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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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die letzte Lieferung fertig zu machen. "Hiebey aber,
sagte er, bin ich klug gewesen, daß ich aufgehört habe,
wo ich noch in gutem Zuge war, und noch viel bereits
Erfundenes zu sagen hatte. Auf diese Weise läßt sich
viel leichter wieder anknüpfen, als wenn ich so lange
fortgeschrieben hätte bis es stockte." Ich merkte mir
dieses als eine gute Lehre.

Es war die Absicht gewesen, vor Tisch eine Spazier¬
fahrt zu machen; allein wir fanden es beyderseits so
angenehm im Zimmer, daß die Pferde abbestellt wurden.

Unterdessen hatte der Bediente Friedrich eine große
von Paris angekommene Kiste ausgepackt. Es war
eine Sendung vom Bildhauer David, in Gips abge¬
gossene Portraits, Basreliefs, von sieben und funfzig
berühmten Personen. Friedrich trug die Abgüsse in ver¬
schiedenen Schiebläden herein, und es gab große Unter¬
haltung, alle die interessanten Persönlichkeiten zu be¬
trachten. Besonders erwartungsvoll war ich auf M e ¬
rim
e e; der Kopf erschien so kräftig und verwegen, wie
sein Talent, und Goethe bemerkte, daß er etwas Hu¬
moristisches habe. Victor Hugo, Alfred de Vigny,
Emile Deschamps, zeigten sich als reine, freye,
heitere Köpfe. Auch erfreuten uns die Portraits der
Demoiselle Gay, der Madame Tastü und anderer jun¬
ger Schriftstellerinnen. Das kräftige Bild von Fabvier
erinnerte an Menschen früherer Jahrhunderte, und wir
hatten Genuß, es wiederholt zu betrachten. So gingen

13 *

die letzte Lieferung fertig zu machen. „Hiebey aber,
ſagte er, bin ich klug geweſen, daß ich aufgehoͤrt habe,
wo ich noch in gutem Zuge war, und noch viel bereits
Erfundenes zu ſagen hatte. Auf dieſe Weiſe laͤßt ſich
viel leichter wieder anknuͤpfen, als wenn ich ſo lange
fortgeſchrieben haͤtte bis es ſtockte.“ Ich merkte mir
dieſes als eine gute Lehre.

Es war die Abſicht geweſen, vor Tiſch eine Spazier¬
fahrt zu machen; allein wir fanden es beyderſeits ſo
angenehm im Zimmer, daß die Pferde abbeſtellt wurden.

Unterdeſſen hatte der Bediente Friedrich eine große
von Paris angekommene Kiſte ausgepackt. Es war
eine Sendung vom Bildhauer David, in Gips abge¬
goſſene Portraits, Basreliefs, von ſieben und funfzig
beruͤhmten Perſonen. Friedrich trug die Abguͤſſe in ver¬
ſchiedenen Schieblaͤden herein, und es gab große Unter¬
haltung, alle die intereſſanten Perſoͤnlichkeiten zu be¬
trachten. Beſonders erwartungsvoll war ich auf M é ¬
rim
é e; der Kopf erſchien ſo kraͤftig und verwegen, wie
ſein Talent, und Goethe bemerkte, daß er etwas Hu¬
moriſtiſches habe. Victor Hugo, Alfred de Vigny,
Emile Deschamps, zeigten ſich als reine, freye,
heitere Koͤpfe. Auch erfreuten uns die Portraits der
Demoiſelle Gay, der Madame Taſtuͤ und anderer jun¬
ger Schriftſtellerinnen. Das kraͤftige Bild von Fabvier
erinnerte an Menſchen fruͤherer Jahrhunderte, und wir
hatten Genuß, es wiederholt zu betrachten. So gingen

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[195/0205] die letzte Lieferung fertig zu machen. „Hiebey aber, ſagte er, bin ich klug geweſen, daß ich aufgehoͤrt habe, wo ich noch in gutem Zuge war, und noch viel bereits Erfundenes zu ſagen hatte. Auf dieſe Weiſe laͤßt ſich viel leichter wieder anknuͤpfen, als wenn ich ſo lange fortgeſchrieben haͤtte bis es ſtockte.“ Ich merkte mir dieſes als eine gute Lehre. Es war die Abſicht geweſen, vor Tiſch eine Spazier¬ fahrt zu machen; allein wir fanden es beyderſeits ſo angenehm im Zimmer, daß die Pferde abbeſtellt wurden. Unterdeſſen hatte der Bediente Friedrich eine große von Paris angekommene Kiſte ausgepackt. Es war eine Sendung vom Bildhauer David, in Gips abge¬ goſſene Portraits, Basreliefs, von ſieben und funfzig beruͤhmten Perſonen. Friedrich trug die Abguͤſſe in ver¬ ſchiedenen Schieblaͤden herein, und es gab große Unter¬ haltung, alle die intereſſanten Perſoͤnlichkeiten zu be¬ trachten. Beſonders erwartungsvoll war ich auf M é ¬ rim é e; der Kopf erſchien ſo kraͤftig und verwegen, wie ſein Talent, und Goethe bemerkte, daß er etwas Hu¬ moriſtiſches habe. Victor Hugo, Alfred de Vigny, Emile Deschamps, zeigten ſich als reine, freye, heitere Koͤpfe. Auch erfreuten uns die Portraits der Demoiſelle Gay, der Madame Taſtuͤ und anderer jun¬ ger Schriftſtellerinnen. Das kraͤftige Bild von Fabvier erinnerte an Menſchen fruͤherer Jahrhunderte, und wir hatten Genuß, es wiederholt zu betrachten. So gingen 13 *

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/205>, abgerufen am 24.11.2024.