Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

wäre denkbar gewesen. Dergleichen ist mir in meinem
Leben öfter begegnet, und man kommt dahin, in solchen
Fällen an eine höhere Einwirkung, an etwas Dämoni¬
sches zu glauben, das man anbetet, ohne sich anzuma¬
ßen es weiter erklären zu wollen."


Bey Goethe zu Tisch mit Hofrath Vogel. Goe¬
then war eine Brochüre über die Insel Helgoland zu¬
gekommen, worin er mit großem Interesse las und uns
das Wesentlichste daraus mittheilte.

Nach den Gesprächen über eine so eigenthümliche
Localität kamen ärztliche Dinge an die Reihe, und Vo¬
gel
erzählte, als das Neueste des Tages, von den na¬
türlichen Blattern, die, trotz aller Impfung, mit einem
Male wieder in Eisenach hervorgebrochen seyen und in
kurzer Zeit bereits viele Menschen hingerafft hätten.

"Die Natur, sagte Vogel, spielt einem doch im¬
mer einmal wieder einen Streich, und man muß sehr
aufpassen, wenn eine Theorie gegen sie ausreichen soll.
Man hielt die Schutzblattern so sicher und so untrüg¬
lich, daß man ihre Einimpfung zum Gesetz machte.
Nun aber dieser Vorfall in Eisenach, wo die Geimpf¬
ten von den natürlichen dennoch befallen worden, macht

waͤre denkbar geweſen. Dergleichen iſt mir in meinem
Leben oͤfter begegnet, und man kommt dahin, in ſolchen
Faͤllen an eine hoͤhere Einwirkung, an etwas Daͤmoni¬
ſches zu glauben, das man anbetet, ohne ſich anzuma¬
ßen es weiter erklaͤren zu wollen.“


Bey Goethe zu Tiſch mit Hofrath Vogel. Goe¬
then war eine Brochuͤre uͤber die Inſel Helgoland zu¬
gekommen, worin er mit großem Intereſſe las und uns
das Weſentlichſte daraus mittheilte.

Nach den Geſpraͤchen uͤber eine ſo eigenthuͤmliche
Localitaͤt kamen aͤrztliche Dinge an die Reihe, und Vo¬
gel
erzaͤhlte, als das Neueſte des Tages, von den na¬
tuͤrlichen Blattern, die, trotz aller Impfung, mit einem
Male wieder in Eiſenach hervorgebrochen ſeyen und in
kurzer Zeit bereits viele Menſchen hingerafft haͤtten.

„Die Natur, ſagte Vogel, ſpielt einem doch im¬
mer einmal wieder einen Streich, und man muß ſehr
aufpaſſen, wenn eine Theorie gegen ſie ausreichen ſoll.
Man hielt die Schutzblattern ſo ſicher und ſo untruͤg¬
lich, daß man ihre Einimpfung zum Geſetz machte.
Nun aber dieſer Vorfall in Eiſenach, wo die Geimpf¬
ten von den natuͤrlichen dennoch befallen worden, macht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0288" n="278"/>
wa&#x0364;re denkbar gewe&#x017F;en. Dergleichen i&#x017F;t mir in meinem<lb/>
Leben o&#x0364;fter begegnet, und man kommt dahin, in &#x017F;olchen<lb/>
Fa&#x0364;llen an eine ho&#x0364;here Einwirkung, an etwas Da&#x0364;moni¬<lb/>
&#x017F;ches zu glauben, das man anbetet, ohne &#x017F;ich anzuma¬<lb/>
ßen es weiter erkla&#x0364;ren zu wollen.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Sonnabend, den 19. Februar 1831.<lb/></dateline>
          <p>Bey Goethe zu Ti&#x017F;ch mit Hofrath <hi rendition="#g">Vogel</hi>. Goe¬<lb/>
then war eine Brochu&#x0364;re u&#x0364;ber die In&#x017F;el Helgoland zu¬<lb/>
gekommen, worin er mit großem Intere&#x017F;&#x017F;e las und uns<lb/>
das We&#x017F;entlich&#x017F;te daraus mittheilte.</p><lb/>
          <p>Nach den Ge&#x017F;pra&#x0364;chen u&#x0364;ber eine &#x017F;o eigenthu&#x0364;mliche<lb/>
Localita&#x0364;t kamen a&#x0364;rztliche Dinge an die Reihe, und <hi rendition="#g">Vo¬<lb/>
gel</hi> erza&#x0364;hlte, als das Neue&#x017F;te des Tages, von den na¬<lb/>
tu&#x0364;rlichen Blattern, die, trotz aller Impfung, mit einem<lb/>
Male wieder in Ei&#x017F;enach hervorgebrochen &#x017F;eyen und in<lb/>
kurzer Zeit bereits viele Men&#x017F;chen hingerafft ha&#x0364;tten.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Natur, &#x017F;agte <hi rendition="#g">Vogel</hi>, &#x017F;pielt einem doch im¬<lb/>
mer einmal wieder einen Streich, und man muß &#x017F;ehr<lb/>
aufpa&#x017F;&#x017F;en, wenn eine Theorie gegen &#x017F;ie ausreichen &#x017F;oll.<lb/>
Man hielt die Schutzblattern &#x017F;o &#x017F;icher und &#x017F;o untru&#x0364;<lb/>
lich, daß man ihre Einimpfung zum Ge&#x017F;etz machte.<lb/>
Nun aber die&#x017F;er Vorfall in Ei&#x017F;enach, wo die Geimpf¬<lb/>
ten von den natu&#x0364;rlichen dennoch befallen worden, macht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0288] waͤre denkbar geweſen. Dergleichen iſt mir in meinem Leben oͤfter begegnet, und man kommt dahin, in ſolchen Faͤllen an eine hoͤhere Einwirkung, an etwas Daͤmoni¬ ſches zu glauben, das man anbetet, ohne ſich anzuma¬ ßen es weiter erklaͤren zu wollen.“ Sonnabend, den 19. Februar 1831. Bey Goethe zu Tiſch mit Hofrath Vogel. Goe¬ then war eine Brochuͤre uͤber die Inſel Helgoland zu¬ gekommen, worin er mit großem Intereſſe las und uns das Weſentlichſte daraus mittheilte. Nach den Geſpraͤchen uͤber eine ſo eigenthuͤmliche Localitaͤt kamen aͤrztliche Dinge an die Reihe, und Vo¬ gel erzaͤhlte, als das Neueſte des Tages, von den na¬ tuͤrlichen Blattern, die, trotz aller Impfung, mit einem Male wieder in Eiſenach hervorgebrochen ſeyen und in kurzer Zeit bereits viele Menſchen hingerafft haͤtten. „Die Natur, ſagte Vogel, ſpielt einem doch im¬ mer einmal wieder einen Streich, und man muß ſehr aufpaſſen, wenn eine Theorie gegen ſie ausreichen ſoll. Man hielt die Schutzblattern ſo ſicher und ſo untruͤg¬ lich, daß man ihre Einimpfung zum Geſetz machte. Nun aber dieſer Vorfall in Eiſenach, wo die Geimpf¬ ten von den natuͤrlichen dennoch befallen worden, macht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/288
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/288>, abgerufen am 22.11.2024.