Es ist ja in dieser Ballade bloß das Gefühl des Was¬ sers ausgedrückt, das Anmuthige, was uns im Sommer lockt, uns zu baden; weiter liegt nichts darin, und wie läßt sich das malen!"
Ich erwähnte ferner, daß ich mich freue, wie er auf jener Reise an Allem Interesse genommen und Alles aufgefaßt habe: Gestalt und Lage der Gebirge und ihre Steinarten; Boden, Flüsse, Wolken, Luft, Wind und Wetter; dann Städte und ihre Entstehung und successive Bildung; Baukunst, Malerey, Theater; Städtische Ein¬ richtung und Verwaltung; Gewerbe, Oeconomie, Stra¬ ßenbau; Menschenrace, Lebensart, Eigenheiten; dann wieder Politik und Kriegsangelegenheiten, und so noch hundert andere Dinge.
Goethe antwortete: "Aber Sie finden kein Wort über Musik, und zwar deßwegen nicht, weil das nicht in meinem Kreise lag. Jeder muß wissen, worauf er bey einer Reise zu sehen hat und was seine Sache ist."
Der Herr Canzler trat herein. Er sprach Einiges mit Goethe und äußerte sich dann gegen mich sehr wohl¬ wollend und mit vieler Einsicht über eine kleine Schrift, die er in diesen Tagen gelesen. Er ging dann bald wieder zu den Damen hinüber, wo, wie ich hörte, der Flügel gespielt wurde.
Als er gegangen war, sprach Goethe sehr gut über ihn und sagte dann: "Alle diese vortrefflichen Menschen, zu denen Sie nun ein angenehmes Verhältniß haben,
Es iſt ja in dieſer Ballade bloß das Gefuͤhl des Waſ¬ ſers ausgedruͤckt, das Anmuthige, was uns im Sommer lockt, uns zu baden; weiter liegt nichts darin, und wie laͤßt ſich das malen!“
Ich erwaͤhnte ferner, daß ich mich freue, wie er auf jener Reiſe an Allem Intereſſe genommen und Alles aufgefaßt habe: Geſtalt und Lage der Gebirge und ihre Steinarten; Boden, Fluͤſſe, Wolken, Luft, Wind und Wetter; dann Staͤdte und ihre Entſtehung und ſucceſſive Bildung; Baukunſt, Malerey, Theater; Staͤdtiſche Ein¬ richtung und Verwaltung; Gewerbe, Oeconomie, Stra¬ ßenbau; Menſchenraçe, Lebensart, Eigenheiten; dann wieder Politik und Kriegsangelegenheiten, und ſo noch hundert andere Dinge.
Goethe antwortete: „Aber Sie finden kein Wort uͤber Muſik, und zwar deßwegen nicht, weil das nicht in meinem Kreiſe lag. Jeder muß wiſſen, worauf er bey einer Reiſe zu ſehen hat und was ſeine Sache iſt.“
Der Herr Canzler trat herein. Er ſprach Einiges mit Goethe und aͤußerte ſich dann gegen mich ſehr wohl¬ wollend und mit vieler Einſicht uͤber eine kleine Schrift, die er in dieſen Tagen geleſen. Er ging dann bald wieder zu den Damen hinuͤber, wo, wie ich hoͤrte, der Fluͤgel geſpielt wurde.
Als er gegangen war, ſprach Goethe ſehr gut uͤber ihn und ſagte dann: „Alle dieſe vortrefflichen Menſchen, zu denen Sie nun ein angenehmes Verhaͤltniß haben,
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Es iſt ja in dieſer Ballade bloß das Gefuͤhl des Waſ¬
ſers ausgedruͤckt, das Anmuthige, was uns im Sommer
lockt, uns zu baden; weiter liegt nichts darin, und wie
laͤßt ſich das malen!“
Ich erwaͤhnte ferner, daß ich mich freue, wie er auf
jener Reiſe an Allem Intereſſe genommen und Alles
aufgefaßt habe: Geſtalt und Lage der Gebirge und ihre
Steinarten; Boden, Fluͤſſe, Wolken, Luft, Wind und
Wetter; dann Staͤdte und ihre Entſtehung und ſucceſſive
Bildung; Baukunſt, Malerey, Theater; Staͤdtiſche Ein¬
richtung und Verwaltung; Gewerbe, Oeconomie, Stra¬
ßenbau; Menſchenraçe, Lebensart, Eigenheiten; dann
wieder Politik und Kriegsangelegenheiten, und ſo noch
hundert andere Dinge.
Goethe antwortete: „Aber Sie finden kein Wort
uͤber Muſik, und zwar deßwegen nicht, weil das nicht
in meinem Kreiſe lag. Jeder muß wiſſen, worauf er
bey einer Reiſe zu ſehen hat und was ſeine Sache iſt.“
Der Herr Canzler trat herein. Er ſprach Einiges
mit Goethe und aͤußerte ſich dann gegen mich ſehr wohl¬
wollend und mit vieler Einſicht uͤber eine kleine Schrift,
die er in dieſen Tagen geleſen. Er ging dann bald
wieder zu den Damen hinuͤber, wo, wie ich hoͤrte, der
Fluͤgel geſpielt wurde.
Als er gegangen war, ſprach Goethe ſehr gut uͤber
ihn und ſagte dann: „Alle dieſe vortrefflichen Menſchen,
zu denen Sie nun ein angenehmes Verhaͤltniß haben,
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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