Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.Dienstag, den 8. März 1831. Heute mit Goethe zu Tisch erzählte er mir zunächst, Wir sprachen sodann über den vierten Band der "In der Poesie, sagte Goethe, ist durchaus etwas "Deßgleichen ist es in der Musik im höchsten Grade, "So wirft sich auch das Dämonische gern in be¬ Dienſtag, den 8. Maͤrz 1831. Heute mit Goethe zu Tiſch erzaͤhlte er mir zunaͤchſt, Wir ſprachen ſodann uͤber den vierten Band der „In der Poeſie, ſagte Goethe, iſt durchaus etwas „Deßgleichen iſt es in der Muſik im hoͤchſten Grade, „So wirft ſich auch das Daͤmoniſche gern in be¬ <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0312" n="302"/> </div> <div n="4"> <dateline rendition="#right">Dienſtag, den 8. Maͤrz 1831.<lb/></dateline> <p>Heute mit Goethe zu Tiſch erzaͤhlte er mir zunaͤchſt,<lb/> daß er den <hi rendition="#g">Ivanhoe</hi> leſe. „Walter Scott iſt ein<lb/> großes Talent, ſagte er, das nicht ſeines Gleichen hat,<lb/> und man darf ſich billig nicht verwundern, daß er<lb/> auf die ganze Leſewelt ſo außerordentliche Wirkungen<lb/> hervorbringt. Er giebt mir viel zu denken, und ich ent¬<lb/> decke in ihm eine ganz neue Kunſt, die ihre eigenen<lb/> Geſetze hat.“</p><lb/> <p>Wir ſprachen ſodann uͤber den vierten Band der<lb/> Biographie, und waren im Hin- und Wiederreden uͤber<lb/> das Daͤmoniſche begriffen, ehe wir es uns verſahen.</p><lb/> <p>„In der Poeſie, ſagte Goethe, iſt durchaus etwas<lb/> Daͤmoniſches, und zwar vorzuͤglich in der unbewußten,<lb/> bey der aller Verſtand und alle Vernunft zu kurz kommt,<lb/> und die daher auch ſo uͤber alle Begriffe wirkt.“</p><lb/> <p>„Deßgleichen iſt es in der Muſik im hoͤchſten Grade,<lb/> denn ſie ſteht ſo hoch, daß kein Verſtand ihr beykommen<lb/> kann, und es geht von ihr eine Wirkung aus, die Alles<lb/> beherrſcht und von der niemand im Stande iſt, ſich<lb/> Rechenſchaft zu geben. Der religioͤſe Cultus kann ſie<lb/> daher auch nicht entbehren; ſie iſt eins der erſten Mittel,<lb/> um auf die Menſchen wunderbar zu wirken.“</p><lb/> <p>„So wirft ſich auch das Daͤmoniſche gern in be¬<lb/> deutende Individuen, vorzuͤglich wenn ſie eine hohe Stel¬<lb/> lung haben, wie <hi rendition="#g">Friedrich</hi> und <hi rendition="#g">Peter der Große</hi>.“</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [302/0312]
Dienſtag, den 8. Maͤrz 1831.
Heute mit Goethe zu Tiſch erzaͤhlte er mir zunaͤchſt,
daß er den Ivanhoe leſe. „Walter Scott iſt ein
großes Talent, ſagte er, das nicht ſeines Gleichen hat,
und man darf ſich billig nicht verwundern, daß er
auf die ganze Leſewelt ſo außerordentliche Wirkungen
hervorbringt. Er giebt mir viel zu denken, und ich ent¬
decke in ihm eine ganz neue Kunſt, die ihre eigenen
Geſetze hat.“
Wir ſprachen ſodann uͤber den vierten Band der
Biographie, und waren im Hin- und Wiederreden uͤber
das Daͤmoniſche begriffen, ehe wir es uns verſahen.
„In der Poeſie, ſagte Goethe, iſt durchaus etwas
Daͤmoniſches, und zwar vorzuͤglich in der unbewußten,
bey der aller Verſtand und alle Vernunft zu kurz kommt,
und die daher auch ſo uͤber alle Begriffe wirkt.“
„Deßgleichen iſt es in der Muſik im hoͤchſten Grade,
denn ſie ſteht ſo hoch, daß kein Verſtand ihr beykommen
kann, und es geht von ihr eine Wirkung aus, die Alles
beherrſcht und von der niemand im Stande iſt, ſich
Rechenſchaft zu geben. Der religioͤſe Cultus kann ſie
daher auch nicht entbehren; ſie iſt eins der erſten Mittel,
um auf die Menſchen wunderbar zu wirken.“
„So wirft ſich auch das Daͤmoniſche gern in be¬
deutende Individuen, vorzuͤglich wenn ſie eine hohe Stel¬
lung haben, wie Friedrich und Peter der Große.“
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