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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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"Das sind Träume."

"Die zur Wahrheit werden müssen, so wahr ich auf
die Erfüllung meiner Rache hoffe!"

"Jch kann nicht mit Dir rechten, denn mir sind die
Verhältnisse Deiner Heimath zu fremd geworden. Uebri-
gens halte ich Dich für einen weisen Mann, der das
Schöne und Gute liebt und zu rechtlich denkt, um aus
bloßem Ehrgeiz ein ganzes Volk verderben zu mögen. Es
ist furchtbar, daß die Schickung die Schuld des Einzelnen,
wenn derselbe eine Krone trägt, an ganzen Nationen ver-
gilt! Jetzt erzähle mir, wenn Dir etwas an meiner Mei-
nung gelegen ist, wech es Unrecht Deine Rachsucht so
mächtig entflammt hat!"

"Höre denn und versuche niemals wieder, mich von
meinem Vorhaben abzuhalten! Du kennst den Thronerben
von Aegypten, Du kennst auch Rhodopis. Ersterer war
mein Todfeind, aus mehreren Gründen, Letztere die
Freundin aller Hellenen, und ganz besonders die meine.
Als ich Aegypten verlassen mußte, bedrohte mich
Psamtik mit seiner Rache. Dein Sohn Gyges rettete
mich vor dem Tode. Einige Wochen später kamen meine
Kinder nach Naukratis, um mir von dort aus nach Si-
geum zu folgen. Rhodopis nahm dieselben in ihren
freundlichen Schutz. Ein Elender hatte das Geheimniß
erspäht und dem Thronfolger verrathen. Jn der folgen-
den Nacht wurde das Haus der Thrakerin umstellt und
durchsucht. Man fand meine Kinder und nahm dieselben
gefangen. Amasis war unterdessen erblindet und ließ sei-
nen elenden Sohn gewähren, der sich nicht entblödete,
meinen einzigen Knaben -- zu -- ...."

"Er ließ ihn tödten?"

"Du sagst es."

„Das ſind Träume.“

„Die zur Wahrheit werden müſſen, ſo wahr ich auf
die Erfüllung meiner Rache hoffe!“

„Jch kann nicht mit Dir rechten, denn mir ſind die
Verhältniſſe Deiner Heimath zu fremd geworden. Uebri-
gens halte ich Dich für einen weiſen Mann, der das
Schöne und Gute liebt und zu rechtlich denkt, um aus
bloßem Ehrgeiz ein ganzes Volk verderben zu mögen. Es
iſt furchtbar, daß die Schickung die Schuld des Einzelnen,
wenn derſelbe eine Krone trägt, an ganzen Nationen ver-
gilt! Jetzt erzähle mir, wenn Dir etwas an meiner Mei-
nung gelegen iſt, wech es Unrecht Deine Rachſucht ſo
mächtig entflammt hat!“

„Höre denn und verſuche niemals wieder, mich von
meinem Vorhaben abzuhalten! Du kennſt den Thronerben
von Aegypten, Du kennſt auch Rhodopis. Erſterer war
mein Todfeind, aus mehreren Gründen, Letztere die
Freundin aller Hellenen, und ganz beſonders die meine.
Als ich Aegypten verlaſſen mußte, bedrohte mich
Pſamtik mit ſeiner Rache. Dein Sohn Gyges rettete
mich vor dem Tode. Einige Wochen ſpäter kamen meine
Kinder nach Naukratis, um mir von dort aus nach Si-
geum zu folgen. Rhodopis nahm dieſelben in ihren
freundlichen Schutz. Ein Elender hatte das Geheimniß
erſpäht und dem Thronfolger verrathen. Jn der folgen-
den Nacht wurde das Haus der Thrakerin umſtellt und
durchſucht. Man fand meine Kinder und nahm dieſelben
gefangen. Amaſis war unterdeſſen erblindet und ließ ſei-
nen elenden Sohn gewähren, der ſich nicht entblödete,
meinen einzigen Knaben — zu — ....“

„Er ließ ihn tödten?“

„Du ſagſt es.“

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[55/0065] „Das ſind Träume.“ „Die zur Wahrheit werden müſſen, ſo wahr ich auf die Erfüllung meiner Rache hoffe!“ „Jch kann nicht mit Dir rechten, denn mir ſind die Verhältniſſe Deiner Heimath zu fremd geworden. Uebri- gens halte ich Dich für einen weiſen Mann, der das Schöne und Gute liebt und zu rechtlich denkt, um aus bloßem Ehrgeiz ein ganzes Volk verderben zu mögen. Es iſt furchtbar, daß die Schickung die Schuld des Einzelnen, wenn derſelbe eine Krone trägt, an ganzen Nationen ver- gilt! Jetzt erzähle mir, wenn Dir etwas an meiner Mei- nung gelegen iſt, wech es Unrecht Deine Rachſucht ſo mächtig entflammt hat!“ „Höre denn und verſuche niemals wieder, mich von meinem Vorhaben abzuhalten! Du kennſt den Thronerben von Aegypten, Du kennſt auch Rhodopis. Erſterer war mein Todfeind, aus mehreren Gründen, Letztere die Freundin aller Hellenen, und ganz beſonders die meine. Als ich Aegypten verlaſſen mußte, bedrohte mich Pſamtik mit ſeiner Rache. Dein Sohn Gyges rettete mich vor dem Tode. Einige Wochen ſpäter kamen meine Kinder nach Naukratis, um mir von dort aus nach Si- geum zu folgen. Rhodopis nahm dieſelben in ihren freundlichen Schutz. Ein Elender hatte das Geheimniß erſpäht und dem Thronfolger verrathen. Jn der folgen- den Nacht wurde das Haus der Thrakerin umſtellt und durchſucht. Man fand meine Kinder und nahm dieſelben gefangen. Amaſis war unterdeſſen erblindet und ließ ſei- nen elenden Sohn gewähren, der ſich nicht entblödete, meinen einzigen Knaben — zu — ....“ „Er ließ ihn tödten?“ „Du ſagſt es.“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/65>, abgerufen am 27.11.2024.