setzung deutscher Romane in die Hände und zwar den Theil, welcher Musäus und Fouque enthielt. Der mit unserer Literatur sehr vertraute Engländer hatte den übersetzten Werken selbst immer eine Einleitung, das Leben und eine Critik des Dichters enthaltend, voran¬ gehen lassen. Ich las die Einleitung zu Fouque und konnte zu meiner Freude die Bemerkung machen, daß das Leben mit Geist und vieler Gründlichkeit geschrieben und der critische Standpunct, aus welchem dieser beliebte Schriftsteller zu betrachten, mit großem Verstand und vieler ruhiger milder Einsicht in poetische Verdienste be¬ zeichnet war. Bald vergleicht der geistreiche Engländer unsern Fouque mit der Stimme eines Sängers, die zwar keinen großen Umfang habe und nur wenige Töne enthalte, aber die wenigen gut und vom schönsten Wohl¬ klange. Dann, um seine Meinung ferner auszudrücken, nimmt er ein Gleichniß aus kirchlichen Verhältnissen her, indem er sagt, daß Fouque an der poetischen Kirche zwar nicht die Stelle eines Bischofs oder eines andern Geistlichen vom ersten Range bekleide, vielmehr mit den Functionen eines Caplans sich begnüge, in diesem mitt¬ leren Amte aber sich sehr wohl ausnehme.
Während ich dieses gelesen, hatte Goethe sich in seine hinteren Zimmer zurückgezogen. Er sendete mir seinen Bedienten mit der Einladung, ein wenig nach¬ zukommen, welches ich that. "Setzen Sie sich noch ein wenig zu mir, sagte er, daß wir noch einige Worte
ſetzung deutſcher Romane in die Haͤnde und zwar den Theil, welcher Muſaͤus und Fouqué enthielt. Der mit unſerer Literatur ſehr vertraute Englaͤnder hatte den uͤberſetzten Werken ſelbſt immer eine Einleitung, das Leben und eine Critik des Dichters enthaltend, voran¬ gehen laſſen. Ich las die Einleitung zu Fouqué und konnte zu meiner Freude die Bemerkung machen, daß das Leben mit Geiſt und vieler Gruͤndlichkeit geſchrieben und der critiſche Standpunct, aus welchem dieſer beliebte Schriftſteller zu betrachten, mit großem Verſtand und vieler ruhiger milder Einſicht in poetiſche Verdienſte be¬ zeichnet war. Bald vergleicht der geiſtreiche Englaͤnder unſern Fouqué mit der Stimme eines Saͤngers, die zwar keinen großen Umfang habe und nur wenige Toͤne enthalte, aber die wenigen gut und vom ſchoͤnſten Wohl¬ klange. Dann, um ſeine Meinung ferner auszudruͤcken, nimmt er ein Gleichniß aus kirchlichen Verhaͤltniſſen her, indem er ſagt, daß Fouqué an der poetiſchen Kirche zwar nicht die Stelle eines Biſchofs oder eines andern Geiſtlichen vom erſten Range bekleide, vielmehr mit den Functionen eines Caplans ſich begnuͤge, in dieſem mitt¬ leren Amte aber ſich ſehr wohl ausnehme.
Waͤhrend ich dieſes geleſen, hatte Goethe ſich in ſeine hinteren Zimmer zuruͤckgezogen. Er ſendete mir ſeinen Bedienten mit der Einladung, ein wenig nach¬ zukommen, welches ich that. „Setzen Sie ſich noch ein wenig zu mir, ſagte er, daß wir noch einige Worte
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ſetzung deutſcher Romane in die Haͤnde und zwar den
Theil, welcher Muſaͤus und Fouqué enthielt. Der mit
unſerer Literatur ſehr vertraute Englaͤnder hatte den
uͤberſetzten Werken ſelbſt immer eine Einleitung, das
Leben und eine Critik des Dichters enthaltend, voran¬
gehen laſſen. Ich las die Einleitung zu Fouqué und
konnte zu meiner Freude die Bemerkung machen, daß
das Leben mit Geiſt und vieler Gruͤndlichkeit geſchrieben
und der critiſche Standpunct, aus welchem dieſer beliebte
Schriftſteller zu betrachten, mit großem Verſtand und
vieler ruhiger milder Einſicht in poetiſche Verdienſte be¬
zeichnet war. Bald vergleicht der geiſtreiche Englaͤnder
unſern Fouqué mit der Stimme eines Saͤngers, die
zwar keinen großen Umfang habe und nur wenige Toͤne
enthalte, aber die wenigen gut und vom ſchoͤnſten Wohl¬
klange. Dann, um ſeine Meinung ferner auszudruͤcken,
nimmt er ein Gleichniß aus kirchlichen Verhaͤltniſſen
her, indem er ſagt, daß Fouqué an der poetiſchen Kirche
zwar nicht die Stelle eines Biſchofs oder eines andern
Geiſtlichen vom erſten Range bekleide, vielmehr mit den
Functionen eines Caplans ſich begnuͤge, in dieſem mitt¬
leren Amte aber ſich ſehr wohl ausnehme.
Waͤhrend ich dieſes geleſen, hatte Goethe ſich in
ſeine hinteren Zimmer zuruͤckgezogen. Er ſendete mir
ſeinen Bedienten mit der Einladung, ein wenig nach¬
zukommen, welches ich that. „Setzen Sie ſich noch
ein wenig zu mir, ſagte er, daß wir noch einige Worte
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/392>, abgerufen am 22.11.2024.
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