gar nicht loben. Es ist immer eine Art von Maskerade, die auf die Länge in keiner Hinsicht wohl thun kann, vielmehr auf den Menschen, der sich damit befaßt, einen nachtheiligen Einfluß haben muß. Denn so etwas steht im Widerspruch mit dem lebendigen Tage, in welchen wir gesetzt sind, und wie es aus einer leeren und hohlen Gesinnungs- und Denkungsweise hervorgeht, so wird es darin bestärken. Es mag wohl einer an einem lustigen Winterabend als Türke zur Maskerade gehen, allein was würden wir von einem Menschen halten, der ein ganzes Jahr sich in einer solchen Maske zeigen wollte? Wir würden von ihm denken, daß er entweder schon verrückt sey, oder daß er doch die größte Anlage habe, es sehr bald zu werden."
Wir fanden Goethe's Worte über einen so sehr ins Leben eingreifenden Gegenstand durchaus überzeugend, und da keiner der Anwesenden etwas davon als leisen Vorwurf auf sich selbst beziehen konnte, so fühlten wir ihre Wahrheit in der heitersten Stimmung.
Das Gespräch lenkte sich auf das Theater und Goethe neckte mich, daß ich am letzten Montag Abend es ihm geopfert. "Er ist nun drey Jahre hier, sagte er zu den Übrigen gewendet, und dieß ist der erste Abend, wo er mir zu Liebe im Theater gefehlt hat; ich muß ihm das hoch anrechnen. Ich hatte ihn ein¬ geladen und er hatte versprochen zu kommen, aber doch zweifelte ich, daß er Wort halten würde, besonders als
gar nicht loben. Es iſt immer eine Art von Maskerade, die auf die Laͤnge in keiner Hinſicht wohl thun kann, vielmehr auf den Menſchen, der ſich damit befaßt, einen nachtheiligen Einfluß haben muß. Denn ſo etwas ſteht im Widerſpruch mit dem lebendigen Tage, in welchen wir geſetzt ſind, und wie es aus einer leeren und hohlen Geſinnungs- und Denkungsweiſe hervorgeht, ſo wird es darin beſtaͤrken. Es mag wohl einer an einem luſtigen Winterabend als Tuͤrke zur Maskerade gehen, allein was wuͤrden wir von einem Menſchen halten, der ein ganzes Jahr ſich in einer ſolchen Maske zeigen wollte? Wir wuͤrden von ihm denken, daß er entweder ſchon verruͤckt ſey, oder daß er doch die groͤßte Anlage habe, es ſehr bald zu werden.“
Wir fanden Goethe's Worte uͤber einen ſo ſehr ins Leben eingreifenden Gegenſtand durchaus uͤberzeugend, und da keiner der Anweſenden etwas davon als leiſen Vorwurf auf ſich ſelbſt beziehen konnte, ſo fuͤhlten wir ihre Wahrheit in der heiterſten Stimmung.
Das Geſpraͤch lenkte ſich auf das Theater und Goethe neckte mich, daß ich am letzten Montag Abend es ihm geopfert. „Er iſt nun drey Jahre hier, ſagte er zu den Übrigen gewendet, und dieß iſt der erſte Abend, wo er mir zu Liebe im Theater gefehlt hat; ich muß ihm das hoch anrechnen. Ich hatte ihn ein¬ geladen und er hatte verſprochen zu kommen, aber doch zweifelte ich, daß er Wort halten wuͤrde, beſonders als
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gar nicht loben. Es iſt immer eine Art von Maskerade,
die auf die Laͤnge in keiner Hinſicht wohl thun kann,
vielmehr auf den Menſchen, der ſich damit befaßt, einen
nachtheiligen Einfluß haben muß. Denn ſo etwas
ſteht im Widerſpruch mit dem lebendigen Tage, in
welchen wir geſetzt ſind, und wie es aus einer leeren
und hohlen Geſinnungs- und Denkungsweiſe hervorgeht,
ſo wird es darin beſtaͤrken. Es mag wohl einer an
einem luſtigen Winterabend als Tuͤrke zur Maskerade
gehen, allein was wuͤrden wir von einem Menſchen
halten, der ein ganzes Jahr ſich in einer ſolchen Maske
zeigen wollte? Wir wuͤrden von ihm denken, daß er
entweder ſchon verruͤckt ſey, oder daß er doch die groͤßte
Anlage habe, es ſehr bald zu werden.“
Wir fanden Goethe's Worte uͤber einen ſo ſehr ins
Leben eingreifenden Gegenſtand durchaus uͤberzeugend,
und da keiner der Anweſenden etwas davon als leiſen
Vorwurf auf ſich ſelbſt beziehen konnte, ſo fuͤhlten wir
ihre Wahrheit in der heiterſten Stimmung.
Das Geſpraͤch lenkte ſich auf das Theater und
Goethe neckte mich, daß ich am letzten Montag Abend
es ihm geopfert. „Er iſt nun drey Jahre hier, ſagte
er zu den Übrigen gewendet, und dieß iſt der erſte
Abend, wo er mir zu Liebe im Theater gefehlt hat;
ich muß ihm das hoch anrechnen. Ich hatte ihn ein¬
geladen und er hatte verſprochen zu kommen, aber doch
zweifelte ich, daß er Wort halten wuͤrde, beſonders als
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/314>, abgerufen am 25.11.2024.
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