lasse. Diese Einsicht dürfen wir bey jedem Componisten, als zu seiner Kunst gehörig, voraussetzen."
So soll der Maler Kenntniß in Unterscheidung der Gegenstände haben; denn es gehört zu seinem Fache, daß er wisse, was er zu malen habe und was nicht.
"Im Übrigen aber, sagte Goethe, ist es zuletzt die größte Kunst, sich zu beschränken und zu isoliren."
So hat er die ganze Zeit, die ich in seiner Nähe bin, mich stets vor allen ableitenden Richtungen zu be¬ wahren und mich immer auf ein einziges Fach zu con¬ centriren gesucht. Zeigte ich etwa Neigung, mich in Naturwissenschaften umzuthun, so war immer sein Rath, es zu unterlassen und mich für jetzt bloß an die Poesie zu halten. Wollte ich ein Buch lesen, wovon er wußte, daß es mich auf meinem jetzigen Wege nicht weiter brächte, so widerrieth er es mir stets, indem er sagte, es sey für mich von keinem practischen Nutzen.
"Ich habe gar zu viele Zeit auf Dinge verwendet, sagte er eines Tages, die nicht zu meinem eigentlichen Fache gehörten. Wenn ich bedenke, was Lopez de Vega gemacht hat, so kommt mir die Zahl meiner poetischen Werke sehr klein vor. Ich hätte mich mehr an mein eigentliches Metier halten sollen."
"Hätte ich mich nicht so viel mit Steinen beschäf¬ tiget, sagte er ein andermal, und meine Zeit zu etwas Besserem verwendet, ich könnte den schönsten Schmuck von Diamanten haben."
laſſe. Dieſe Einſicht duͤrfen wir bey jedem Componiſten, als zu ſeiner Kunſt gehoͤrig, vorausſetzen.“
So ſoll der Maler Kenntniß in Unterſcheidung der Gegenſtaͤnde haben; denn es gehoͤrt zu ſeinem Fache, daß er wiſſe, was er zu malen habe und was nicht.
„Im Übrigen aber, ſagte Goethe, iſt es zuletzt die groͤßte Kunſt, ſich zu beſchraͤnken und zu iſoliren.“
So hat er die ganze Zeit, die ich in ſeiner Naͤhe bin, mich ſtets vor allen ableitenden Richtungen zu be¬ wahren und mich immer auf ein einziges Fach zu con¬ centriren geſucht. Zeigte ich etwa Neigung, mich in Naturwiſſenſchaften umzuthun, ſo war immer ſein Rath, es zu unterlaſſen und mich fuͤr jetzt bloß an die Poeſie zu halten. Wollte ich ein Buch leſen, wovon er wußte, daß es mich auf meinem jetzigen Wege nicht weiter braͤchte, ſo widerrieth er es mir ſtets, indem er ſagte, es ſey fuͤr mich von keinem practiſchen Nutzen.
„Ich habe gar zu viele Zeit auf Dinge verwendet, ſagte er eines Tages, die nicht zu meinem eigentlichen Fache gehoͤrten. Wenn ich bedenke, was Lopez de Vega gemacht hat, ſo kommt mir die Zahl meiner poetiſchen Werke ſehr klein vor. Ich haͤtte mich mehr an mein eigentliches Metier halten ſollen.“
„Haͤtte ich mich nicht ſo viel mit Steinen beſchaͤf¬ tiget, ſagte er ein andermal, und meine Zeit zu etwas Beſſerem verwendet, ich koͤnnte den ſchoͤnſten Schmuck von Diamanten haben.“
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laſſe. Dieſe Einſicht duͤrfen wir bey jedem Componiſten,
als zu ſeiner Kunſt gehoͤrig, vorausſetzen.“
So ſoll der Maler Kenntniß in Unterſcheidung der
Gegenſtaͤnde haben; denn es gehoͤrt zu ſeinem Fache,
daß er wiſſe, was er zu malen habe und was nicht.
„Im Übrigen aber, ſagte Goethe, iſt es zuletzt die
groͤßte Kunſt, ſich zu beſchraͤnken und zu iſoliren.“
So hat er die ganze Zeit, die ich in ſeiner Naͤhe
bin, mich ſtets vor allen ableitenden Richtungen zu be¬
wahren und mich immer auf ein einziges Fach zu con¬
centriren geſucht. Zeigte ich etwa Neigung, mich in
Naturwiſſenſchaften umzuthun, ſo war immer ſein Rath,
es zu unterlaſſen und mich fuͤr jetzt bloß an die Poeſie
zu halten. Wollte ich ein Buch leſen, wovon er wußte,
daß es mich auf meinem jetzigen Wege nicht weiter
braͤchte, ſo widerrieth er es mir ſtets, indem er ſagte,
es ſey fuͤr mich von keinem practiſchen Nutzen.
„Ich habe gar zu viele Zeit auf Dinge verwendet,
ſagte er eines Tages, die nicht zu meinem eigentlichen
Fache gehoͤrten. Wenn ich bedenke, was Lopez de Vega
gemacht hat, ſo kommt mir die Zahl meiner poetiſchen
Werke ſehr klein vor. Ich haͤtte mich mehr an mein
eigentliches Metier halten ſollen.“
„Haͤtte ich mich nicht ſo viel mit Steinen beſchaͤf¬
tiget, ſagte er ein andermal, und meine Zeit zu etwas
Beſſerem verwendet, ich koͤnnte den ſchoͤnſten Schmuck
von Diamanten haben.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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