schön und menschlich empfunden und ausgedrückt, wie man es von so hohen Personen nicht erwartet. Ich äußerte meine Freude darüber gegen Goethe. "Da sehen Sie einen Monarchen, sagte er, der neben der Königlichen Majestät seine angeborene schöne Menschen¬ natur gerettet hat. Es ist eine seltene Erscheinung und deßhalb um so erfreulicher." Ich sah wieder in den Brief und fand noch einige treffliche Stellen. "Hier in Rom, schreibt der König, erhole ich mich von den Sorgen des Thrones; die Kunst, die Natur, sind meine täglichen Genüsse, Künstler meine Tischgenossen." Er schreibt auch, wie er oft an dem Hause vorbeygehe wo Goethe gewohnt, und wie er dabey seiner gedenke. Aus den römischen Elegieen sind einige Stellen angeführt, woraus man sieht, daß der König sie gut im Gedächt¬ niß hat und sie in Rom, an Ort und Stelle, von Zeit zu Zeit wieder lesen mag. "Ja, sagte Goethe, die Elegieen liebt er besonders; er hat mich hier viel damit geplagt, ich sollte ihm sagen was an dem Factum sey, weil es in den Gedichten so anmuthig erscheint, als wäre wirklich was Rechtes daran gewesen. Man be¬ denkt aber selten, daß der Poet meistens aus geringen Anlässen was Gutes zu machen weiß."
"Ich wollte nur, fuhr Goethe fort, daß des Königs Gedichte jetzt dawären, damit ich in meiner Antwort etwas darüber sagen könnte. Nach dem Wenigen zu schließen was ich von ihm gelesen, werden die Gedichte
ſchoͤn und menſchlich empfunden und ausgedruͤckt, wie man es von ſo hohen Perſonen nicht erwartet. Ich aͤußerte meine Freude daruͤber gegen Goethe. „Da ſehen Sie einen Monarchen, ſagte er, der neben der Koͤniglichen Majeſtaͤt ſeine angeborene ſchoͤne Menſchen¬ natur gerettet hat. Es iſt eine ſeltene Erſcheinung und deßhalb um ſo erfreulicher.“ Ich ſah wieder in den Brief und fand noch einige treffliche Stellen. „Hier in Rom, ſchreibt der Koͤnig, erhole ich mich von den Sorgen des Thrones; die Kunſt, die Natur, ſind meine taͤglichen Genuͤſſe, Kuͤnſtler meine Tiſchgenoſſen.“ Er ſchreibt auch, wie er oft an dem Hauſe vorbeygehe wo Goethe gewohnt, und wie er dabey ſeiner gedenke. Aus den roͤmiſchen Elegieen ſind einige Stellen angefuͤhrt, woraus man ſieht, daß der Koͤnig ſie gut im Gedaͤcht¬ niß hat und ſie in Rom, an Ort und Stelle, von Zeit zu Zeit wieder leſen mag. „Ja, ſagte Goethe, die Elegieen liebt er beſonders; er hat mich hier viel damit geplagt, ich ſollte ihm ſagen was an dem Factum ſey, weil es in den Gedichten ſo anmuthig erſcheint, als waͤre wirklich was Rechtes daran geweſen. Man be¬ denkt aber ſelten, daß der Poet meiſtens aus geringen Anlaͤſſen was Gutes zu machen weiß.“
„Ich wollte nur, fuhr Goethe fort, daß des Koͤnigs Gedichte jetzt dawaͤren, damit ich in meiner Antwort etwas daruͤber ſagen koͤnnte. Nach dem Wenigen zu ſchließen was ich von ihm geleſen, werden die Gedichte
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0128"n="118"/>ſchoͤn und menſchlich empfunden und ausgedruͤckt, wie<lb/>
man es von ſo hohen Perſonen nicht erwartet. Ich<lb/>
