Sie sich im Englischen, halten Sie Ihre Kräfte zu etwas Tüchtigem zusammen, und lassen Sie alles fah¬ ren, was für Sie keine Folge hat und Ihnen nicht gemäß ist."
Ich freute mich, daß ich Goethe zu reden gebracht und war in meinem Innern vollkommen beruhigt und entschlossen, nach seinem Rath in alle Wege zu handeln.
Herr Canzler von Müller ließ sich melden und setzte sich zu uns. Und so kam das Gespräch wieder auf die vor uns stehende Büste des Dante und dessen Leben und Werke. Besonders ward der Dunkelheit jener Dich¬ tungen gedacht, wie seine eigenen Landsleute ihn nie verstanden, und daß es einem Ausländer umsomehr un¬ möglich sey, solche Finsternisse zu durchdringen. "Ihnen, wendete sich Goethe freundlich zu mir, soll das Studium dieses Dichters von Ihrem Beichtvater hiemit durchaus verboten seyn."
Goethe bemerkte ferner, daß der schwere Reim an jener Unverständlichkeit vorzüglich mit Schuld sey. Übri¬ gens sprach Goethe von Dante mit aller Ehrfurcht, wobey es mir merkwürdig war, daß ihm das Wort Talent nicht genügte, sondern daß er ihn eine Natur nannte, als womit er ein Umfassenderes, Ahndungs¬ volleres, tiefer und weiter um sich Blickendes ausdrücken zu wollen schien.
Sie ſich im Engliſchen, halten Sie Ihre Kraͤfte zu etwas Tuͤchtigem zuſammen, und laſſen Sie alles fah¬ ren, was fuͤr Sie keine Folge hat und Ihnen nicht gemaͤß iſt.“
Ich freute mich, daß ich Goethe zu reden gebracht und war in meinem Innern vollkommen beruhigt und entſchloſſen, nach ſeinem Rath in alle Wege zu handeln.
Herr Canzler von Muͤller ließ ſich melden und ſetzte ſich zu uns. Und ſo kam das Geſpraͤch wieder auf die vor uns ſtehende Buͤſte des Dante und deſſen Leben und Werke. Beſonders ward der Dunkelheit jener Dich¬ tungen gedacht, wie ſeine eigenen Landsleute ihn nie verſtanden, und daß es einem Auslaͤnder umſomehr un¬ moͤglich ſey, ſolche Finſterniſſe zu durchdringen. „Ihnen, wendete ſich Goethe freundlich zu mir, ſoll das Studium dieſes Dichters von Ihrem Beichtvater hiemit durchaus verboten ſeyn.“
Goethe bemerkte ferner, daß der ſchwere Reim an jener Unverſtaͤndlichkeit vorzuͤglich mit Schuld ſey. Übri¬ gens ſprach Goethe von Dante mit aller Ehrfurcht, wobey es mir merkwuͤrdig war, daß ihm das Wort Talent nicht genuͤgte, ſondern daß er ihn eine Natur nannte, als womit er ein Umfaſſenderes, Ahndungs¬ volleres, tiefer und weiter um ſich Blickendes ausdruͤcken zu wollen ſchien.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0194"n="174"/>
Sie ſich im Engliſchen, halten Sie Ihre Kraͤfte zu<lb/>
etwas Tuͤchtigem zuſammen, und laſſen Sie alles fah¬<lb/>
ren, was fuͤr Sie keine Folge hat und Ihnen nicht<lb/>
gemaͤß iſt.“</p><lb/><p>Ich freute mich, daß ich Goethe zu reden gebracht<lb/>
und war in meinem Innern vollkommen beruhigt und<lb/>
entſchloſſen, nach ſeinem Rath in alle Wege zu handeln.</p><lb/><p>Herr Canzler von Muͤller ließ ſich melden und ſetzte<lb/>ſich zu uns. Und ſo kam das Geſpraͤch wieder auf die<lb/>
vor uns ſtehende Buͤſte des Dante und deſſen Leben<lb/>
und Werke. Beſonders ward der Dunkelheit jener Dich¬<lb/>
tungen gedacht, wie ſeine eigenen Landsleute ihn nie<lb/>
verſtanden, und daß es einem Auslaͤnder umſomehr un¬<lb/>
moͤglich ſey, ſolche Finſterniſſe zu durchdringen. „Ihnen,<lb/>
wendete ſich Goethe freundlich zu mir, ſoll das Studium<lb/>
dieſes Dichters von Ihrem Beichtvater hiemit durchaus<lb/>
verboten ſeyn.“</p><lb/><p>Goethe bemerkte ferner, daß der ſchwere Reim an<lb/>
jener Unverſtaͤndlichkeit vorzuͤglich mit Schuld ſey. Übri¬<lb/>
gens ſprach Goethe von Dante mit aller Ehrfurcht,<lb/>
wobey es mir merkwuͤrdig war, daß ihm das Wort<lb/><hirendition="#g">Talent</hi> nicht genuͤgte, ſondern daß er ihn eine <hirendition="#g">Natur</hi><lb/>
nannte, als womit er ein Umfaſſenderes, Ahndungs¬<lb/>
volleres, tiefer und weiter um ſich Blickendes ausdruͤcken<lb/>
zu wollen ſchien.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[174/0194]
Sie ſich im Engliſchen, halten Sie Ihre Kraͤfte zu
etwas Tuͤchtigem zuſammen, und laſſen Sie alles fah¬
ren, was fuͤr Sie keine Folge hat und Ihnen nicht
gemaͤß iſt.“
Ich freute mich, daß ich Goethe zu reden gebracht
und war in meinem Innern vollkommen beruhigt und
entſchloſſen, nach ſeinem Rath in alle Wege zu handeln.
Herr Canzler von Muͤller ließ ſich melden und ſetzte
ſich zu uns. Und ſo kam das Geſpraͤch wieder auf die
vor uns ſtehende Buͤſte des Dante und deſſen Leben
und Werke. Beſonders ward der Dunkelheit jener Dich¬
tungen gedacht, wie ſeine eigenen Landsleute ihn nie
verſtanden, und daß es einem Auslaͤnder umſomehr un¬
moͤglich ſey, ſolche Finſterniſſe zu durchdringen. „Ihnen,
wendete ſich Goethe freundlich zu mir, ſoll das Studium
dieſes Dichters von Ihrem Beichtvater hiemit durchaus
verboten ſeyn.“
Goethe bemerkte ferner, daß der ſchwere Reim an
jener Unverſtaͤndlichkeit vorzuͤglich mit Schuld ſey. Übri¬
gens ſprach Goethe von Dante mit aller Ehrfurcht,
wobey es mir merkwuͤrdig war, daß ihm das Wort
Talent nicht genuͤgte, ſondern daß er ihn eine Natur
nannte, als womit er ein Umfaſſenderes, Ahndungs¬
volleres, tiefer und weiter um ſich Blickendes ausdruͤcken
zu wollen ſchien.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/194>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.