Goethe sendete mir am Morgen einige Bücher, die als Geschenk englischer und deutscher Autoren für mich angekommen waren. Mittags ging ich zu ihm zu Tisch. Ich fand ihn eine Mappe mit Kupferstichen und Hand¬ zeichnungen betrachtend, die ihm zum Verkauf zugesen¬ det waren. Er erzählte mir, daß die Frau Großherzogin ihn am Morgen mit einem Besuche erfreut, und daß er Ihr meine Ankunft verkündiget habe.
Frau v. Goethe gesellte sich zu uns und wir setzten uns zu Tisch. Ich mußte von meiner Reise erzählen. Ich sprach über Venedig, über Mailand, über Genua, und es schien ihm besonders interessant, nähere Nach¬ richten über die Familie des dortigen englischen Consuls zu vernehmen. Ich erzählte sodann von Genf, und er erkundigte sich theilnehmend nach der Familie Soret und Herrn von Bonstetten. Von letzterem wünschte er eine nähere Schilderung, die ich ihm gab so gut es gelingen wollte.
Nach Tisch war es mir lieb, daß Goethe von mei¬ nen Conversationen zu reden anfing. "Es muß Ihre erste Arbeit seyn, sagte er, und wir wollen nicht eher nachlassen, als bis alles vollkommen gethan und im Reinen ist."
Übrigens erschien Goethe mir heute besonders stille und oft in sich verloren, welches mir kein gutes Zei¬ chen war.
Donnerſtag, den 25. November 1830.
Goethe ſendete mir am Morgen einige Buͤcher, die als Geſchenk engliſcher und deutſcher Autoren fuͤr mich angekommen waren. Mittags ging ich zu ihm zu Tiſch. Ich fand ihn eine Mappe mit Kupferſtichen und Hand¬ zeichnungen betrachtend, die ihm zum Verkauf zugeſen¬ det waren. Er erzaͤhlte mir, daß die Frau Großherzogin ihn am Morgen mit einem Beſuche erfreut, und daß er Ihr meine Ankunft verkuͤndiget habe.
Frau v. Goethe geſellte ſich zu uns und wir ſetzten uns zu Tiſch. Ich mußte von meiner Reiſe erzaͤhlen. Ich ſprach uͤber Venedig, uͤber Mailand, uͤber Genua, und es ſchien ihm beſonders intereſſant, naͤhere Nach¬ richten uͤber die Familie des dortigen engliſchen Conſuls zu vernehmen. Ich erzaͤhlte ſodann von Genf, und er erkundigte ſich theilnehmend nach der Familie Soret und Herrn von Bonſtetten. Von letzterem wuͤnſchte er eine naͤhere Schilderung, die ich ihm gab ſo gut es gelingen wollte.
Nach Tiſch war es mir lieb, daß Goethe von mei¬ nen Converſationen zu reden anfing. „Es muß Ihre erſte Arbeit ſeyn, ſagte er, und wir wollen nicht eher nachlaſſen, als bis alles vollkommen gethan und im Reinen iſt.“
Übrigens erſchien Goethe mir heute beſonders ſtille und oft in ſich verloren, welches mir kein gutes Zei¬ chen war.
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Donnerſtag, den 25. November 1830.
Goethe ſendete mir am Morgen einige Buͤcher, die
als Geſchenk engliſcher und deutſcher Autoren fuͤr mich
angekommen waren. Mittags ging ich zu ihm zu Tiſch.
Ich fand ihn eine Mappe mit Kupferſtichen und Hand¬
zeichnungen betrachtend, die ihm zum Verkauf zugeſen¬
det waren. Er erzaͤhlte mir, daß die Frau Großherzogin
ihn am Morgen mit einem Beſuche erfreut, und daß er
Ihr meine Ankunft verkuͤndiget habe.
Frau v. Goethe geſellte ſich zu uns und wir ſetzten
uns zu Tiſch. Ich mußte von meiner Reiſe erzaͤhlen.
Ich ſprach uͤber Venedig, uͤber Mailand, uͤber Genua,
und es ſchien ihm beſonders intereſſant, naͤhere Nach¬
richten uͤber die Familie des dortigen engliſchen Conſuls
zu vernehmen. Ich erzaͤhlte ſodann von Genf, und er
erkundigte ſich theilnehmend nach der Familie Soret
und Herrn von Bonſtetten. Von letzterem wuͤnſchte
er eine naͤhere Schilderung, die ich ihm gab ſo gut es
gelingen wollte.
Nach Tiſch war es mir lieb, daß Goethe von mei¬
nen Converſationen zu reden anfing. „Es muß Ihre
erſte Arbeit ſeyn, ſagte er, und wir wollen nicht eher
nachlaſſen, als bis alles vollkommen gethan und im
Reinen iſt.“
Übrigens erſchien Goethe mir heute beſonders ſtille
und oft in ſich verloren, welches mir kein gutes Zei¬
chen war.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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