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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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Ich fragte nach Lessing, ob auch dieser in den Brie¬
fen vorkomme. "Nein, sagte Goethe, aber Herder und
Wieland."

"Herdern war es nicht wohl bey diesen Verbindun¬
gen; er stand zu hoch als daß ihm das hohle Wesen
auf die Länge nicht hätte lästig werden sollen, so wie
auch Hamann diese Leute mit überlegenem Geiste be¬
handelte."

"Wieland, wie immer, erscheint auch in diesen
Briefen durchaus heiter und wie zu Hause. An keiner
besonderen Meinung hängend, war er gewandt genug,
um in alles einzugehen. Er war einem Rohre ähnlich,
das der Wind der Meinungen hin und her bewegte,
das aber auf seinem Wurzelchen immer feste blieb."

"Mein persönliches Verhältniß zu Wieland war
immer sehr gut, besonders in der früheren Zeit, wo er
mir allein gehörte. Seine kleinen Erzählungen hat er
auf meine Anregung geschrieben. Als aber Herder nach
Weimar kam, wurde Wieland mir ungetreu; Herder
nahm ihn mir weg, denn dieses Mannes persönliche
Anziehungskraft war sehr groß."

Der Wagen wendete sich zum Rückwege. Wir sa¬
hen gegen Osten vielfaches Regengewölk, das sich in
einander schob. Diese Wolken, sagte ich, sind doch so
weit gebildet, daß sie jeden Augenblick als Regen nieder¬
zugehen drohen. Wäre es möglich, daß sie sich wieder
auflösten, wenn das Barometer stiege? "Ja, sagte

Ich fragte nach Leſſing, ob auch dieſer in den Brie¬
fen vorkomme. „Nein, ſagte Goethe, aber Herder und
Wieland.“

„Herdern war es nicht wohl bey dieſen Verbindun¬
gen; er ſtand zu hoch als daß ihm das hohle Weſen
auf die Laͤnge nicht haͤtte laͤſtig werden ſollen, ſo wie
auch Hamann dieſe Leute mit uͤberlegenem Geiſte be¬
handelte.“

„Wieland, wie immer, erſcheint auch in dieſen
Briefen durchaus heiter und wie zu Hauſe. An keiner
beſonderen Meinung haͤngend, war er gewandt genug,
um in alles einzugehen. Er war einem Rohre aͤhnlich,
das der Wind der Meinungen hin und her bewegte,
das aber auf ſeinem Wurzelchen immer feſte blieb.“

„Mein perſoͤnliches Verhaͤltniß zu Wieland war
immer ſehr gut, beſonders in der fruͤheren Zeit, wo er
mir allein gehoͤrte. Seine kleinen Erzaͤhlungen hat er
auf meine Anregung geſchrieben. Als aber Herder nach
Weimar kam, wurde Wieland mir ungetreu; Herder
nahm ihn mir weg, denn dieſes Mannes perſoͤnliche
Anziehungskraft war ſehr groß.“

Der Wagen wendete ſich zum Ruͤckwege. Wir ſa¬
hen gegen Oſten vielfaches Regengewoͤlk, das ſich in
einander ſchob. Dieſe Wolken, ſagte ich, ſind doch ſo
weit gebildet, daß ſie jeden Augenblick als Regen nieder¬
zugehen drohen. Waͤre es moͤglich, daß ſie ſich wieder
aufloͤſten, wenn das Barometer ſtiege? „Ja, ſagte

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[344/0364] Ich fragte nach Leſſing, ob auch dieſer in den Brie¬ fen vorkomme. „Nein, ſagte Goethe, aber Herder und Wieland.“ „Herdern war es nicht wohl bey dieſen Verbindun¬ gen; er ſtand zu hoch als daß ihm das hohle Weſen auf die Laͤnge nicht haͤtte laͤſtig werden ſollen, ſo wie auch Hamann dieſe Leute mit uͤberlegenem Geiſte be¬ handelte.“ „Wieland, wie immer, erſcheint auch in dieſen Briefen durchaus heiter und wie zu Hauſe. An keiner beſonderen Meinung haͤngend, war er gewandt genug, um in alles einzugehen. Er war einem Rohre aͤhnlich, das der Wind der Meinungen hin und her bewegte, das aber auf ſeinem Wurzelchen immer feſte blieb.“ „Mein perſoͤnliches Verhaͤltniß zu Wieland war immer ſehr gut, beſonders in der fruͤheren Zeit, wo er mir allein gehoͤrte. Seine kleinen Erzaͤhlungen hat er auf meine Anregung geſchrieben. Als aber Herder nach Weimar kam, wurde Wieland mir ungetreu; Herder nahm ihn mir weg, denn dieſes Mannes perſoͤnliche Anziehungskraft war ſehr groß.“ Der Wagen wendete ſich zum Ruͤckwege. Wir ſa¬ hen gegen Oſten vielfaches Regengewoͤlk, das ſich in einander ſchob. Dieſe Wolken, ſagte ich, ſind doch ſo weit gebildet, daß ſie jeden Augenblick als Regen nieder¬ zugehen drohen. Waͤre es moͤglich, daß ſie ſich wieder aufloͤſten, wenn das Barometer ſtiege? „Ja, ſagte

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/364>, abgerufen am 22.11.2024.