lassen, sondern immer wieder zu seinem Repertoir zurück¬ kehren. Unsere Zeit ist nun an wahrhaft guten Stücken so reich, daß einem Kenner nichts leichteres ist, als ein gutes Repertoir zu bilden. Allein es ist nichts schwie¬ riger als es zu halten."
"Als ich mit Schillern dem Theater vorstand, hat¬ ten wir den Vortheil, daß wir den Sommer über in Lauchstedt spielten. Hier hatten wir ein auserlesenes Publicum, das nichts als vortreffliche Sachen wollte, und so kamen wir denn jedesmal eingeübt in den besten Stücken nach Weimar zurück und konnten hier den Winter über alle Sommer-Vorstellungen wiederholen. Dazu hatte das Weimarische Publicum auf unsere Lei¬ tung Vertrauen und war immer, auch bey Dingen, denen es nichts abgewinnen konnte, überzeugt, daß un¬ serm Thun und Lassen eine höhere Absicht zum Grunde liege."
"In den neunziger Jahren, fuhr Goethe fort, war die eigentliche Zeit meines Theater-Interesses schon vorüber und ich schrieb nichts mehr für die Bühne, ich wollte mich ganz zum Epischen wenden. Schiller er¬ weckte das schon erloschene Interesse, und ihm und sei¬ nen Sachen zu Liebe nahm ich am Theater wieder An¬ theil. In der Zeit meines Clavigo wäre es mir ein Leichtes gewesen, ein Dutzend Theaterstücke zu schreiben; an Gegenständen fehlte es nicht und die Production ward mir leicht; ich hätte immer in acht Tagen ein
laſſen, ſondern immer wieder zu ſeinem Repertoir zuruͤck¬ kehren. Unſere Zeit iſt nun an wahrhaft guten Stuͤcken ſo reich, daß einem Kenner nichts leichteres iſt, als ein gutes Repertoir zu bilden. Allein es iſt nichts ſchwie¬ riger als es zu halten.“
„Als ich mit Schillern dem Theater vorſtand, hat¬ ten wir den Vortheil, daß wir den Sommer uͤber in Lauchſtedt ſpielten. Hier hatten wir ein auserleſenes Publicum, das nichts als vortreffliche Sachen wollte, und ſo kamen wir denn jedesmal eingeuͤbt in den beſten Stuͤcken nach Weimar zuruͤck und konnten hier den Winter uͤber alle Sommer-Vorſtellungen wiederholen. Dazu hatte das Weimariſche Publicum auf unſere Lei¬ tung Vertrauen und war immer, auch bey Dingen, denen es nichts abgewinnen konnte, uͤberzeugt, daß un¬ ſerm Thun und Laſſen eine hoͤhere Abſicht zum Grunde liege.“
„In den neunziger Jahren, fuhr Goethe fort, war die eigentliche Zeit meines Theater-Intereſſes ſchon voruͤber und ich ſchrieb nichts mehr fuͤr die Buͤhne, ich wollte mich ganz zum Epiſchen wenden. Schiller er¬ weckte das ſchon erloſchene Intereſſe, und ihm und ſei¬ nen Sachen zu Liebe nahm ich am Theater wieder An¬ theil. In der Zeit meines Clavigo waͤre es mir ein Leichtes geweſen, ein Dutzend Theaterſtuͤcke zu ſchreiben; an Gegenſtaͤnden fehlte es nicht und die Production ward mir leicht; ich haͤtte immer in acht Tagen ein
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laſſen, ſondern immer wieder zu ſeinem Repertoir zuruͤck¬
kehren. Unſere Zeit iſt nun an wahrhaft guten Stuͤcken
ſo reich, daß einem Kenner nichts leichteres iſt, als ein
gutes Repertoir zu bilden. Allein es iſt nichts ſchwie¬
riger als es zu halten.“
„Als ich mit Schillern dem Theater vorſtand, hat¬
ten wir den Vortheil, daß wir den Sommer uͤber in
Lauchſtedt ſpielten. Hier hatten wir ein auserleſenes
Publicum, das nichts als vortreffliche Sachen wollte,
und ſo kamen wir denn jedesmal eingeuͤbt in den beſten
Stuͤcken nach Weimar zuruͤck und konnten hier den
Winter uͤber alle Sommer-Vorſtellungen wiederholen.
Dazu hatte das Weimariſche Publicum auf unſere Lei¬
tung Vertrauen und war immer, auch bey Dingen,
denen es nichts abgewinnen konnte, uͤberzeugt, daß un¬
ſerm Thun und Laſſen eine hoͤhere Abſicht zum Grunde
liege.“
„In den neunziger Jahren, fuhr Goethe fort, war
die eigentliche Zeit meines Theater-Intereſſes ſchon
voruͤber und ich ſchrieb nichts mehr fuͤr die Buͤhne, ich
wollte mich ganz zum Epiſchen wenden. Schiller er¬
weckte das ſchon erloſchene Intereſſe, und ihm und ſei¬
nen Sachen zu Liebe nahm ich am Theater wieder An¬
theil. In der Zeit meines Clavigo waͤre es mir ein
Leichtes geweſen, ein Dutzend Theaterſtuͤcke zu ſchreiben;
an Gegenſtaͤnden fehlte es nicht und die Production
ward mir leicht; ich haͤtte immer in acht Tagen ein
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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