Nachher wurde der Theaterzettel gebracht, die Schach¬ maschine sollte gegeben werden. Das Stück war mir unbekannt, meine Wirthin aber ergoß sich darüber in ein solches Lob, daß ein großes Verlangen sich meiner bemächtigte es zu sehen. Überdieß befand ich mich den Tag über nicht zum besten, und es ward mir immer mehr, als passe ich besser in eine lustige Comödie als in eine so gute Gesellschaft.
Gegen Abend eine Stunde vor dem Theater ging ich zu Goethe. Es war im Hause schon alles lebendig; ich hörte im Vorbeygehen in dem größeren Zimmer den Flügel stimmen, als Vorbereitung zu der musikalischen Unterhaltung.
Ich traf Goethe in seinem Zimmer allein, er war bereits festlich angezogen, ich schien ihm gelegen. "Nun bleiben Sie gleich hier, sagte er, wir wollen uns so lange unterhalten, bis die Übrigen auch kommen." Ich dachte, da kommst du doch nicht los, da wirst du doch bleiben müssen; es ist dir zwar jetzt mit Goethen allein sehr angenehm, doch wenn erst die vielen fremden Her¬ ren und Damen erscheinen, da wirst du dich nicht in deinem Elemente fühlen.
Ich ging mit Goethe im Zimmer auf und ab. Es dauerte nicht lange, so war das Theater der Gegenstand unseres Gesprächs und ich hatte Gelegenheit zu wieder¬ holen, daß es mir die Quelle eines immer neuen Ver¬ gnügens sey, zumal da ich in früherer Zeit so gut wie
Nachher wurde der Theaterzettel gebracht, die Schach¬ maſchine ſollte gegeben werden. Das Stuͤck war mir unbekannt, meine Wirthin aber ergoß ſich daruͤber in ein ſolches Lob, daß ein großes Verlangen ſich meiner bemaͤchtigte es zu ſehen. Überdieß befand ich mich den Tag uͤber nicht zum beſten, und es ward mir immer mehr, als paſſe ich beſſer in eine luſtige Comoͤdie als in eine ſo gute Geſellſchaft.
Gegen Abend eine Stunde vor dem Theater ging ich zu Goethe. Es war im Hauſe ſchon alles lebendig; ich hoͤrte im Vorbeygehen in dem groͤßeren Zimmer den Fluͤgel ſtimmen, als Vorbereitung zu der muſikaliſchen Unterhaltung.
Ich traf Goethe in ſeinem Zimmer allein, er war bereits feſtlich angezogen, ich ſchien ihm gelegen. „Nun bleiben Sie gleich hier, ſagte er, wir wollen uns ſo lange unterhalten, bis die Übrigen auch kommen.“ Ich dachte, da kommſt du doch nicht los, da wirſt du doch bleiben muͤſſen; es iſt dir zwar jetzt mit Goethen allein ſehr angenehm, doch wenn erſt die vielen fremden Her¬ ren und Damen erſcheinen, da wirſt du dich nicht in deinem Elemente fuͤhlen.
Ich ging mit Goethe im Zimmer auf und ab. Es dauerte nicht lange, ſo war das Theater der Gegenſtand unſeres Geſpraͤchs und ich hatte Gelegenheit zu wieder¬ holen, daß es mir die Quelle eines immer neuen Ver¬ gnuͤgens ſey, zumal da ich in fruͤherer Zeit ſo gut wie
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Nachher wurde der Theaterzettel gebracht, die Schach¬
maſchine ſollte gegeben werden. Das Stuͤck war mir
unbekannt, meine Wirthin aber ergoß ſich daruͤber in
ein ſolches Lob, daß ein großes Verlangen ſich meiner
bemaͤchtigte es zu ſehen. Überdieß befand ich mich den
Tag uͤber nicht zum beſten, und es ward mir immer
mehr, als paſſe ich beſſer in eine luſtige Comoͤdie als
in eine ſo gute Geſellſchaft.
Gegen Abend eine Stunde vor dem Theater ging
ich zu Goethe. Es war im Hauſe ſchon alles lebendig;
ich hoͤrte im Vorbeygehen in dem groͤßeren Zimmer den
Fluͤgel ſtimmen, als Vorbereitung zu der muſikaliſchen
Unterhaltung.
Ich traf Goethe in ſeinem Zimmer allein, er war
bereits feſtlich angezogen, ich ſchien ihm gelegen. „Nun
bleiben Sie gleich hier, ſagte er, wir wollen uns ſo
lange unterhalten, bis die Übrigen auch kommen.“ Ich
dachte, da kommſt du doch nicht los, da wirſt du doch
bleiben muͤſſen; es iſt dir zwar jetzt mit Goethen allein
ſehr angenehm, doch wenn erſt die vielen fremden Her¬
ren und Damen erſcheinen, da wirſt du dich nicht in
deinem Elemente fuͤhlen.
Ich ging mit Goethe im Zimmer auf und ab. Es
dauerte nicht lange, ſo war das Theater der Gegenſtand
unſeres Geſpraͤchs und ich hatte Gelegenheit zu wieder¬
holen, daß es mir die Quelle eines immer neuen Ver¬
gnuͤgens ſey, zumal da ich in fruͤherer Zeit ſo gut wie
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/89>, abgerufen am 21.11.2024.
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