vornehmen Kinder Theil nehmen, ich lernte französisch und etwas Latein und Musik; zugleich versah man mich mit besserer Kleidung, und der würdige Superintendent Parisius hielt es nicht zu gering, mir einen Platz an seinem eigenen Tische zu geben.
Von nun an war mir die Schule lieb geworden; ich suchte so günstige Umstände so lange fortzusetzen als möglich, und meine Eltern gaben es daher auch gern zu, daß ich erst in meinem sechzehnten Jahre confirmirt wurde.
Nun aber entstand die Frage, was aus mir werden solle. Wäre es nach meinen Wünschen gegangen, so hätte man mich zur Verfolgung wissenschaftlicher Stu¬ dien auf ein Gymnasium geschickt; allein hieran war nicht zu denken, denn es fehlte dazu nicht allein an allen Mitteln, sondern die gebieterische Noth meiner Umstände verlangte auch, mich sehr bald in einer Lage zu sehen, wo ich nicht allein für mich selber zu sorgen, sondern auch meinen dürftigen alten Eltern einigermaßen zu Hülfe zu kommen im Stande wäre.
Eine solche Lage eröffnete sich mir gleich nach meiner Confirmation, indem ein dortiger Justizbeamter mir das Anerbieten machte, mich zum Schreiben und anderen kleinen Dienstverrichtungen zu sich zu nehmen, worein ich mit Freuden willigte. Ich hatte während der letzten anderthalb Jahre meines fleißigen Schul¬ besuchs es dahin gebracht, nicht allein eine gute Hand
vornehmen Kinder Theil nehmen, ich lernte franzoͤſiſch und etwas Latein und Muſik; zugleich verſah man mich mit beſſerer Kleidung, und der wuͤrdige Superintendent Pariſius hielt es nicht zu gering, mir einen Platz an ſeinem eigenen Tiſche zu geben.
Von nun an war mir die Schule lieb geworden; ich ſuchte ſo guͤnſtige Umſtaͤnde ſo lange fortzuſetzen als moͤglich, und meine Eltern gaben es daher auch gern zu, daß ich erſt in meinem ſechzehnten Jahre confirmirt wurde.
Nun aber entſtand die Frage, was aus mir werden ſolle. Waͤre es nach meinen Wuͤnſchen gegangen, ſo haͤtte man mich zur Verfolgung wiſſenſchaftlicher Stu¬ dien auf ein Gymnaſium geſchickt; allein hieran war nicht zu denken, denn es fehlte dazu nicht allein an allen Mitteln, ſondern die gebieteriſche Noth meiner Umſtaͤnde verlangte auch, mich ſehr bald in einer Lage zu ſehen, wo ich nicht allein fuͤr mich ſelber zu ſorgen, ſondern auch meinen duͤrftigen alten Eltern einigermaßen zu Huͤlfe zu kommen im Stande waͤre.
Eine ſolche Lage eroͤffnete ſich mir gleich nach meiner Confirmation, indem ein dortiger Juſtizbeamter mir das Anerbieten machte, mich zum Schreiben und anderen kleinen Dienſtverrichtungen zu ſich zu nehmen, worein ich mit Freuden willigte. Ich hatte waͤhrend der letzten anderthalb Jahre meines fleißigen Schul¬ beſuchs es dahin gebracht, nicht allein eine gute Hand
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vornehmen Kinder Theil nehmen, ich lernte franzoͤſiſch
und etwas Latein und Muſik; zugleich verſah man mich
mit beſſerer Kleidung, und der wuͤrdige Superintendent
Pariſius hielt es nicht zu gering, mir einen Platz an
ſeinem eigenen Tiſche zu geben.
Von nun an war mir die Schule lieb geworden;
ich ſuchte ſo guͤnſtige Umſtaͤnde ſo lange fortzuſetzen als
moͤglich, und meine Eltern gaben es daher auch gern
zu, daß ich erſt in meinem ſechzehnten Jahre confirmirt
wurde.
Nun aber entſtand die Frage, was aus mir werden
ſolle. Waͤre es nach meinen Wuͤnſchen gegangen, ſo
haͤtte man mich zur Verfolgung wiſſenſchaftlicher Stu¬
dien auf ein Gymnaſium geſchickt; allein hieran war
nicht zu denken, denn es fehlte dazu nicht allein an
allen Mitteln, ſondern die gebieteriſche Noth meiner
Umſtaͤnde verlangte auch, mich ſehr bald in einer Lage
zu ſehen, wo ich nicht allein fuͤr mich ſelber zu ſorgen,
ſondern auch meinen duͤrftigen alten Eltern einigermaßen
zu Huͤlfe zu kommen im Stande waͤre.
Eine ſolche Lage eroͤffnete ſich mir gleich nach
meiner Confirmation, indem ein dortiger Juſtizbeamter
mir das Anerbieten machte, mich zum Schreiben und
anderen kleinen Dienſtverrichtungen zu ſich zu nehmen,
worein ich mit Freuden willigte. Ich hatte waͤhrend
der letzten anderthalb Jahre meines fleißigen Schul¬
beſuchs es dahin gebracht, nicht allein eine gute Hand
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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