Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.nicht vielseitig genug ausbilden, denn die Vielseitigkeit Gleicherweise soll der Poet nach mannigfaltiger Kennt¬ Aber der Dichter soll kein Maler seyn wollen, son¬ Denn Einsicht und Lebensthätigkeit sollen So hat Goethe nach vielseitigster Einsicht gestrebt, Gleicherweise soll man Ausbildung von Lebens¬ So gehört zur Ausbildung des Dichters, daß sein nicht vielſeitig genug ausbilden, denn die Vielſeitigkeit Gleicherweiſe ſoll der Poet nach mannigfaltiger Kennt¬ Aber der Dichter ſoll kein Maler ſeyn wollen, ſon¬ Denn Einſicht und Lebensthaͤtigkeit ſollen So hat Goethe nach vielſeitigſter Einſicht geſtrebt, Gleicherweiſe ſoll man Ausbildung von Lebens¬ So gehoͤrt zur Ausbildung des Dichters, daß ſein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0232" n="212"/> nicht vielſeitig genug ausbilden, denn die Vielſeitigkeit<lb/> gehoͤrt zu ſeinem Handwerk.</p><lb/> <p>Gleicherweiſe ſoll der Poet nach mannigfaltiger Kennt¬<lb/> niß ſtreben; denn die ganze Welt iſt ſein Stoff, den<lb/> er zu handhaben und auszuſprechen verſtehen muß.</p><lb/> <p>Aber der Dichter ſoll kein Maler ſeyn wollen, ſon¬<lb/> dern ſich begnuͤgen, die Welt durch das Wort wieder¬<lb/> zugeben; ſo wie er dem Schauſpieler uͤberlaͤßt, ſie durch<lb/> perſoͤnliche Darſtellung uns vor die Augen zu bringen.</p><lb/> <p>Denn <hi rendition="#g">Einſicht</hi> und <hi rendition="#g">Lebensthaͤtigkeit</hi> ſollen<lb/> wohl unterſchieden werden und man ſoll bedenken, daß<lb/> jede Kunſt, ſobald es auf die Ausuͤbung ankommt,<lb/> etwas ſehr Schwieriges und Großes iſt, worin es zur<lb/> Meiſterſchaft zu bringen ein eigenes Leben verlangt wird.</p><lb/> <p>So hat Goethe nach vielſeitigſter Einſicht geſtrebt,<lb/> aber in ſeiner Lebensthaͤtigkeit hat er ſich nur auf Eins<lb/> beſchraͤnkt. Nur eine einzige Kunſt hat er geuͤbt und<lb/> zwar meiſterhaft geuͤbt, naͤmlich die: <hi rendition="#g">Deutſch zu<lb/> ſchreiben</hi>. Daß der Stoff, den er ausſprach, viel¬<lb/> ſeitiger Natur war, iſt eine andere Sache.</p><lb/> <p>Gleicherweiſe ſoll man <hi rendition="#g">Ausbildung</hi> von Lebens¬<lb/> thaͤtigkeit wohl unterſcheiden.</p><lb/> <p>So gehoͤrt zur Ausbildung des Dichters, daß ſein<lb/> Auge zur Auffaſſung der aͤußeren Gegenſtaͤnde auf alle<lb/> Weiſe geuͤbt werde. Und wenn Goethe ſeine practiſche<lb/> Tendenz zur bildenden Kunſt, inſofern er ſie zu ſeiner<lb/> Lebensthaͤtigkeit haͤtte machen wollen, eine falſche nennt,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0232]
nicht vielſeitig genug ausbilden, denn die Vielſeitigkeit
gehoͤrt zu ſeinem Handwerk.
Gleicherweiſe ſoll der Poet nach mannigfaltiger Kennt¬
niß ſtreben; denn die ganze Welt iſt ſein Stoff, den
er zu handhaben und auszuſprechen verſtehen muß.
Aber der Dichter ſoll kein Maler ſeyn wollen, ſon¬
dern ſich begnuͤgen, die Welt durch das Wort wieder¬
zugeben; ſo wie er dem Schauſpieler uͤberlaͤßt, ſie durch
perſoͤnliche Darſtellung uns vor die Augen zu bringen.
Denn Einſicht und Lebensthaͤtigkeit ſollen
wohl unterſchieden werden und man ſoll bedenken, daß
jede Kunſt, ſobald es auf die Ausuͤbung ankommt,
etwas ſehr Schwieriges und Großes iſt, worin es zur
Meiſterſchaft zu bringen ein eigenes Leben verlangt wird.
So hat Goethe nach vielſeitigſter Einſicht geſtrebt,
aber in ſeiner Lebensthaͤtigkeit hat er ſich nur auf Eins
beſchraͤnkt. Nur eine einzige Kunſt hat er geuͤbt und
zwar meiſterhaft geuͤbt, naͤmlich die: Deutſch zu
ſchreiben. Daß der Stoff, den er ausſprach, viel¬
ſeitiger Natur war, iſt eine andere Sache.
Gleicherweiſe ſoll man Ausbildung von Lebens¬
thaͤtigkeit wohl unterſcheiden.
So gehoͤrt zur Ausbildung des Dichters, daß ſein
Auge zur Auffaſſung der aͤußeren Gegenſtaͤnde auf alle
Weiſe geuͤbt werde. Und wenn Goethe ſeine practiſche
Tendenz zur bildenden Kunſt, inſofern er ſie zu ſeiner
Lebensthaͤtigkeit haͤtte machen wollen, eine falſche nennt,
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