"Diese Art zu ändern und zu bessern, sagte Goethe, ist nun die rechte, wo man ein noch Unvollkommenes durch fortgesetzte Erfindungen zum Vollendeten steigert. Aber ein Gemachtes immer wieder neu zu machen und weiter zu treiben, wie z. B. Walter Scott mit meiner Mignon gethan, die er außer ihren übrigen Eigenheiten noch taubstumm seyn läßt; diese Art zu ändern kann ich nicht loben."
Donnerstag Abend den 1. Februar 1827.
Goethe erzählte mir von einem Besuch des Kron¬ prinzen von Preußen in Begleitung des Großherzogs. "Auch die Prinzen Carl und Wilhelm von Preußen, sagte er, waren diesen Morgen bey mir. Der Kron¬ prinz blieb mit dem Großherzog gegen drey Stunden, und es kam mancherley zur Sprache, welches mir von dem Geist, Geschmack, den Kenntnissen und der Denk¬ weise dieses jungen Fürsten eine hohe Meinung gab."
Goethe hatte einen Band der Farbenlehre vor sich liegen. "Ich bin, sagte er, Ihnen noch immer eine Antwort wegen des Phänomens der farbigen Schatten schuldig. Da dieses aber Vieles voraussetzt und mit vielem Andern zusammenhängt, so will ich Ihnen auch heute keine aus dem Ganzen herausgerissene Erklärung geben, vielmehr habe ich gedacht, daß es gut seyn würde,
„Dieſe Art zu aͤndern und zu beſſern, ſagte Goethe, iſt nun die rechte, wo man ein noch Unvollkommenes durch fortgeſetzte Erfindungen zum Vollendeten ſteigert. Aber ein Gemachtes immer wieder neu zu machen und weiter zu treiben, wie z. B. Walter Scott mit meiner Mignon gethan, die er außer ihren uͤbrigen Eigenheiten noch taubſtumm ſeyn laͤßt; dieſe Art zu aͤndern kann ich nicht loben.“
Donnerstag Abend den 1. Februar 1827.
Goethe erzaͤhlte mir von einem Beſuch des Kron¬ prinzen von Preußen in Begleitung des Großherzogs. „Auch die Prinzen Carl und Wilhelm von Preußen, ſagte er, waren dieſen Morgen bey mir. Der Kron¬ prinz blieb mit dem Großherzog gegen drey Stunden, und es kam mancherley zur Sprache, welches mir von dem Geiſt, Geſchmack, den Kenntniſſen und der Denk¬ weiſe dieſes jungen Fuͤrſten eine hohe Meinung gab.“
Goethe hatte einen Band der Farbenlehre vor ſich liegen. „Ich bin, ſagte er, Ihnen noch immer eine Antwort wegen des Phaͤnomens der farbigen Schatten ſchuldig. Da dieſes aber Vieles vorausſetzt und mit vielem Andern zuſammenhaͤngt, ſo will ich Ihnen auch heute keine aus dem Ganzen herausgeriſſene Erklaͤrung geben, vielmehr habe ich gedacht, daß es gut ſeyn wuͤrde,
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„Dieſe Art zu aͤndern und zu beſſern, ſagte Goethe,
iſt nun die rechte, wo man ein noch Unvollkommenes
durch fortgeſetzte Erfindungen zum Vollendeten ſteigert.
Aber ein Gemachtes immer wieder neu zu machen und
weiter zu treiben, wie z. B. Walter Scott mit meiner
Mignon gethan, die er außer ihren uͤbrigen Eigenheiten
noch taubſtumm ſeyn laͤßt; dieſe Art zu aͤndern kann
ich nicht loben.“
Donnerstag Abend den 1. Februar 1827.
Goethe erzaͤhlte mir von einem Beſuch des Kron¬
prinzen von Preußen in Begleitung des Großherzogs.
„Auch die Prinzen Carl und Wilhelm von Preußen,
ſagte er, waren dieſen Morgen bey mir. Der Kron¬
prinz blieb mit dem Großherzog gegen drey Stunden,
und es kam mancherley zur Sprache, welches mir von
dem Geiſt, Geſchmack, den Kenntniſſen und der Denk¬
weiſe dieſes jungen Fuͤrſten eine hohe Meinung gab.“
Goethe hatte einen Band der Farbenlehre vor ſich
liegen. „Ich bin, ſagte er, Ihnen noch immer eine
Antwort wegen des Phaͤnomens der farbigen Schatten
ſchuldig. Da dieſes aber Vieles vorausſetzt und mit
vielem Andern zuſammenhaͤngt, ſo will ich Ihnen auch
heute keine aus dem Ganzen herausgeriſſene Erklaͤrung
geben, vielmehr habe ich gedacht, daß es gut ſeyn wuͤrde,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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