aͤußerte meine Freude daruͤber gegen Goethe. „Da<lb/>ſehen Sie einen Monarchen, ſagte er, der neben der<lb/>
Koͤniglichen Majeſtaͤt ſeine angeborene ſchoͤne Menſchen¬<lb/>
natur gerettet hat. Es iſt eine ſeltene Erſcheinung und<lb/>
deßhalb um ſo erfreulicher.“ Ich ſah wieder in den<lb/>
Brief und fand noch einige treffliche Stellen. „Hier<lb/>
in Rom, ſchreibt der Koͤnig, erhole ich mich von den<lb/>
Sorgen des Thrones; die Kunſt, die Natur, ſind meine<lb/>
taͤglichen Genuͤſſe, Kuͤnſtler meine Tiſchgenoſſen.“ Er<lb/>ſchreibt auch, wie er oft an dem Hauſe vorbeygehe wo<lb/>
Goethe gewohnt, und wie er dabey ſeiner gedenke. Aus<lb/>
den roͤmiſchen Elegieen ſind einige Stellen angefuͤhrt,<lb/>
woraus man ſieht, daß der Koͤnig ſie gut im Gedaͤcht¬<lb/>
niß hat und ſie in Rom, an Ort und Stelle, von Zeit<lb/>
zu Zeit wieder leſen mag. „Ja, ſagte Goethe, die<lb/>
Elegieen liebt er beſonders; er hat mich hier viel damit<lb/>
geplagt, ich ſollte ihm ſagen was an dem Factum ſey,<lb/>
weil es in den Gedichten ſo anmuthig erſcheint, als<lb/>
waͤre wirklich was Rechtes daran geweſen. Man be¬<lb/>
denkt aber ſelten, daß der Poet meiſtens aus geringen<lb/>
Anlaͤſſen was Gutes zu machen weiß.“</p><lb/><p>„Ich wollte nur, fuhr Goethe fort, daß des Koͤnigs<lb/>
Gedichte jetzt dawaͤren, damit ich in meiner Antwort<lb/>
etwas daruͤber ſagen koͤnnte. Nach dem Wenigen zu<lb/>ſchließen was ich von ihm geleſen, werden die Gedichte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[118/0128]
ſchoͤn und menſchlich empfunden und ausgedruͤckt, wie
man es von ſo hohen Perſonen nicht erwartet. Ich
aͤußerte meine Freude daruͤber gegen Goethe. „Da
ſehen Sie einen Monarchen, ſagte er, der neben der
Koͤniglichen Majeſtaͤt ſeine angeborene ſchoͤne Menſchen¬
natur gerettet hat. Es iſt eine ſeltene Erſcheinung und
deßhalb um ſo erfreulicher.“ Ich ſah wieder in den
Brief und fand noch einige treffliche Stellen. „Hier
in Rom, ſchreibt der Koͤnig, erhole ich mich von den
Sorgen des Thrones; die Kunſt, die Natur, ſind meine
taͤglichen Genuͤſſe, Kuͤnſtler meine Tiſchgenoſſen.“ Er
ſchreibt auch, wie er oft an dem Hauſe vorbeygehe wo
Goethe gewohnt, und wie er dabey ſeiner gedenke. Aus
den roͤmiſchen Elegieen ſind einige Stellen angefuͤhrt,
woraus man ſieht, daß der Koͤnig ſie gut im Gedaͤcht¬
niß hat und ſie in Rom, an Ort und Stelle, von Zeit
zu Zeit wieder leſen mag. „Ja, ſagte Goethe, die
Elegieen liebt er beſonders; er hat mich hier viel damit
geplagt, ich ſollte ihm ſagen was an dem Factum ſey,
weil es in den Gedichten ſo anmuthig erſcheint, als
waͤre wirklich was Rechtes daran geweſen. Man be¬
denkt aber ſelten, daß der Poet meiſtens aus geringen
Anlaͤſſen was Gutes zu machen weiß.“
„Ich wollte nur, fuhr Goethe fort, daß des Koͤnigs
Gedichte jetzt dawaͤren, damit ich in meiner Antwort
etwas daruͤber ſagen koͤnnte. Nach dem Wenigen zu
ſchließen was ich von ihm geleſen, werden die Gedichte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/128>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.