aber doch schätzen werden. Und ich zeige Ihnen das Beste in jeder Gattung, damit Sie sehen, daß keine Gattung gering zu achten, sondern daß jede erfreulich ist, sobald ein großes Talent darin den Gipfel erreichte. Dieses Bild eines französischen Künstlers z. B. ist galant wie kein anderes und daher ein Musterstück seiner Art."
Goethe reichte mir das Blatt und ich sah es mit Freuden. In einem reizenden Zimmer eines Sommer¬ palais, wo man durch offene Fenster und Thüren die Aussicht in den Garten hat, sieht man eine Gruppe der anmuthigsten Personen. Eine sitzende schöne Frau von etwa dreyßig Jahren hält ein Notenbuch, woraus sie so eben gesungen zu haben scheint. Etwas tiefer, an ihrer Seite sitzend, lehnt sich ein junges Mädchen von etwa fünfzehn. Rückwärts am offenen Fenster steht eine andere junge Dame; sie hält eine Laute und scheint noch Töne zu greifen. In diesem Augenblick ist ein junger Herr hereingetreten, auf den die Blicke der Frauen sich richten; er scheint die musikalische Unterhaltung unter¬ brochen zu haben, und, indem er mit einer leichten Verbeugung vor ihnen steht, macht er den Eindruck, als sagte er entschuldigende Worte, die von den Frauen mit Wohlgefallen gehört werden.
"Das, dächte ich, sagte Goethe, wäre so galant, wie irgend ein Stück von Calderon, und Sie haben nun in dieser Art das Vorzüglichste gesehen. Was aber sagen Sie hiezu?"
aber doch ſchaͤtzen werden. Und ich zeige Ihnen das Beſte in jeder Gattung, damit Sie ſehen, daß keine Gattung gering zu achten, ſondern daß jede erfreulich iſt, ſobald ein großes Talent darin den Gipfel erreichte. Dieſes Bild eines franzoͤſiſchen Kuͤnſtlers z. B. iſt galant wie kein anderes und daher ein Muſterſtuͤck ſeiner Art.“
Goethe reichte mir das Blatt und ich ſah es mit Freuden. In einem reizenden Zimmer eines Sommer¬ palais, wo man durch offene Fenſter und Thuͤren die Ausſicht in den Garten hat, ſieht man eine Gruppe der anmuthigſten Perſonen. Eine ſitzende ſchoͤne Frau von etwa dreyßig Jahren haͤlt ein Notenbuch, woraus ſie ſo eben geſungen zu haben ſcheint. Etwas tiefer, an ihrer Seite ſitzend, lehnt ſich ein junges Maͤdchen von etwa fuͤnfzehn. Ruͤckwaͤrts am offenen Fenſter ſteht eine andere junge Dame; ſie haͤlt eine Laute und ſcheint noch Toͤne zu greifen. In dieſem Augenblick iſt ein junger Herr hereingetreten, auf den die Blicke der Frauen ſich richten; er ſcheint die muſikaliſche Unterhaltung unter¬ brochen zu haben, und, indem er mit einer leichten Verbeugung vor ihnen ſteht, macht er den Eindruck, als ſagte er entſchuldigende Worte, die von den Frauen mit Wohlgefallen gehoͤrt werden.
„Das, daͤchte ich, ſagte Goethe, waͤre ſo galant, wie irgend ein Stuͤck von Calderon, und Sie haben nun in dieſer Art das Vorzuͤglichſte geſehen. Was aber ſagen Sie hiezu?“
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aber doch ſchaͤtzen werden. Und ich zeige Ihnen das
Beſte in jeder Gattung, damit Sie ſehen, daß keine
Gattung gering zu achten, ſondern daß jede erfreulich
iſt, ſobald ein großes Talent darin den Gipfel erreichte.
Dieſes Bild eines franzoͤſiſchen Kuͤnſtlers z. B. iſt galant
wie kein anderes und daher ein Muſterſtuͤck ſeiner Art.“
Goethe reichte mir das Blatt und ich ſah es mit
Freuden. In einem reizenden Zimmer eines Sommer¬
palais, wo man durch offene Fenſter und Thuͤren die
Ausſicht in den Garten hat, ſieht man eine Gruppe
der anmuthigſten Perſonen. Eine ſitzende ſchoͤne Frau
von etwa dreyßig Jahren haͤlt ein Notenbuch, woraus
ſie ſo eben geſungen zu haben ſcheint. Etwas tiefer,
an ihrer Seite ſitzend, lehnt ſich ein junges Maͤdchen
von etwa fuͤnfzehn. Ruͤckwaͤrts am offenen Fenſter ſteht
eine andere junge Dame; ſie haͤlt eine Laute und ſcheint
noch Toͤne zu greifen. In dieſem Augenblick iſt ein
junger Herr hereingetreten, auf den die Blicke der Frauen
ſich richten; er ſcheint die muſikaliſche Unterhaltung unter¬
brochen zu haben, und, indem er mit einer leichten
Verbeugung vor ihnen ſteht, macht er den Eindruck,
als ſagte er entſchuldigende Worte, die von den Frauen
mit Wohlgefallen gehoͤrt werden.
„Das, daͤchte ich, ſagte Goethe, waͤre ſo galant,
wie irgend ein Stuͤck von Calderon, und Sie haben
nun in dieſer Art das Vorzuͤglichſte geſehen. Was
aber ſagen Sie hiezu?“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/144>, abgerufen am 28.11.2024.
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