philosophischen Speculationen müde zu werden anfing, war von Bedeutung und für Beyde von größtem Erfolg."
Donnerstag, den 2. April 1829.
"Ich will Ihnen ein politisches Geheimniß entdecken, sagte Goethe heute bey Tisch, das sich über kurz oder lang offenbaren wird. Capodistrias kann sich an der Spitze der griechischen Angelegenheiten auf die Länge nicht halten, denn ihm fehlet eine Qualität, die zu einer solchen Stelle unentbehrlich ist: er ist kein Soldat. Wir haben aber kein Beyspiel, daß ein Cabinetsmann einen revolutionairen Staat hätte organisiren und Mili¬ tär und Feldherren sich hätte unterwerfen können. Mit dem Säbel in der Faust, an der Spitze einer Armee, mag man befehlen und Gesetze geben, und man kann sicher seyn, daß man gehorcht werde; aber ohne dieses ist es ein mißliches Ding. Napoleon, ohne Soldat zu seyn, hätte nie zur höchsten Gewalt emporsteigen kön¬ nen, und so wird sich auch Capodistrias als Erster auf die Dauer nicht behaupten, vielmehr wird er sehr bald eine secundäre Rolle spielen. Ich sage Ihnen dieses voraus, und Sie werden es kommen sehen; es liegt in der Na¬ tur der Dinge und ist nicht anders möglich."
philoſophiſchen Speculationen muͤde zu werden anfing, war von Bedeutung und fuͤr Beyde von groͤßtem Erfolg.“
Donnerſtag, den 2. April 1829.
„Ich will Ihnen ein politiſches Geheimniß entdecken, ſagte Goethe heute bey Tiſch, das ſich uͤber kurz oder lang offenbaren wird. Capodiſtrias kann ſich an der Spitze der griechiſchen Angelegenheiten auf die Laͤnge nicht halten, denn ihm fehlet eine Qualitaͤt, die zu einer ſolchen Stelle unentbehrlich iſt: er iſt kein Soldat. Wir haben aber kein Beyſpiel, daß ein Cabinetsmann einen revolutionairen Staat haͤtte organiſiren und Mili¬ taͤr und Feldherren ſich haͤtte unterwerfen koͤnnen. Mit dem Saͤbel in der Fauſt, an der Spitze einer Armee, mag man befehlen und Geſetze geben, und man kann ſicher ſeyn, daß man gehorcht werde; aber ohne dieſes iſt es ein mißliches Ding. Napoleon, ohne Soldat zu ſeyn, haͤtte nie zur hoͤchſten Gewalt emporſteigen koͤn¬ nen, und ſo wird ſich auch Capodiſtrias als Erſter auf die Dauer nicht behaupten, vielmehr wird er ſehr bald eine ſecundaͤre Rolle ſpielen. Ich ſage Ihnen dieſes voraus, und Sie werden es kommen ſehen; es liegt in der Na¬ tur der Dinge und iſt nicht anders moͤglich.“
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philoſophiſchen Speculationen muͤde zu werden anfing,
war von Bedeutung und fuͤr Beyde von groͤßtem
Erfolg.“
Donnerſtag, den 2. April 1829.
„Ich will Ihnen ein politiſches Geheimniß entdecken,
ſagte Goethe heute bey Tiſch, das ſich uͤber kurz oder
lang offenbaren wird. Capodiſtrias kann ſich an der
Spitze der griechiſchen Angelegenheiten auf die Laͤnge
nicht halten, denn ihm fehlet eine Qualitaͤt, die zu einer
ſolchen Stelle unentbehrlich iſt: er iſt kein Soldat.
Wir haben aber kein Beyſpiel, daß ein Cabinetsmann
einen revolutionairen Staat haͤtte organiſiren und Mili¬
taͤr und Feldherren ſich haͤtte unterwerfen koͤnnen. Mit
dem Saͤbel in der Fauſt, an der Spitze einer Armee,
mag man befehlen und Geſetze geben, und man kann
ſicher ſeyn, daß man gehorcht werde; aber ohne dieſes
iſt es ein mißliches Ding. Napoleon, ohne Soldat
zu ſeyn, haͤtte nie zur hoͤchſten Gewalt emporſteigen koͤn¬
nen, und ſo wird ſich auch Capodiſtrias als Erſter auf die
Dauer nicht behaupten, vielmehr wird er ſehr bald eine
ſecundaͤre Rolle ſpielen. Ich ſage Ihnen dieſes voraus,
und Sie werden es kommen ſehen; es liegt in der Na¬
tur der Dinge und iſt nicht anders moͤglich.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/101>, abgerufen am 21.11.2024.
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