werden. Z. B. in den Galeerensclaven und im Freyschütz; ja in der Scene der Wolfsschlucht bleibt es nicht einmal bey der Angst, sondern es erfolgt eine totale Vernichtung in Allen die es sehen."
"Von dieser Angst nun macht Manzoni Gebrauch und zwar mit wunderbarem Glück, indem er sie in Rührung auflöset und uns durch diese Empfindung zur Bewunderung führt. Das Gefühl der Angst ist stoffartig, und wird in jedem Leser entstehen, die Be¬ wunderung aber entspringt aus der Einsicht, wie vor¬ trefflich der Autor sich in jedem Falle benahm und nur der Kenner wird mit dieser Empfindung beglückt wer¬ den. Was sagen Sie zu dieser Ästhetik? -- Wäre ich jünger, so würde ich nach dieser Theorie etwas schreiben, wenn auch nicht ein Werk von solchem Umfange, wie dieses von Manzoni."
"Ich bin nun wirklich sehr begierig, was die Her¬ ren vom Globe zu diesem Roman sagen werden; sie sind gescheidt genug, um das Vortreffliche daran zu er¬ kennen; auch ist die ganze Tendenz des Werkes ein rech¬ tes Wasser auf die Mühle dieser Liberalen, wiewohl sich Manzoni sehr mäßig gehalten hat. Doch nehmen die Franzosen selten ein Werk mit so reiner Neigung auf wie wir; sie bequemen sich nicht gerne zu dem Standpuncte des Autors, sondern sie finden, selbst bey dem Besten, immer leicht etwas, das nicht nach ihrem Sinne ist und das der Autor hätte sollen anders machen."
werden. Z. B. in den Galeerenſclaven und im Freyſchuͤtz; ja in der Scene der Wolfsſchlucht bleibt es nicht einmal bey der Angſt, ſondern es erfolgt eine totale Vernichtung in Allen die es ſehen.“
„Von dieſer Angſt nun macht Manzoni Gebrauch und zwar mit wunderbarem Gluͤck, indem er ſie in Ruͤhrung aufloͤſet und uns durch dieſe Empfindung zur Bewunderung fuͤhrt. Das Gefuͤhl der Angſt iſt ſtoffartig, und wird in jedem Leſer entſtehen, die Be¬ wunderung aber entſpringt aus der Einſicht, wie vor¬ trefflich der Autor ſich in jedem Falle benahm und nur der Kenner wird mit dieſer Empfindung begluͤckt wer¬ den. Was ſagen Sie zu dieſer Äſthetik? — Waͤre ich juͤnger, ſo wuͤrde ich nach dieſer Theorie etwas ſchreiben, wenn auch nicht ein Werk von ſolchem Umfange, wie dieſes von Manzoni.“
„Ich bin nun wirklich ſehr begierig, was die Her¬ ren vom Globe zu dieſem Roman ſagen werden; ſie ſind geſcheidt genug, um das Vortreffliche daran zu er¬ kennen; auch iſt die ganze Tendenz des Werkes ein rech¬ tes Waſſer auf die Muͤhle dieſer Liberalen, wiewohl ſich Manzoni ſehr maͤßig gehalten hat. Doch nehmen die Franzoſen ſelten ein Werk mit ſo reiner Neigung auf wie wir; ſie bequemen ſich nicht gerne zu dem Standpuncte des Autors, ſondern ſie finden, ſelbſt bey dem Beſten, immer leicht etwas, das nicht nach ihrem Sinne iſt und das der Autor haͤtte ſollen anders machen.“
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werden. Z. B. in den Galeerenſclaven und im
Freyſchuͤtz; ja in der Scene der Wolfsſchlucht bleibt
es nicht einmal bey der Angſt, ſondern es erfolgt eine
totale Vernichtung in Allen die es ſehen.“
„Von dieſer Angſt nun macht Manzoni Gebrauch
und zwar mit wunderbarem Gluͤck, indem er ſie in
Ruͤhrung aufloͤſet und uns durch dieſe Empfindung
zur Bewunderung fuͤhrt. Das Gefuͤhl der Angſt iſt
ſtoffartig, und wird in jedem Leſer entſtehen, die Be¬
wunderung aber entſpringt aus der Einſicht, wie vor¬
trefflich der Autor ſich in jedem Falle benahm und nur
der Kenner wird mit dieſer Empfindung begluͤckt wer¬
den. Was ſagen Sie zu dieſer Äſthetik? — Waͤre ich
juͤnger, ſo wuͤrde ich nach dieſer Theorie etwas ſchreiben,
wenn auch nicht ein Werk von ſolchem Umfange, wie
dieſes von Manzoni.“
„Ich bin nun wirklich ſehr begierig, was die Her¬
ren vom Globe zu dieſem Roman ſagen werden; ſie
ſind geſcheidt genug, um das Vortreffliche daran zu er¬
kennen; auch iſt die ganze Tendenz des Werkes ein rech¬
tes Waſſer auf die Muͤhle dieſer Liberalen, wiewohl
ſich Manzoni ſehr maͤßig gehalten hat. Doch nehmen
die Franzoſen ſelten ein Werk mit ſo reiner Neigung
auf wie wir; ſie bequemen ſich nicht gerne zu dem
Standpuncte des Autors, ſondern ſie finden, ſelbſt bey
dem Beſten, immer leicht etwas, das nicht nach ihrem
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/397>, abgerufen am 22.11.2024.
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