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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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diesen Sommer in Marienbad kennen gelernt und daß
sie nun gekommen, ihn zu besuchen.

Mittags communicirte mir Goethe ein kleines Manu¬
script: Studien von Zauper, worin ich sehr treffende
Bemerkungen fand. Ich sendete ihm dagegen einige Ge¬
dichte, die ich diesen Sommer in Jena gemacht und
wovon ich ihm gesagt hatte.


Diesen Abend zur Zeit des Lichtanzündens ging ich
zu Goethe. Ich fand ihn sehr frischen aufgeweckten
Geistes, seine Augen funkelten im Wiederschein des
Lichtes, sein ganzer Ausdruck war Heiterkeit, Kraft und
Jugend.

Er fing sogleich von den Gedichten, die ich ihm
gestern zugeschickt, zu reden an, indem er mit mir in
seinem Zimmer auf und ab ging.

"Ich begreife jetzt, begann er, wie Sie in Jena
gegen mich äußern konnten, Sie wollten ein Gedicht
über die Jahreszeiten machen. Ich rathe jetzt dazu;
fangen Sie gleich mit dem Winter an. Sie scheinen
für natürliche Gegenstände besondern Sinn und Blick
zu haben."

"Nur zwey Worte will ich Ihnen über die Gedichte
sagen. Sie stehen jetzt auf dem Punkt, wo Sie noth¬

dieſen Sommer in Marienbad kennen gelernt und daß
ſie nun gekommen, ihn zu beſuchen.

Mittags communicirte mir Goethe ein kleines Manu¬
ſcript: Studien von Zauper, worin ich ſehr treffende
Bemerkungen fand. Ich ſendete ihm dagegen einige Ge¬
dichte, die ich dieſen Sommer in Jena gemacht und
wovon ich ihm geſagt hatte.


Dieſen Abend zur Zeit des Lichtanzuͤndens ging ich
zu Goethe. Ich fand ihn ſehr friſchen aufgeweckten
Geiſtes, ſeine Augen funkelten im Wiederſchein des
Lichtes, ſein ganzer Ausdruck war Heiterkeit, Kraft und
Jugend.

Er fing ſogleich von den Gedichten, die ich ihm
geſtern zugeſchickt, zu reden an, indem er mit mir in
ſeinem Zimmer auf und ab ging.

„Ich begreife jetzt, begann er, wie Sie in Jena
gegen mich aͤußern konnten, Sie wollten ein Gedicht
uͤber die Jahreszeiten machen. Ich rathe jetzt dazu;
fangen Sie gleich mit dem Winter an. Sie ſcheinen
fuͤr natuͤrliche Gegenſtaͤnde beſondern Sinn und Blick
zu haben.“

„Nur zwey Worte will ich Ihnen uͤber die Gedichte
ſagen. Sie ſtehen jetzt auf dem Punkt, wo Sie noth¬

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[73/0093] dieſen Sommer in Marienbad kennen gelernt und daß ſie nun gekommen, ihn zu beſuchen. Mittags communicirte mir Goethe ein kleines Manu¬ ſcript: Studien von Zauper, worin ich ſehr treffende Bemerkungen fand. Ich ſendete ihm dagegen einige Ge¬ dichte, die ich dieſen Sommer in Jena gemacht und wovon ich ihm geſagt hatte. Mittwoch den 29. October 1823. Dieſen Abend zur Zeit des Lichtanzuͤndens ging ich zu Goethe. Ich fand ihn ſehr friſchen aufgeweckten Geiſtes, ſeine Augen funkelten im Wiederſchein des Lichtes, ſein ganzer Ausdruck war Heiterkeit, Kraft und Jugend. Er fing ſogleich von den Gedichten, die ich ihm geſtern zugeſchickt, zu reden an, indem er mit mir in ſeinem Zimmer auf und ab ging. „Ich begreife jetzt, begann er, wie Sie in Jena gegen mich aͤußern konnten, Sie wollten ein Gedicht uͤber die Jahreszeiten machen. Ich rathe jetzt dazu; fangen Sie gleich mit dem Winter an. Sie ſcheinen fuͤr natuͤrliche Gegenſtaͤnde beſondern Sinn und Blick zu haben.“ „Nur zwey Worte will ich Ihnen uͤber die Gedichte ſagen. Sie ſtehen jetzt auf dem Punkt, wo Sie noth¬

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/93>, abgerufen am 21.11.2024.