"Daß er in der großen Umgebung von Neapel und Rom die Erbärmlichkeiten der deutschen Literatur nicht vergessen kann, ist einem so hohen Talent gar nicht zu verzeihen. Der romantische Ödipus trägt Spuren daß, besonders was das Technische betrifft, grade Platen der Mann war, um die beste deutsche Tragödie zu schrei¬ ben; allein, nachdem er in gedachtem Stück die tragi¬ schen Motive parodistisch gebraucht hat, wie will er jetzt noch in allem Ernst eine Tragödie machen!"
"Und dann, was nie genug bedacht wird, solche Händel occupiren das Gemüth, die Bilder unserer Feinde werden zu Gespenstern, die zwischen aller freyen Pro¬ duction ihren Spuk treiben und in einer ohnehin zarten Natur große Unordnung anrichten. Lord Byron ist an seiner polemischen Richtung zu Grunde gegangen, und Platen hat Ursache, zur Ehre der deutschen Literatur, von einer so unerfreulichen Bahn für immer abzulenken."
Sonnabend, den 12. Februar 1831.
Ich lese im neuen Testament, und gedenke eines Bildes, das Goethe mir in diesen Tagen zeigte, wo Christus auf dem Meere wandelt, und Petrus, ihm auf den Wellen entgegenkommend, in einem Augenblick an¬ wandelnder Muthlosigkeit sogleich einzusinken anfängt.
„Daß er in der großen Umgebung von Neapel und Rom die Erbaͤrmlichkeiten der deutſchen Literatur nicht vergeſſen kann, iſt einem ſo hohen Talent gar nicht zu verzeihen. Der romantiſche Ödipus traͤgt Spuren daß, beſonders was das Techniſche betrifft, grade Platen der Mann war, um die beſte deutſche Tragoͤdie zu ſchrei¬ ben; allein, nachdem er in gedachtem Stuͤck die tragi¬ ſchen Motive parodiſtiſch gebraucht hat, wie will er jetzt noch in allem Ernſt eine Tragoͤdie machen!“
„Und dann, was nie genug bedacht wird, ſolche Haͤndel occupiren das Gemuͤth, die Bilder unſerer Feinde werden zu Geſpenſtern, die zwiſchen aller freyen Pro¬ duction ihren Spuk treiben und in einer ohnehin zarten Natur große Unordnung anrichten. Lord Byron iſt an ſeiner polemiſchen Richtung zu Grunde gegangen, und Platen hat Urſache, zur Ehre der deutſchen Literatur, von einer ſo unerfreulichen Bahn fuͤr immer abzulenken.“
Sonnabend, den 12. Februar 1831.
Ich leſe im neuen Teſtament, und gedenke eines Bildes, das Goethe mir in dieſen Tagen zeigte, wo Chriſtus auf dem Meere wandelt, und Petrus, ihm auf den Wellen entgegenkommend, in einem Augenblick an¬ wandelnder Muthloſigkeit ſogleich einzuſinken anfaͤngt.
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„Daß er in der großen Umgebung von Neapel und
Rom die Erbaͤrmlichkeiten der deutſchen Literatur nicht
vergeſſen kann, iſt einem ſo hohen Talent gar nicht zu
verzeihen. Der romantiſche Ödipus traͤgt Spuren
daß, beſonders was das Techniſche betrifft, grade Platen
der Mann war, um die beſte deutſche Tragoͤdie zu ſchrei¬
ben; allein, nachdem er in gedachtem Stuͤck die tragi¬
ſchen Motive parodiſtiſch gebraucht hat, wie will er jetzt
noch in allem Ernſt eine Tragoͤdie machen!“
„Und dann, was nie genug bedacht wird, ſolche
Haͤndel occupiren das Gemuͤth, die Bilder unſerer Feinde
werden zu Geſpenſtern, die zwiſchen aller freyen Pro¬
duction ihren Spuk treiben und in einer ohnehin zarten
Natur große Unordnung anrichten. Lord Byron iſt an
ſeiner polemiſchen Richtung zu Grunde gegangen, und
Platen hat Urſache, zur Ehre der deutſchen Literatur,
von einer ſo unerfreulichen Bahn fuͤr immer abzulenken.“
Sonnabend, den 12. Februar 1831.
Ich leſe im neuen Teſtament, und gedenke eines
Bildes, das Goethe mir in dieſen Tagen zeigte, wo
Chriſtus auf dem Meere wandelt, und Petrus, ihm auf
den Wellen entgegenkommend, in einem Augenblick an¬
wandelnder Muthloſigkeit ſogleich einzuſinken anfaͤngt.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/272>, abgerufen am 22.11.2024.
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