ten waren, sollen gleichfalls erscheinen. Bevor ich handle, muß ich Gewißheit haben. Dein Zeugniß reicht nicht aus, denn ich weiß von Amasis selbst, daß Du Grund hast, seinem Hause zu zürnen." --
Zur festgesetzten Zeit standen die Befohlenen vor dem Könige.
Der frühere Oberpriester Onuphis war ein Greis von achtzig Jahren, dessen abgezehrtes Haupt einem Todten- schädel geglichen haben würde, wenn nicht aus demselben zwei große, graue Augen hell und geistvoll geblickt hätten. Er saß, da er seiner gelähmten Glieder wegen nicht anders konnte, auch vor dem Könige, in einem Lehnsessel und hielt eine große Papyrusrolle in der abgemagerten Hand. -- Seine Kleidung war schneeig weiß, wie sich dieß für den Priester ziemte, zeigte aber hier und dort Flicken und Risse. Früher mochte er groß und schlank gewesen sein; jetzt aber war er so gebeugt und zusammengezogen von Alter, Ent- behrungen und Leiden, daß seine Gestalt winzig klein, sein Haupt dagegen viel zu groß für den zwerghaften Leib erschien.
Neben diesem seltsamen Manne stand Nebenchari und legte die Kissen, welche den Rücken desselben stützten, zu- recht. Der Arzt verehrte in demselben nicht nur den in alle Mysterien tief eingeweihten Oberpriester, sondern auch den hochbetagten Greis 29). Zur Linken des Alten stand Phanes, neben diesem Krösus, Darius und Prexaspes.
Der König saß auf einem Thronsessel. Sein Ange- sicht war streng und düster, als er das Schweigen der Anwesenden unterbrechend also anhob: "Der edle Hellene dort, den ich für meinen Freund zu halten geneigt bin, hat mir seltsame Mittheilungen gemacht. Amasis von Aegypten soll mich schnöder Weise betrogen haben. Meine
ten waren, ſollen gleichfalls erſcheinen. Bevor ich handle, muß ich Gewißheit haben. Dein Zeugniß reicht nicht aus, denn ich weiß von Amaſis ſelbſt, daß Du Grund haſt, ſeinem Hauſe zu zürnen.“ —
Zur feſtgeſetzten Zeit ſtanden die Befohlenen vor dem Könige.
Der frühere Oberprieſter Onuphis war ein Greis von achtzig Jahren, deſſen abgezehrtes Haupt einem Todten- ſchädel geglichen haben würde, wenn nicht aus demſelben zwei große, graue Augen hell und geiſtvoll geblickt hätten. Er ſaß, da er ſeiner gelähmten Glieder wegen nicht anders konnte, auch vor dem Könige, in einem Lehnſeſſel und hielt eine große Papyrusrolle in der abgemagerten Hand. — Seine Kleidung war ſchneeig weiß, wie ſich dieß für den Prieſter ziemte, zeigte aber hier und dort Flicken und Riſſe. Früher mochte er groß und ſchlank geweſen ſein; jetzt aber war er ſo gebeugt und zuſammengezogen von Alter, Ent- behrungen und Leiden, daß ſeine Geſtalt winzig klein, ſein Haupt dagegen viel zu groß für den zwerghaften Leib erſchien.
Neben dieſem ſeltſamen Manne ſtand Nebenchari und legte die Kiſſen, welche den Rücken deſſelben ſtützten, zu- recht. Der Arzt verehrte in demſelben nicht nur den in alle Myſterien tief eingeweihten Oberprieſter, ſondern auch den hochbetagten Greis 29). Zur Linken des Alten ſtand Phanes, neben dieſem Kröſus, Darius und Prexaspes.
