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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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keit meines Wesens macht es von Zeit zu Zeit nöthig,
meine Lebensverhältnisse zu rectificiren; so wie ein Schif¬
fer, den die Launen verschiedener Winde von seiner Bahn
gebracht, immer wieder die alte Richtung sucht.

Eine Stelle anzunehmen, ist mit meinen so lange zurück¬
gedrängten literarischen Zwecken jetzt nicht zu vereinigen.
Stunden an junge Engländer zu geben, ist nicht ferner
meine Absicht. Ich habe die Sprache gewonnen, und das
ist alles was mir fehlte und worüber ich nun froh bin.
Ich verkenne nicht das Gute, das mir aus dem langen
Verkehr mit den jungen Fremdlingen erwachsen ist, allein
jedes Ding hat seine Zeit und seinen Wechsel.

Überall ist das mündliche Lehren und Wirken gar
nicht meine Sache. Es ist ein Metier, wozu ich so
wenig Talent als Ausbildung besitze. Es fehlt mir alle
rednerische Gabe, indem jedes lebendige vis-a-vis ge¬
wöhnlich eine solche Gewalt über mich ausübt, daß ich
mich selber vergesse, daß es mich in sein Wesen und
Interesse zieht, daß ich mich dadurch bedingt fühle, und
selten zur Freyheit und zu kräftigem Hinwirken des Ge¬
dankens gelange.

Dagegen, dem Papiere gegenüber, fühle ich mich
durchaus frey und ganz im Besitz meiner selbst; das
schriftliche Entwickeln meiner Gedanken ist daher auch
meine eigentliche Lust und mein eigentliches Leben, und
ich halte jeden Tag für verloren, an dem ich nicht einige
Seiten geschrieben habe, die mir Freude machen.

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keit meines Weſens macht es von Zeit zu Zeit noͤthig,
meine Lebensverhaͤltniſſe zu rectificiren; ſo wie ein Schif¬
fer, den die Launen verſchiedener Winde von ſeiner Bahn
gebracht, immer wieder die alte Richtung ſucht.

Eine Stelle anzunehmen, iſt mit meinen ſo lange zuruͤck¬
gedraͤngten literariſchen Zwecken jetzt nicht zu vereinigen.
Stunden an junge Englaͤnder zu geben, iſt nicht ferner
meine Abſicht. Ich habe die Sprache gewonnen, und das
iſt alles was mir fehlte und woruͤber ich nun froh bin.
Ich verkenne nicht das Gute, das mir aus dem langen
Verkehr mit den jungen Fremdlingen erwachſen iſt, allein
jedes Ding hat ſeine Zeit und ſeinen Wechſel.

Überall iſt das muͤndliche Lehren und Wirken gar
nicht meine Sache. Es iſt ein Metier, wozu ich ſo
wenig Talent als Ausbildung beſitze. Es fehlt mir alle
redneriſche Gabe, indem jedes lebendige vis-à-vis ge¬
woͤhnlich eine ſolche Gewalt uͤber mich ausuͤbt, daß ich
mich ſelber vergeſſe, daß es mich in ſein Weſen und
Intereſſe zieht, daß ich mich dadurch bedingt fuͤhle, und
ſelten zur Freyheit und zu kraͤftigem Hinwirken des Ge¬
dankens gelange.

Dagegen, dem Papiere gegenuͤber, fuͤhle ich mich
durchaus frey und ganz im Beſitz meiner ſelbſt; das
ſchriftliche Entwickeln meiner Gedanken iſt daher auch
meine eigentliche Luſt und mein eigentliches Leben, und
ich halte jeden Tag fuͤr verloren, an dem ich nicht einige
Seiten geſchrieben habe, die mir Freude machen.

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[227/0237] keit meines Weſens macht es von Zeit zu Zeit noͤthig, meine Lebensverhaͤltniſſe zu rectificiren; ſo wie ein Schif¬ fer, den die Launen verſchiedener Winde von ſeiner Bahn gebracht, immer wieder die alte Richtung ſucht. Eine Stelle anzunehmen, iſt mit meinen ſo lange zuruͤck¬ gedraͤngten literariſchen Zwecken jetzt nicht zu vereinigen. Stunden an junge Englaͤnder zu geben, iſt nicht ferner meine Abſicht. Ich habe die Sprache gewonnen, und das iſt alles was mir fehlte und woruͤber ich nun froh bin. Ich verkenne nicht das Gute, das mir aus dem langen Verkehr mit den jungen Fremdlingen erwachſen iſt, allein jedes Ding hat ſeine Zeit und ſeinen Wechſel. Überall iſt das muͤndliche Lehren und Wirken gar nicht meine Sache. Es iſt ein Metier, wozu ich ſo wenig Talent als Ausbildung beſitze. Es fehlt mir alle redneriſche Gabe, indem jedes lebendige vis-à-vis ge¬ woͤhnlich eine ſolche Gewalt uͤber mich ausuͤbt, daß ich mich ſelber vergeſſe, daß es mich in ſein Weſen und Intereſſe zieht, daß ich mich dadurch bedingt fuͤhle, und ſelten zur Freyheit und zu kraͤftigem Hinwirken des Ge¬ dankens gelange. Dagegen, dem Papiere gegenuͤber, fuͤhle ich mich durchaus frey und ganz im Beſitz meiner ſelbſt; das ſchriftliche Entwickeln meiner Gedanken iſt daher auch meine eigentliche Luſt und mein eigentliches Leben, und ich halte jeden Tag fuͤr verloren, an dem ich nicht einige Seiten geſchrieben habe, die mir Freude machen. 15 *

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/237>, abgerufen am 21.11.2024.