Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich ging diesen Abend um 6 Uhr zu Goethe, den
ich alleine fand und mit dem ich einige schöne Stunden
verlebte.

"Mein Gemüth, sagte er, war diese Zeit her durch
Vieles belästiget; es war mir von allen Seiten her so
viel Gutes geschehen, daß ich vor lauter Danksagungen
nicht zum eigentlichen Leben kommen konnte. Die Pri¬
vilegien wegen des Verlags meiner Werke gingen nach
und nach von den Höfen ein, und weil die Verhältnisse
bey jedem anders waren, so verlangte auch jeder Fall
eine eigene Erwiederung. Nun kamen die Anträge un¬
zähliger Buchhändler, die auch bedacht, behandelt und
beantwortet seyn wollten. Dann, mein Jubiläum brachte
mir so tausendfältiges Gute, daß ich mit den Dank¬
sagungsbriefen noch jetzt nicht fertig bin. Man will
doch nicht hohl und allgemein seyn, sondern Jedem doch
gerne etwas Schickliches und Gehöriges sagen. Jetzt
aber werde ich nach und nach frey und ich fühle mich
wieder zu Unterhaltungen aufgelegt."

"Ich habe in diesen Tagen eine Bemerkung gemacht,
die ich Ihnen doch mittheilen will."

"Alles, was wir thun, hat eine Folge. Aber das
Kluge und Rechte bringt nicht immer etwas Günstiges,
und das Verkehrte nicht immer etwas Ungünstiges her¬
vor, vielmehr wirkt es oftmals ganz im Gegentheil."

Ich ging dieſen Abend um 6 Uhr zu Goethe, den
ich alleine fand und mit dem ich einige ſchoͤne Stunden
verlebte.

„Mein Gemuͤth, ſagte er, war dieſe Zeit her durch
Vieles belaͤſtiget; es war mir von allen Seiten her ſo
viel Gutes geſchehen, daß ich vor lauter Dankſagungen
nicht zum eigentlichen Leben kommen konnte. Die Pri¬
vilegien wegen des Verlags meiner Werke gingen nach
und nach von den Hoͤfen ein, und weil die Verhaͤltniſſe
bey jedem anders waren, ſo verlangte auch jeder Fall
eine eigene Erwiederung. Nun kamen die Antraͤge un¬
zaͤhliger Buchhaͤndler, die auch bedacht, behandelt und
beantwortet ſeyn wollten. Dann, mein Jubilaͤum brachte
mir ſo tauſendfaͤltiges Gute, daß ich mit den Dank¬
ſagungsbriefen noch jetzt nicht fertig bin. Man will
doch nicht hohl und allgemein ſeyn, ſondern Jedem doch
gerne etwas Schickliches und Gehoͤriges ſagen. Jetzt
aber werde ich nach und nach frey und ich fuͤhle mich
wieder zu Unterhaltungen aufgelegt.“

„Ich habe in dieſen Tagen eine Bemerkung gemacht,
die ich Ihnen doch mittheilen will.“

„Alles, was wir thun, hat eine Folge. Aber das
Kluge und Rechte bringt nicht immer etwas Guͤnſtiges,
und das Verkehrte nicht immer etwas Unguͤnſtiges her¬
vor, vielmehr wirkt es oftmals ganz im Gegentheil.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0248" n="228"/>
        </div>
        <div n="2">
          <dateline rendition="#right">Sonntag den 25. December 1825.<lb/></dateline>
          <p>Ich ging die&#x017F;en Abend um 6 Uhr zu Goethe, den<lb/>
ich alleine fand und mit dem ich einige &#x017F;cho&#x0364;ne Stunden<lb/>
verlebte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Mein Gemu&#x0364;th, &#x017F;agte er, war die&#x017F;e Zeit her durch<lb/>
Vieles bela&#x0364;&#x017F;tiget; es war mir von allen Seiten her &#x017F;o<lb/>
viel Gutes ge&#x017F;chehen, daß ich vor lauter Dank&#x017F;agungen<lb/>
nicht zum eigentlichen Leben kommen konnte. Die Pri¬<lb/>
vilegien wegen des Verlags meiner Werke gingen nach<lb/>
und nach von den Ho&#x0364;fen ein, und weil die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
bey jedem anders waren, &#x017F;o verlangte auch jeder Fall<lb/>
eine eigene Erwiederung. Nun kamen die Antra&#x0364;ge un¬<lb/>
za&#x0364;hliger Buchha&#x0364;ndler, die auch bedacht, behandelt und<lb/>
beantwortet &#x017F;eyn wollten. Dann, mein Jubila&#x0364;um brachte<lb/>
mir &#x017F;o tau&#x017F;endfa&#x0364;ltiges Gute, daß ich mit den Dank¬<lb/>
&#x017F;agungsbriefen noch jetzt nicht fertig bin. Man will<lb/>
doch nicht hohl und allgemein &#x017F;eyn, &#x017F;ondern Jedem doch<lb/>
gerne etwas Schickliches und Geho&#x0364;riges &#x017F;agen. Jetzt<lb/>
aber werde ich nach und nach frey und ich fu&#x0364;hle mich<lb/>
wieder zu Unterhaltungen aufgelegt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich habe in die&#x017F;en Tagen eine Bemerkung gemacht,<lb/>
die ich Ihnen doch mittheilen will.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Alles, was wir thun, hat eine Folge. Aber das<lb/>
Kluge und Rechte bringt nicht immer etwas Gu&#x0364;n&#x017F;tiges,<lb/>
und das Verkehrte nicht immer etwas Ungu&#x0364;n&#x017F;tiges her¬<lb/>
vor, vielmehr wirkt es oftmals ganz im Gegentheil.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0248] Sonntag den 25. December 1825. Ich ging dieſen Abend um 6 Uhr zu Goethe, den ich alleine fand und mit dem ich einige ſchoͤne Stunden verlebte. „Mein Gemuͤth, ſagte er, war dieſe Zeit her durch Vieles belaͤſtiget; es war mir von allen Seiten her ſo viel Gutes geſchehen, daß ich vor lauter Dankſagungen nicht zum eigentlichen Leben kommen konnte. Die Pri¬ vilegien wegen des Verlags meiner Werke gingen nach und nach von den Hoͤfen ein, und weil die Verhaͤltniſſe bey jedem anders waren, ſo verlangte auch jeder Fall eine eigene Erwiederung. Nun kamen die Antraͤge un¬ zaͤhliger Buchhaͤndler, die auch bedacht, behandelt und beantwortet ſeyn wollten. Dann, mein Jubilaͤum brachte mir ſo tauſendfaͤltiges Gute, daß ich mit den Dank¬ ſagungsbriefen noch jetzt nicht fertig bin. Man will doch nicht hohl und allgemein ſeyn, ſondern Jedem doch gerne etwas Schickliches und Gehoͤriges ſagen. Jetzt aber werde ich nach und nach frey und ich fuͤhle mich wieder zu Unterhaltungen aufgelegt.“ „Ich habe in dieſen Tagen eine Bemerkung gemacht, die ich Ihnen doch mittheilen will.“ „Alles, was wir thun, hat eine Folge. Aber das Kluge und Rechte bringt nicht immer etwas Guͤnſtiges, und das Verkehrte nicht immer etwas Unguͤnſtiges her¬ vor, vielmehr wirkt es oftmals ganz im Gegentheil.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/248
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/248>, abgerufen am 21.11.2024.