Goethe gab mir Recht, und es schien ihm lieb, daß ich dieses bemerkte. "So auch, sagte er, werden Sie finden, daß schon immer in diesen früheren Acten das Classische und Romantische anklingt und zur Sprache gebracht wird, damit es, wie auf einem steigenden Terrain, zur Helena hinaufgehe, wo beyde Dichtungs¬ formen entschieden hervortreten und eine Art von Aus¬ gleichung finden."
"Die Franzosen, fuhr Goethe fort, fangen nun auch an über diese Verhältnisse richtig zu denken. ""Es ist alles gut und gleich, sagen sie, Classisches wie Ro¬ mantisches, es kommt nur darauf an, daß man sich dieser Formen mit Verstand zu bedienen und darin vor¬ trefflich zu seyn vermöge. So kann man auch in Bey¬ den absurd seyn, und dann taugt das Eine so wenig wie das Andere."" Ich dächte das wäre vernünftig und ein gutes Wort, womit man sich eine Weile beru¬ higen könnte."
Sonntag, den 20. December 1829.
Bey Goethe zu Tisch. Wir sprachen vom Canz¬ ler, und ich fragte Goethe, ob er ihm bey seiner Zu¬ rückkunft aus Italien keine Nachricht von Manzoni mitgebracht. "Er hat mir über ihn geschrieben, sagte
Goethe gab mir Recht, und es ſchien ihm lieb, daß ich dieſes bemerkte. „So auch, ſagte er, werden Sie finden, daß ſchon immer in dieſen fruͤheren Acten das Claſſiſche und Romantiſche anklingt und zur Sprache gebracht wird, damit es, wie auf einem ſteigenden Terrain, zur Helena hinaufgehe, wo beyde Dichtungs¬ formen entſchieden hervortreten und eine Art von Aus¬ gleichung finden.“
„Die Franzoſen, fuhr Goethe fort, fangen nun auch an uͤber dieſe Verhaͤltniſſe richtig zu denken. „„Es iſt alles gut und gleich, ſagen ſie, Claſſiſches wie Ro¬ mantiſches, es kommt nur darauf an, daß man ſich dieſer Formen mit Verſtand zu bedienen und darin vor¬ trefflich zu ſeyn vermoͤge. So kann man auch in Bey¬ den abſurd ſeyn, und dann taugt das Eine ſo wenig wie das Andere.““ Ich daͤchte das waͤre vernuͤnftig und ein gutes Wort, womit man ſich eine Weile beru¬ higen koͤnnte.“
Sonntag, den 20. December 1829.
Bey Goethe zu Tiſch. Wir ſprachen vom Canz¬ ler, und ich fragte Goethe, ob er ihm bey ſeiner Zu¬ ruͤckkunft aus Italien keine Nachricht von Manzoni mitgebracht. „Er hat mir uͤber ihn geſchrieben, ſagte
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0167"n="157"/><p>Goethe gab mir Recht, und es ſchien ihm lieb, daß<lb/>
ich dieſes bemerkte. „So auch, ſagte er, werden Sie<lb/>
finden, daß ſchon immer in dieſen fruͤheren Acten das<lb/>
Claſſiſche und Romantiſche anklingt und zur Sprache<lb/>
gebracht wird, damit es, wie auf einem ſteigenden<lb/>
Terrain, zur Helena hinaufgehe, wo beyde Dichtungs¬<lb/>
formen entſchieden hervortreten und eine Art von Aus¬<lb/>
gleichung finden.“</p><lb/><p>„Die Franzoſen, fuhr Goethe fort, fangen nun auch<lb/>
an uͤber dieſe Verhaͤltniſſe richtig zu denken. „„Es<lb/>
iſt alles gut und gleich, ſagen ſie, Claſſiſches wie Ro¬<lb/>
mantiſches, es kommt nur darauf an, daß man ſich<lb/>
dieſer Formen mit Verſtand zu bedienen und darin vor¬<lb/>
trefflich zu ſeyn vermoͤge. So kann man auch in Bey¬<lb/>
den abſurd ſeyn, und dann taugt das Eine ſo wenig<lb/>
wie das Andere.““ Ich daͤchte das waͤre vernuͤnftig<lb/>
und ein gutes Wort, womit man ſich eine Weile beru¬<lb/>
higen koͤnnte.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Sonntag, den 20. December 1829.<lb/></dateline><p>Bey Goethe zu Tiſch. Wir ſprachen vom <hirendition="#g">Canz¬<lb/>
ler</hi>, und ich fragte Goethe, ob er ihm bey ſeiner Zu¬<lb/>
ruͤckkunft aus Italien keine Nachricht von <hirendition="#g">Manzoni</hi><lb/>
mitgebracht. „Er hat mir uͤber ihn geſchrieben, ſagte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[157/0167]
Goethe gab mir Recht, und es ſchien ihm lieb, daß
ich dieſes bemerkte. „So auch, ſagte er, werden Sie
finden, daß ſchon immer in dieſen fruͤheren Acten das
Claſſiſche und Romantiſche anklingt und zur Sprache
gebracht wird, damit es, wie auf einem ſteigenden
Terrain, zur Helena hinaufgehe, wo beyde Dichtungs¬
formen entſchieden hervortreten und eine Art von Aus¬
gleichung finden.“
„Die Franzoſen, fuhr Goethe fort, fangen nun auch
an uͤber dieſe Verhaͤltniſſe richtig zu denken. „„Es
iſt alles gut und gleich, ſagen ſie, Claſſiſches wie Ro¬
mantiſches, es kommt nur darauf an, daß man ſich
dieſer Formen mit Verſtand zu bedienen und darin vor¬
trefflich zu ſeyn vermoͤge. So kann man auch in Bey¬
den abſurd ſeyn, und dann taugt das Eine ſo wenig
wie das Andere.““ Ich daͤchte das waͤre vernuͤnftig
und ein gutes Wort, womit man ſich eine Weile beru¬
higen koͤnnte.“
Sonntag, den 20. December 1829.
Bey Goethe zu Tiſch. Wir ſprachen vom Canz¬
ler, und ich fragte Goethe, ob er ihm bey ſeiner Zu¬
ruͤckkunft aus Italien keine Nachricht von Manzoni
mitgebracht. „Er hat mir uͤber ihn geſchrieben, ſagte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/167>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.