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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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Neues, allein immer ist es erwünscht, neue Manifesta¬
tionen des alten Gesetzes zu finden.

In Genua hat Sterling für die Lehre ein großes
Interesse gezeigt. Was ihm von Newtons Theorie über¬
liefert worden, hat ihm nicht genügt, und so hatte er
denn offene Ohren für die Grundzüge, die ich ihm von
Ihrer Lehre in wiederholten Gesprächen habe geben kön¬
nen. Wenn man Gelegenheit hätte, ein Exemplar des
Werks nach Genua zu spediren, so könnte ich wohl sa¬
gen, daß ihm ein solches Geschenk nicht unwillkommen
seyn würde.

Hier in Genf habe ich seit drey Wochen eine wi߬
begierige Schülerin an Freundin Sylvestre gefunden.
Ich habe dabey die Bemerkung gemacht, daß das Ein¬
fache schwerer zu fassen ist als man denkt, und daß es
eine große Übung erfordert, in den mannigfaltigsten Ein¬
zelnheiten der Erscheinung immer das Grundgesetz zu
finden. Dem Geist aber giebt es eine große Gewandt¬
heit, indem die Natur sehr delicat ist, und man immer
auf der Hut seyn muß, durch einen zu raschen Aus¬
spruch ihr nicht Gewalt zu thun.

Übrigens findet man hier in Genf an einer so gro¬
ßen Sache auch nicht die Spur einer Theilnahme. Nicht
allein, daß man auf hiesiger Bibliothek Ihre Farben¬
lehre nicht hat, ja man weiß nicht einmal, daß so etwas
in der Welt ist. Hieran mögen nun die Deutschen mehr

Neues, allein immer iſt es erwuͤnſcht, neue Manifeſta¬
tionen des alten Geſetzes zu finden.

In Genua hat Sterling fuͤr die Lehre ein großes
Intereſſe gezeigt. Was ihm von Newtons Theorie uͤber¬
liefert worden, hat ihm nicht genuͤgt, und ſo hatte er
denn offene Ohren fuͤr die Grundzuͤge, die ich ihm von
Ihrer Lehre in wiederholten Geſpraͤchen habe geben koͤn¬
nen. Wenn man Gelegenheit haͤtte, ein Exemplar des
Werks nach Genua zu ſpediren, ſo koͤnnte ich wohl ſa¬
gen, daß ihm ein ſolches Geſchenk nicht unwillkommen
ſeyn wuͤrde.

Hier in Genf habe ich ſeit drey Wochen eine wi߬
begierige Schuͤlerin an Freundin Sylveſtre gefunden.
Ich habe dabey die Bemerkung gemacht, daß das Ein¬
fache ſchwerer zu faſſen iſt als man denkt, und daß es
eine große Übung erfordert, in den mannigfaltigſten Ein¬
zelnheiten der Erſcheinung immer das Grundgeſetz zu
finden. Dem Geiſt aber giebt es eine große Gewandt¬
heit, indem die Natur ſehr delicat iſt, und man immer
auf der Hut ſeyn muß, durch einen zu raſchen Aus¬
ſpruch ihr nicht Gewalt zu thun.

Übrigens findet man hier in Genf an einer ſo gro¬
ßen Sache auch nicht die Spur einer Theilnahme. Nicht
allein, daß man auf hieſiger Bibliothek Ihre Farben¬
lehre nicht hat, ja man weiß nicht einmal, daß ſo etwas
in der Welt iſt. Hieran moͤgen nun die Deutſchen mehr

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[233/0243] Neues, allein immer iſt es erwuͤnſcht, neue Manifeſta¬ tionen des alten Geſetzes zu finden. In Genua hat Sterling fuͤr die Lehre ein großes Intereſſe gezeigt. Was ihm von Newtons Theorie uͤber¬ liefert worden, hat ihm nicht genuͤgt, und ſo hatte er denn offene Ohren fuͤr die Grundzuͤge, die ich ihm von Ihrer Lehre in wiederholten Geſpraͤchen habe geben koͤn¬ nen. Wenn man Gelegenheit haͤtte, ein Exemplar des Werks nach Genua zu ſpediren, ſo koͤnnte ich wohl ſa¬ gen, daß ihm ein ſolches Geſchenk nicht unwillkommen ſeyn wuͤrde. Hier in Genf habe ich ſeit drey Wochen eine wi߬ begierige Schuͤlerin an Freundin Sylveſtre gefunden. Ich habe dabey die Bemerkung gemacht, daß das Ein¬ fache ſchwerer zu faſſen iſt als man denkt, und daß es eine große Übung erfordert, in den mannigfaltigſten Ein¬ zelnheiten der Erſcheinung immer das Grundgeſetz zu finden. Dem Geiſt aber giebt es eine große Gewandt¬ heit, indem die Natur ſehr delicat iſt, und man immer auf der Hut ſeyn muß, durch einen zu raſchen Aus¬ ſpruch ihr nicht Gewalt zu thun. Übrigens findet man hier in Genf an einer ſo gro¬ ßen Sache auch nicht die Spur einer Theilnahme. Nicht allein, daß man auf hieſiger Bibliothek Ihre Farben¬ lehre nicht hat, ja man weiß nicht einmal, daß ſo etwas in der Welt iſt. Hieran moͤgen nun die Deutſchen mehr

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/243>, abgerufen am 15.05.2024.