Wege hereingekommen. Nun weiß ich noch recht gut, daß mir bey der Bildung der Geschlechter die Lehre zu weitläuftig wurde, als daß ich den Muth hatte, sie zu fassen. Das trieb mich an, der Sache auf eigenem Wege nachzuspüren und dasjenige zu finden, was allen Pflan¬ zen ohne Unterschied gemein wäre, und so entdeckte ich das Gesetz der Metamorphose."
"Der Botanik nun im Einzelnen weiter nachzugehen, liegt gar nicht in meinem Wege, das überlasse ich An¬ dern, die es mir auch darin weit zuvor thun. Mir lag bloß daran, die einzelnen Erscheinungen auf ein allge¬ meines Grundgesetz zurückzuführen."
"So auch hat die Mineralogie nur in einer doppel¬ ten Hinsicht Interesse für mich gehabt: zunächst nämlich ihres großen practischen Nutzens wegen, und dann um darin ein Document über die Bildung der Urwelt zu finden, wozu die Wernerische Lehre Hoffnung machte. Seit man nun aber nach des trefflichen Mannes Tode in dieser Wissenschaft das Oberste zu Unterst kehrt, gehe ich in diesem Fache öffentlich nicht weiter mit, sondern halte mich im Stillen in meiner Überzeugung fort."
"In der Farbenlehre steht mir nun noch die Ent¬ wickelung des Regenbogens bevor, woran ich zunächst gehen werde. Es ist dieses eine äußerst schwierige Auf¬ gabe, die ich jedoch zu lösen hoffe. Es ist mir aus die¬ sem Grunde lieb, jetzt mit Ihnen die Farbenlehre wieder
I. 22
Wege hereingekommen. Nun weiß ich noch recht gut, daß mir bey der Bildung der Geſchlechter die Lehre zu weitlaͤuftig wurde, als daß ich den Muth hatte, ſie zu faſſen. Das trieb mich an, der Sache auf eigenem Wege nachzuſpuͤren und dasjenige zu finden, was allen Pflan¬ zen ohne Unterſchied gemein waͤre, und ſo entdeckte ich das Geſetz der Metamorphoſe.“
„Der Botanik nun im Einzelnen weiter nachzugehen, liegt gar nicht in meinem Wege, das uͤberlaſſe ich An¬ dern, die es mir auch darin weit zuvor thun. Mir lag bloß daran, die einzelnen Erſcheinungen auf ein allge¬ meines Grundgeſetz zuruͤckzufuͤhren.“
„So auch hat die Mineralogie nur in einer doppel¬ ten Hinſicht Intereſſe fuͤr mich gehabt: zunaͤchſt naͤmlich ihres großen practiſchen Nutzens wegen, und dann um darin ein Document uͤber die Bildung der Urwelt zu finden, wozu die Werneriſche Lehre Hoffnung machte. Seit man nun aber nach des trefflichen Mannes Tode in dieſer Wiſſenſchaft das Oberſte zu Unterſt kehrt, gehe ich in dieſem Fache oͤffentlich nicht weiter mit, ſondern halte mich im Stillen in meiner Überzeugung fort.“
„In der Farbenlehre ſteht mir nun noch die Ent¬ wickelung des Regenbogens bevor, woran ich zunaͤchſt gehen werde. Es iſt dieſes eine aͤußerſt ſchwierige Auf¬ gabe, die ich jedoch zu loͤſen hoffe. Es iſt mir aus die¬ ſem Grunde lieb, jetzt mit Ihnen die Farbenlehre wieder
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Wege hereingekommen. Nun weiß ich noch recht gut,
daß mir bey der Bildung der Geſchlechter die Lehre zu
weitlaͤuftig wurde, als daß ich den Muth hatte, ſie zu
faſſen. Das trieb mich an, der Sache auf eigenem Wege
nachzuſpuͤren und dasjenige zu finden, was allen Pflan¬
zen ohne Unterſchied gemein waͤre, und ſo entdeckte ich
das Geſetz der Metamorphoſe.“
„Der Botanik nun im Einzelnen weiter nachzugehen,
liegt gar nicht in meinem Wege, das uͤberlaſſe ich An¬
dern, die es mir auch darin weit zuvor thun. Mir lag
bloß daran, die einzelnen Erſcheinungen auf ein allge¬
meines Grundgeſetz zuruͤckzufuͤhren.“
„So auch hat die Mineralogie nur in einer doppel¬
ten Hinſicht Intereſſe fuͤr mich gehabt: zunaͤchſt naͤmlich
ihres großen practiſchen Nutzens wegen, und dann um
darin ein Document uͤber die Bildung der Urwelt zu
finden, wozu die Werneriſche Lehre Hoffnung machte.
Seit man nun aber nach des trefflichen Mannes Tode
in dieſer Wiſſenſchaft das Oberſte zu Unterſt kehrt, gehe
ich in dieſem Fache oͤffentlich nicht weiter mit, ſondern
halte mich im Stillen in meiner Überzeugung fort.“
„In der Farbenlehre ſteht mir nun noch die Ent¬
wickelung des Regenbogens bevor, woran ich zunaͤchſt
gehen werde. Es iſt dieſes eine aͤußerſt ſchwierige Auf¬
gabe, die ich jedoch zu loͤſen hoffe. Es iſt mir aus die¬
ſem Grunde lieb, jetzt mit Ihnen die Farbenlehre wieder
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/357>, abgerufen am 22.11.2024.
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