mehr hoffen durfte, den seiner Fürsorge
Anvertrauten auf den rechten Weg zurückführen zu können.

Seine Freud[e] war darum doppelt groß, als er sah,
daß seine Worte einen tiefen Eindruck auf die neu erwachte
Seele des Königs übten. Mit Thränen in den Augen
beklagte derselbe seine Missethaten und seinen Wahnsinn,

gönnte ſich der König keine Ruhe und machte die Nacht
zum Tage, bis ſich in Syrien ſein von dem ungeſtümen
Reiter gemißhandelter Hengſt mit ihm überſchlug, und er
das Unglück hatte, während des Sturzes von ſeinem eige-
nen Dolche ſchwer verwundet zu werden 169).

Nachdem er mehrere Tage lang ohne Beſinnung da-
gelegen hatte, ſchlug er die Augen auf und verlangte erſt
Araspes, dann ſeine Mutter und endlich Atoſſa zu ſehen,
obgleich dieſe Drei ſchon vor mehreren Monaten abgereist
waren. Aus all’ ſeinen Reden ging hervor, daß er die
letzten vier Jahre, von jenem Fieberausbruche an, bis zu
ſeiner Verwundung, gleichſam im Schlafe verlebt habe.
Alles, was man ihm aus dieſer Zeit erzählte, ſchien ihm
neu zu ſein und ſein Herz mit Kummer zu erfüllen. Nur
von dem Tode ſeines Bruders hatte er vollkommen Kennt-
niß. Er wußte, daß Prexaspes denſelben auf ſeinen
Befehl gemordet und ihm erzählt habe, daß Bartja am
Ufer des rothen Meeres begraben liege. — Jn der dieſem
Erwachen folgenden Nacht wurde ihm auch klar, daß er
lange Zeit vom Wahnſinn befangen geweſen ſei. Gegen
Morgen verfiel er in einen tiefen Schlaf, der ihm ſo viel
Kraft zurückgab, daß er Kröſus herbeirufen und demſelben
befehlen konnte, ihm ausführlich mitzutheilen, was er in
den letzten Jahren gethan habe.

Der greiſe Mahner gehorchte dem Willen des Königs
und verſchwieg demſelben keine ſeiner Gewaltthaten, ob
er auch kaum mehr hoffen durfte, den ſeiner Fürſorge
Anvertrauten auf den rechten Weg zurückführen zu können.

Seine Freud[e] war darum doppelt groß, als er ſah,
daß ſeine Worte einen tiefen Eindruck auf die neu erwachte
Seele des Königs übten. Mit Thränen in den Augen
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[253/0263] gönnte ſich der König keine Ruhe und machte die Nacht zum Tage, bis ſich in Syrien ſein von dem ungeſtümen Reiter gemißhandelter Hengſt mit ihm überſchlug, und er das Unglück hatte, während des Sturzes von ſeinem eige- nen Dolche ſchwer verwundet zu werden 169). Nachdem er mehrere Tage lang ohne Beſinnung da- gelegen hatte, ſchlug er die Augen auf und verlangte erſt Araspes, dann ſeine Mutter und endlich Atoſſa zu ſehen, obgleich dieſe Drei ſchon vor mehreren Monaten abgereist waren. Aus all’ ſeinen Reden ging hervor, daß er die letzten vier Jahre, von jenem Fieberausbruche an, bis zu ſeiner Verwundung, gleichſam im Schlafe verlebt habe. Alles, was man ihm aus dieſer Zeit erzählte, ſchien ihm neu zu ſein und ſein Herz mit Kummer zu erfüllen. Nur von dem Tode ſeines Bruders hatte er vollkommen Kennt- niß. Er wußte, daß Prexaspes denſelben auf ſeinen Befehl gemordet und ihm erzählt habe, daß Bartja am Ufer des rothen Meeres begraben liege. — Jn der dieſem Erwachen folgenden Nacht wurde ihm auch klar, daß er lange Zeit vom Wahnſinn befangen geweſen ſei. Gegen Morgen verfiel er in einen tiefen Schlaf, der ihm ſo viel Kraft zurückgab, daß er Kröſus herbeirufen und demſelben befehlen konnte, ihm ausführlich mitzutheilen, was er in den letzten Jahren gethan habe. Der greiſe Mahner gehorchte dem Willen des Königs und verſchwieg demſelben keine ſeiner Gewaltthaten, ob er auch kaum mehr hoffen durfte, den ſeiner Fürſorge Anvertrauten auf den rechten Weg zurückführen zu können. Seine Freude war darum doppelt groß, als er ſah, daß ſeine Worte einen tiefen Eindruck auf die neu erwachte Seele des Königs übten. Mit Thränen in den Augen beklagte derſelbe ſeine Miſſethaten und ſeinen Wahnſinn,

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/263>, abgerufen am 16.07.2024.