Goethen ganz besonders. "Eberwein, sagte er zu mir, übertrifft sich mitunter selber." Er bat sodann noch um das Lied: Ach um deine feuchten Schwin¬ gen, welches gleichfalls die tiefsten Empfindungen an¬ zuregen geeignet war.
Nachdem die Gesellschaft gegangen, blieb ich noch einige Augenblicke mit Goethe allein. "Ich habe, sagte er, diesen Abend die Bemerkung gemacht, daß diese Lieder des Divans gar kein Verhältniß mehr zu mir haben. Sowohl was darin orientalisch als was darin leidenschaftlich ist, hat aufgehört in mir fortzuleben; es ist wie eine abgestreifte Schlangenhaut am Wege liegen geblieben. Dagegen das Lied: Um Mitternacht hat sein Verhältniß zu mir nicht verloren, es ist von mir noch ein lebendiger Theil und lebt mit mir fort."
"Es geht mir übrigens öfter mit meinen Sachen so, daß sie mir gänzlich fremd werden. Ich las dieser Tage etwas Französisches und dachte im Lesen: der Mann spricht gescheidt genug, du würdest es selbst nicht anders sagen. Und als ich es genau besehe, ist es eine übersetzte Stelle aus meinen eigenen Schriften."
Montag Abend den 15. Januar 1827.
Nach Vollendung der Helena hatte Goethe sich im vergangenen Sommer zur Fortsetzung der Wanderjahre
Goethen ganz beſonders. „Eberwein, ſagte er zu mir, uͤbertrifft ſich mitunter ſelber.“ Er bat ſodann noch um das Lied: Ach um deine feuchten Schwin¬ gen, welches gleichfalls die tiefſten Empfindungen an¬ zuregen geeignet war.
Nachdem die Geſellſchaft gegangen, blieb ich noch einige Augenblicke mit Goethe allein. „Ich habe, ſagte er, dieſen Abend die Bemerkung gemacht, daß dieſe Lieder des Divans gar kein Verhaͤltniß mehr zu mir haben. Sowohl was darin orientaliſch als was darin leidenſchaftlich iſt, hat aufgehoͤrt in mir fortzuleben; es iſt wie eine abgeſtreifte Schlangenhaut am Wege liegen geblieben. Dagegen das Lied: Um Mitternacht hat ſein Verhaͤltniß zu mir nicht verloren, es iſt von mir noch ein lebendiger Theil und lebt mit mir fort.“
„Es geht mir uͤbrigens oͤfter mit meinen Sachen ſo, daß ſie mir gaͤnzlich fremd werden. Ich las dieſer Tage etwas Franzoͤſiſches und dachte im Leſen: der Mann ſpricht geſcheidt genug, du wuͤrdeſt es ſelbſt nicht anders ſagen. Und als ich es genau beſehe, iſt es eine uͤberſetzte Stelle aus meinen eigenen Schriften.“
Montag Abend den 15. Januar 1827.
Nach Vollendung der Helena hatte Goethe ſich im vergangenen Sommer zur Fortſetzung der Wanderjahre
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Goethen ganz beſonders. „Eberwein, ſagte er zu mir,
uͤbertrifft ſich mitunter ſelber.“ Er bat ſodann noch
um das Lied: Ach um deine feuchten Schwin¬
gen, welches gleichfalls die tiefſten Empfindungen an¬
zuregen geeignet war.
Nachdem die Geſellſchaft gegangen, blieb ich noch
einige Augenblicke mit Goethe allein. „Ich habe, ſagte
er, dieſen Abend die Bemerkung gemacht, daß dieſe
Lieder des Divans gar kein Verhaͤltniß mehr zu mir
haben. Sowohl was darin orientaliſch als was darin
leidenſchaftlich iſt, hat aufgehoͤrt in mir fortzuleben; es
iſt wie eine abgeſtreifte Schlangenhaut am Wege liegen
geblieben. Dagegen das Lied: Um Mitternacht
hat ſein Verhaͤltniß zu mir nicht verloren, es iſt von
mir noch ein lebendiger Theil und lebt mit mir fort.“
„Es geht mir uͤbrigens oͤfter mit meinen Sachen
ſo, daß ſie mir gaͤnzlich fremd werden. Ich las dieſer
Tage etwas Franzoͤſiſches und dachte im Leſen: der
Mann ſpricht geſcheidt genug, du wuͤrdeſt es ſelbſt nicht
anders ſagen. Und als ich es genau beſehe, iſt es eine
uͤberſetzte Stelle aus meinen eigenen Schriften.“
Montag Abend den 15. Januar 1827.
Nach Vollendung der Helena hatte Goethe ſich im
vergangenen Sommer zur Fortſetzung der Wanderjahre
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/304>, abgerufen am 24.11.2024.
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