Goethen schien es besonders wohl zu thun, daß der König gegen ihn sich fortwährend so gleich bleibe. Hof¬ rath Soret ließ sich melden und setzte sich zu uns. Er kam mit beruhigenden Trostesworten der Kaiserlichen Hoheit an Goethe, die dazu beytrugen, dessen heiter¬ gefaßte Stimmung noch zu erhöhen. Goethe setzt seine Gespräche fort; er erwähnt die berühmte Ninon de Lenclos, die in ihrem sechzehnten Jahre bey großer Schönheit dem Tode nahe gewesen, und die Umstehen¬ den in völliger Fassung mit den Worten getröstet habe: Was ist's denn weiter? lasse ich doch lauter Sterbliche zurück! -- Übrigens habe sie fortgelebt und sey neunzig Jahr alt geworden, nachdem sie bis in ihr achtzigstes hunderte von Liebhabern beglückt und zur Verzweiflung gebracht.
Goethe spricht darauf über Gozzi und dessen Thea¬ ter zu Venedig, wobey die improvisirenden Schauspieler bloß die Süjets erhielten. Gozzi habe die Meinung gehabt, es gebe nur sechs und dreyßig tragische Situa¬ tionen; Schiller habe geglaubt, es gebe mehr, allein es sey ihm nicht einmal gelungen, nur so viele zu finden.
Sodann manches Interessante über Grimm, dessen Geist und Character und sehr geringes Vertrauen zum Papiergelde.
Goethen ſchien es beſonders wohl zu thun, daß der Koͤnig gegen ihn ſich fortwaͤhrend ſo gleich bleibe. Hof¬ rath Soret ließ ſich melden und ſetzte ſich zu uns. Er kam mit beruhigenden Troſtesworten der Kaiſerlichen Hoheit an Goethe, die dazu beytrugen, deſſen heiter¬ gefaßte Stimmung noch zu erhoͤhen. Goethe ſetzt ſeine Geſpraͤche fort; er erwaͤhnt die beruͤhmte Ninon de Lenclos, die in ihrem ſechzehnten Jahre bey großer Schoͤnheit dem Tode nahe geweſen, und die Umſtehen¬ den in voͤlliger Faſſung mit den Worten getroͤſtet habe: Was iſt's denn weiter? laſſe ich doch lauter Sterbliche zuruͤck! — Übrigens habe ſie fortgelebt und ſey neunzig Jahr alt geworden, nachdem ſie bis in ihr achtzigſtes hunderte von Liebhabern begluͤckt und zur Verzweiflung gebracht.
Goethe ſpricht darauf uͤber Gozzi und deſſen Thea¬ ter zu Venedig, wobey die improviſirenden Schauſpieler bloß die Suͤjets erhielten. Gozzi habe die Meinung gehabt, es gebe nur ſechs und dreyßig tragiſche Situa¬ tionen; Schiller habe geglaubt, es gebe mehr, allein es ſey ihm nicht einmal gelungen, nur ſo viele zu finden.
Sodann manches Intereſſante uͤber Grimm, deſſen Geiſt und Character und ſehr geringes Vertrauen zum Papiergelde.
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Goethen ſchien es beſonders wohl zu thun, daß der
Koͤnig gegen ihn ſich fortwaͤhrend ſo gleich bleibe. Hof¬
rath Soret ließ ſich melden und ſetzte ſich zu uns.
Er kam mit beruhigenden Troſtesworten der Kaiſerlichen
Hoheit an Goethe, die dazu beytrugen, deſſen heiter¬
gefaßte Stimmung noch zu erhoͤhen. Goethe ſetzt ſeine
Geſpraͤche fort; er erwaͤhnt die beruͤhmte Ninon de
Lenclos, die in ihrem ſechzehnten Jahre bey großer
Schoͤnheit dem Tode nahe geweſen, und die Umſtehen¬
den in voͤlliger Faſſung mit den Worten getroͤſtet habe:
Was iſt's denn weiter? laſſe ich doch lauter Sterbliche
zuruͤck! — Übrigens habe ſie fortgelebt und ſey neunzig
Jahr alt geworden, nachdem ſie bis in ihr achtzigſtes
hunderte von Liebhabern begluͤckt und zur Verzweiflung
gebracht.
Goethe ſpricht darauf uͤber Gozzi und deſſen Thea¬
ter zu Venedig, wobey die improviſirenden Schauſpieler
bloß die Suͤjets erhielten. Gozzi habe die Meinung
gehabt, es gebe nur ſechs und dreyßig tragiſche Situa¬
tionen; Schiller habe geglaubt, es gebe mehr, allein
es ſey ihm nicht einmal gelungen, nur ſo viele zu finden.
Sodann manches Intereſſante uͤber Grimm, deſſen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/196>, abgerufen am 27.11.2024.
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