Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.Freytag, den 11. Februar 1831. Heute bey Tisch erzählte mir Goethe, daß er den Sodann sprach er mit großem Lob über Carl "Ich freue mich, sagte Goethe, wie er mit produc¬ "Es ist immer ein Zeichen einer unproductiven Zeit, "Und dann sind auch wieder andere Mängel hinder¬ Freytag, den 11. Februar 1831. Heute bey Tiſch erzaͤhlte mir Goethe, daß er den Sodann ſprach er mit großem Lob uͤber Carl „Ich freue mich, ſagte Goethe, wie er mit produc¬ „Es iſt immer ein Zeichen einer unproductiven Zeit, „Und dann ſind auch wieder andere Maͤngel hinder¬ <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0271" n="261"/> </div> <div n="4"> <dateline rendition="#right">Freytag, den 11. Februar 1831.<lb/></dateline> <p>Heute bey Tiſch erzaͤhlte mir Goethe, daß er den<lb/> vierten Act des <hi rendition="#g">Fauſt</hi> angefangen habe und ſo fortzu¬<lb/> fahren gedenke, welches mich ſehr begluͤckte.</p><lb/> <p>Sodann ſprach er mit großem Lob uͤber <hi rendition="#g">Carl<lb/> Schoͤne</hi>, einen jungen Philologen in Leipzig, der ein<lb/> Werk uͤber die Coſtume in den Stuͤcken des Euripides<lb/> geſchrieben, und, bey großer Gelehrſamkeit, doch davon<lb/> nicht mehr entwickelt habe, als eben zu ſeinen Zwecken<lb/> noͤthig.</p><lb/> <p>„Ich freue mich, ſagte Goethe, wie er mit produc¬<lb/> tivem Sinn auf die Sache losgeht, waͤhrend andere<lb/> Philologen der letzten Zeit ſich gar zu viel mit dem<lb/> Techniſchen und mit langen und kurzen Sylben zu<lb/> ſchaffen gemacht haben.“</p><lb/> <p>„Es iſt immer ein Zeichen einer unproductiven Zeit,<lb/> wenn ſie ſo ins Kleinliche des Techniſchen geht, und<lb/> eben ſo iſt es ein Zeichen eines unproductiven Indivi¬<lb/> duums, wenn es ſich mit dergleichen befaßt.“</p><lb/> <p>„Und dann ſind auch wieder andere Maͤngel hinder¬<lb/> lich. So finden ſich z. B. im Grafen <hi rendition="#g">Platen</hi> faſt<lb/> alle Haupterforderniſſe eines guten Poeten: Einbildungs¬<lb/> kraft, Erfindung, Geiſt, Productivitaͤt beſitzt er im ho¬<lb/> hen Grade; auch findet ſich bey ihm eine vollkommene<lb/> techniſche Ausbildung, und ein Studium und ein Ernſt<lb/> wie bey wenigen Andern; allein ihn hindert ſeine unſe¬<lb/> lige polemiſche Richtung.“</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [261/0271]
Freytag, den 11. Februar 1831.
Heute bey Tiſch erzaͤhlte mir Goethe, daß er den
vierten Act des Fauſt angefangen habe und ſo fortzu¬
fahren gedenke, welches mich ſehr begluͤckte.
Sodann ſprach er mit großem Lob uͤber Carl
Schoͤne, einen jungen Philologen in Leipzig, der ein
Werk uͤber die Coſtume in den Stuͤcken des Euripides
geſchrieben, und, bey großer Gelehrſamkeit, doch davon
nicht mehr entwickelt habe, als eben zu ſeinen Zwecken
noͤthig.
„Ich freue mich, ſagte Goethe, wie er mit produc¬
tivem Sinn auf die Sache losgeht, waͤhrend andere
Philologen der letzten Zeit ſich gar zu viel mit dem
Techniſchen und mit langen und kurzen Sylben zu
ſchaffen gemacht haben.“
„Es iſt immer ein Zeichen einer unproductiven Zeit,
wenn ſie ſo ins Kleinliche des Techniſchen geht, und
eben ſo iſt es ein Zeichen eines unproductiven Indivi¬
duums, wenn es ſich mit dergleichen befaßt.“
„Und dann ſind auch wieder andere Maͤngel hinder¬
lich. So finden ſich z. B. im Grafen Platen faſt
alle Haupterforderniſſe eines guten Poeten: Einbildungs¬
kraft, Erfindung, Geiſt, Productivitaͤt beſitzt er im ho¬
hen Grade; auch findet ſich bey ihm eine vollkommene
techniſche Ausbildung, und ein Studium und ein Ernſt
wie bey wenigen Andern; allein ihn hindert ſeine unſe¬
lige polemiſche Richtung.“
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