viel über Goethe. Besonders aber wiederholten wir uns gerne jenes Wort, daß eine Opposition ohne Einschrän¬ kung platt werde.
Sonntag den 15. July 1827.
Ich ging diesen Abend nach acht Uhr zu Goethe, den ich so eben aus seinem Garten zurückgekehrt fand. "Sehen Sie nur, was da liegt! sagte er; ein Roman in drey Bänden und zwar von wem? von Manzoni!" Ich betrachtete die Bücher, die sehr schön eingebunden waren und eine Inschrift an Goethe enthielten. Man¬ zoni ist fleißig, sagte ich. "Ja das regt sich", sagte Goethe. Ich kenne nichts von Manzoni, sagte ich, als seine Ode auf Napoleon, die ich dieser Tage in Ihrer Übersetzung abermals gelesen und im hohen Grade bewundert habe. Jede Strophe ist ein Bild! -- "Sie haben Recht, sagte Goethe, die Ode ist vortrefflich. Aber finden Sie, daß in Deutschland einer davon redet? Es ist so gut, als ob sie gar nicht da wäre, und doch ist sie das beste Gedicht, was über diesen Gegenstand gemacht worden."
Goethe fuhr fort, die englischen Zeitungen zu lesen, in welcher Beschäftigung ich ihn beim Hereintreten ge¬ funden. Ich nahm einen Band von Carlyle's Über¬
24 *
viel uͤber Goethe. Beſonders aber wiederholten wir uns gerne jenes Wort, daß eine Oppoſition ohne Einſchraͤn¬ kung platt werde.
Sonntag den 15. July 1827.
Ich ging dieſen Abend nach acht Uhr zu Goethe, den ich ſo eben aus ſeinem Garten zuruͤckgekehrt fand. „Sehen Sie nur, was da liegt! ſagte er; ein Roman in drey Baͤnden und zwar von wem? von Manzoni!“ Ich betrachtete die Buͤcher, die ſehr ſchoͤn eingebunden waren und eine Inſchrift an Goethe enthielten. Man¬ zoni iſt fleißig, ſagte ich. „Ja das regt ſich“, ſagte Goethe. Ich kenne nichts von Manzoni, ſagte ich, als ſeine Ode auf Napoleon, die ich dieſer Tage in Ihrer Überſetzung abermals geleſen und im hohen Grade bewundert habe. Jede Strophe iſt ein Bild! — „Sie haben Recht, ſagte Goethe, die Ode iſt vortrefflich. Aber finden Sie, daß in Deutſchland einer davon redet? Es iſt ſo gut, als ob ſie gar nicht da waͤre, und doch iſt ſie das beſte Gedicht, was uͤber dieſen Gegenſtand gemacht worden.“
Goethe fuhr fort, die engliſchen Zeitungen zu leſen, in welcher Beſchaͤftigung ich ihn beim Hereintreten ge¬ funden. Ich nahm einen Band von Carlyle's Über¬
24 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0391"n="371"/>
viel uͤber Goethe. Beſonders aber wiederholten wir uns<lb/>
gerne jenes Wort, daß eine Oppoſition ohne Einſchraͤn¬<lb/>
kung platt werde.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="2"><datelinerendition="#right">Sonntag den 15. July 1827.<lb/></dateline><p>Ich ging dieſen Abend nach acht Uhr zu Goethe,<lb/>
den ich ſo eben aus ſeinem Garten zuruͤckgekehrt fand.<lb/>„Sehen Sie nur, was da liegt! ſagte er; ein Roman<lb/>
in drey Baͤnden und zwar von wem? von <hirendition="#g">Manzoni</hi>!“<lb/>
Ich betrachtete die Buͤcher, die ſehr ſchoͤn eingebunden<lb/>
waren und eine Inſchrift an Goethe enthielten. Man¬<lb/>
zoni iſt fleißig, ſagte ich. „Ja das regt ſich“, ſagte Goethe.<lb/>
Ich kenne nichts von Manzoni, ſagte ich, als ſeine Ode<lb/>
auf Napoleon, die ich dieſer Tage in Ihrer Überſetzung<lb/>
abermals geleſen und im hohen Grade bewundert habe.<lb/>
Jede Strophe iſt ein Bild! —„Sie haben Recht,<lb/>ſagte Goethe, die Ode iſt vortrefflich. Aber finden Sie,<lb/>
daß in Deutſchland einer davon redet? Es iſt ſo gut,<lb/>
als ob ſie gar nicht da waͤre, und doch iſt ſie das<lb/>
beſte Gedicht, was uͤber dieſen Gegenſtand gemacht<lb/>
worden.“</p><lb/><p>Goethe fuhr fort, die engliſchen Zeitungen zu leſen,<lb/>
in welcher Beſchaͤftigung ich ihn beim Hereintreten ge¬<lb/>
funden. Ich nahm einen Band von Carlyle's Über¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">24 *<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[371/0391]
viel uͤber Goethe. Beſonders aber wiederholten wir uns
gerne jenes Wort, daß eine Oppoſition ohne Einſchraͤn¬
kung platt werde.
Sonntag den 15. July 1827.
Ich ging dieſen Abend nach acht Uhr zu Goethe,
den ich ſo eben aus ſeinem Garten zuruͤckgekehrt fand.
„Sehen Sie nur, was da liegt! ſagte er; ein Roman
in drey Baͤnden und zwar von wem? von Manzoni!“
Ich betrachtete die Buͤcher, die ſehr ſchoͤn eingebunden
waren und eine Inſchrift an Goethe enthielten. Man¬
zoni iſt fleißig, ſagte ich. „Ja das regt ſich“, ſagte Goethe.
Ich kenne nichts von Manzoni, ſagte ich, als ſeine Ode
auf Napoleon, die ich dieſer Tage in Ihrer Überſetzung
abermals geleſen und im hohen Grade bewundert habe.
Jede Strophe iſt ein Bild! — „Sie haben Recht,
ſagte Goethe, die Ode iſt vortrefflich. Aber finden Sie,
daß in Deutſchland einer davon redet? Es iſt ſo gut,
als ob ſie gar nicht da waͤre, und doch iſt ſie das
beſte Gedicht, was uͤber dieſen Gegenſtand gemacht
worden.“
Goethe fuhr fort, die engliſchen Zeitungen zu leſen,
in welcher Beſchaͤftigung ich ihn beim Hereintreten ge¬
funden. Ich nahm einen Band von Carlyle's Über¬
24 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/391>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.