Der König ſaß auf einem Thronſeſſel. Sein Ange- ſicht war ſtreng und düſter, als er das Schweigen der Anweſenden unterbrechend alſo anhob: „Der edle Hellene dort, den ich für meinen Freund zu halten geneigt bin, hat mir ſeltſame Mittheilungen gemacht. Amaſis von Aegypten ſoll mich ſchnöder Weiſe betrogen haben. Meine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="47"/>
ten waren, ſollen gleichfalls erſcheinen. Bevor ich handle,<lb/>
muß ich Gewißheit haben. Dein Zeugniß reicht nicht aus,<lb/>
denn ich weiß von Amaſis ſelbſt, daß Du Grund haſt,<lb/>ſeinem Hauſe zu zürnen.“—</p><lb/><p>Zur feſtgeſetzten Zeit ſtanden die Befohlenen vor dem<lb/>
Könige.</p><lb/><p>Der frühere Oberprieſter Onuphis war ein Greis<lb/>
von achtzig Jahren, deſſen abgezehrtes Haupt einem Todten-<lb/>ſchädel geglichen haben würde, wenn nicht aus demſelben<lb/>
zwei große, graue Augen hell und geiſtvoll geblickt hätten.<lb/>
Er ſaß, da er ſeiner gelähmten Glieder wegen nicht anders<lb/>
konnte, auch vor dem Könige, in einem Lehnſeſſel und hielt<lb/>
eine große Papyrusrolle in der abgemagerten Hand. —<lb/>
Seine Kleidung war ſchneeig weiß, wie ſich dieß für den<lb/>
Prieſter ziemte, zeigte aber hier und dort Flicken und Riſſe.<lb/>
Früher mochte er groß und ſchlank geweſen ſein; jetzt aber<lb/>
war er ſo gebeugt und zuſammengezogen von Alter, Ent-<lb/>
behrungen und Leiden, daß ſeine Geſtalt winzig klein, ſein<lb/>
Haupt dagegen viel zu groß für den zwerghaften Leib<lb/>
erſchien.</p><lb/><p>Neben dieſem ſeltſamen Manne ſtand Nebenchari und<lb/>
legte die Kiſſen, welche den Rücken deſſelben ſtützten, zu-<lb/>
recht. Der Arzt verehrte in demſelben nicht nur den in<lb/>
alle Myſterien tief eingeweihten Oberprieſter, ſondern auch<lb/>
den hochbetagten Greis <hirendition="#sup">29</hi>). Zur Linken des Alten ſtand<lb/>
Phanes, neben dieſem Kröſus, Darius und Prexaspes.</p><lb/><p>Der König ſaß auf einem Thronſeſſel. Sein Ange-<lb/>ſicht war ſtreng und düſter, als er das Schweigen der<lb/>
Anweſenden unterbrechend alſo anhob: „Der edle Hellene<lb/>
dort, den ich für meinen Freund zu halten geneigt bin,<lb/>
hat mir ſeltſame Mittheilungen gemacht. Amaſis von<lb/>
Aegypten ſoll mich ſchnöder Weiſe betrogen haben. Meine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[47/0057]
ten waren, ſollen gleichfalls erſcheinen. Bevor ich handle,
muß ich Gewißheit haben. Dein Zeugniß reicht nicht aus,
denn ich weiß von Amaſis ſelbſt, daß Du Grund haſt,
ſeinem Hauſe zu zürnen.“ —
Zur feſtgeſetzten Zeit ſtanden die Befohlenen vor dem
Könige.
Der frühere Oberprieſter Onuphis war ein Greis
von achtzig Jahren, deſſen abgezehrtes Haupt einem Todten-
ſchädel geglichen haben würde, wenn nicht aus demſelben
zwei große, graue Augen hell und geiſtvoll geblickt hätten.
Er ſaß, da er ſeiner gelähmten Glieder wegen nicht anders
konnte, auch vor dem Könige, in einem Lehnſeſſel und hielt
eine große Papyrusrolle in der abgemagerten Hand. —
Seine Kleidung war ſchneeig weiß, wie ſich dieß für den
Prieſter ziemte, zeigte aber hier und dort Flicken und Riſſe.
Früher mochte er groß und ſchlank geweſen ſein; jetzt aber
war er ſo gebeugt und zuſammengezogen von Alter, Ent-
behrungen und Leiden, daß ſeine Geſtalt winzig klein, ſein
Haupt dagegen viel zu groß für den zwerghaften Leib
erſchien.
Neben dieſem ſeltſamen Manne ſtand Nebenchari und
legte die Kiſſen, welche den Rücken deſſelben ſtützten, zu-
recht. Der Arzt verehrte in demſelben nicht nur den in
alle Myſterien tief eingeweihten Oberprieſter, ſondern auch
den hochbetagten Greis 29). Zur Linken des Alten ſtand
Phanes, neben dieſem Kröſus, Darius und Prexaspes.
Der König ſaß auf einem Thronſeſſel. Sein Ange-
ſicht war ſtreng und düſter, als er das Schweigen der
Anweſenden unterbrechend alſo anhob: „Der edle Hellene
dort, den ich für meinen Freund zu halten geneigt bin,
hat mir ſeltſame Mittheilungen gemacht. Amaſis von
Aegypten ſoll mich ſchnöder Weiſe betrogen haben. Meine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/57>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.